Pedanios ist eines der zugelassenen Cannabis-Medikamente.
epd-bild/Jörg Koch
Ein Jahr nach Inkraftreten des Cannabis-Gesetzes, das Schwerkranken Zugang zu Cannabis als Heilmittel eröffnen soll, hat die Psychiatrie-Professorin Kirsten Müller-Vahl die Regelung kritisiert.
16.03.2018

"Vieles wurde handwerklich sehr schlecht gemacht", sagte Müller-Vahl dem Evangelischen Pressedienst. Die Expertin von der Medizinischen Hochschule Hannover hat die Bundesregierung bei der Vorbereitung des Cannabis-Gesetzes beraten. Die Regelung steht in der Kritik, weil es vielen Patienten nicht gelingt, rasch an die Cannabis-Präparate zu kommen, auch, weil die Krankenkassen viele Anträge auf Kostenübernahme ablehnen.

Müller-Vahl sagte, damals habe auch sie nicht vorhergesehen, dass Cannabisblüten nach ihrer Einstufung als verschreibungspflichtiges Arzneimittel wegen der damit verbundenen Kontrollpflichten von Apothekern deutlich teurer würden. Außerdem habe der Gesetzgeber versäumt, klarzustellen, dass Cannabis-Patienten nicht wegen der Einnahme der Medikamente ihren Führerschein verlieren.

Hohe Zahl an Ablehnungen bei den Kassen

Scharf kritisierte Müller-Vahl die Krankenkassen: Wenn 40 Prozent der Anträge auf Übernahme der Kosten für medizinisches Cannabis abgelehnt würden, sei dies mehr "als das Gesetz vorsieht", sagte die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie.

Der Medizinische Dienst der Kassen habe gegen den Geist des Gesetzes eine Liste von Krankheiten erstellt, bei denen Cannabis von den Kassen bezahlt werde. "Wessen Krankheit dort nicht steht, hat Pech gehabt", sagte Müller-Vahl, die selbst Patienten mit Cannabis behandelt. "Als Expertin für die Behandlung von Tics und Tourette-Syndrom empfinde ich es als Eingriff in meine Behandlungshoheit, wenn mir der Medizinische Dienst vorschreibt, was ich bei diesen Erkrankungen verschreiben darf und was nicht."

Die Mängel erklärt Müller-Vahl mit dem Zeitdruck, unter dem das Gesetz beschlossen wurde. Nachdem der Bundesgerichtshof zwei Klägern den Anbau von Cannabis zur medizinischen Selbstversorgung erlaubt hatte, hatten die Unionsparteien auf ein Gesetz gedrungen, um den Eigenanbau einzudämmen. Das Gesetz musste wegen der Bundestagswahl schnell in Kraft treten. "Da wurde mit sehr heißer Nadel gestrickt", so Müller-Vahl. Sie warnte: "Wenn das Cannabis-Gesetz nicht funktioniert, werden wieder Patienten vor Gericht ziehen."

Die Gesundheitsexpertin sieht aber auch positive Seiten an der Regelung. Diese habe Cannabis verschreibungsfähig gemacht und damit so vielen Patienten wie nie zuvor Zugang verschafft. Außerdem sei das Angebot an Cannabis-Präperaten inzwischen gestiegen, Deutschland gelte als Schlüsselmarkt.

An Studien zur Wirksamkeit von Cannabis als Heilmittel fehle es bislang, sagte die Forscherin. Sie sieht den Bund und die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der Pflicht, die Wirksamkeit von Cannabis als Heilmittel zu klären.

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