Deniz Yücel (Privates Foto)
epd-bild/weltN24/Axel Springer
Ein Jahr lang saß Deniz Yücel in türkischer Untersuchungshaft, nun ist er auf freiem Fuß und darf ausreisen. Die Staatsanwaltschaft legte zugleich am Freitag ihre Anklageschrift vor: Bis zu 18 Jahre Haft fordert sie für den "Welt"-Journalisten.
16.02.2018

Der am Freitag auf freien Fuß gesetzte Journalist Deniz Yücel kann die Türkei verlassen. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte am Nachmittag in Berlin, Yücel sei auf dem Weg zum Flughafen Istanbul. Auf die Frage, ob Yücel die Türkei noch heute verlasse, sagte Gabriel: "Ich gehe davon aus." Dass der 44-Jährige nach Deutschland kommt, bestätigte Gabriel aber nicht. Wohin Yücel reise, sei allein dessen Entscheidung. Er sei ohne Auflagen freigelassen worden. Damit kann er Gabriel zufolge das Land verlassen.

"Es gibt keine Verabredungen, Gegenleistungen, oder wie manche das nennen: 'Deals'", betonte Gabriel. Der Außenminister hatte den Fall Yücel jüngst mit Rüstungsexporten in die Türkei in Verbindung gebracht. Yücels Zeitung, die Tageszeitung "Die Welt", hatte die Freilassung am späten Vormittag gemeldet. Kurz darauf bestätigte das Auswärtige Amt die Nachricht.

18 Jahre Haft gefordert

Die Istanbuler Staatsanwaltschaft legte am Freitag eine Anklageschrift gegen Yücel vor, wie die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Die Behörde fordert demnach wegen "Propaganda für eine Terrororganisation" und "Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit" bis zu 18 Jahre Haft. Ein Gericht habe die Anklageschrift angenommen und die Freilassung aus der Untersuchungshaft angeordnet. Dass Yücel bislang ohne Anklageschrift inhaftiert war, hatte für große Kritik gesorgt.

Der 44-Jährige Yücel saß am Mittwoch seit genau einem Jahr in türkischer Haft. Er hatte sich am 14. Februar 2017 freiwillig der Istanbuler Polizei gestellt, nachdem wegen seiner Berichterstattung über den türkischen Energieminister nach ihm gesucht worden war. Der Fall sorgte für Verstimmungen im deutsch-türkischen Verhältnis. Erst am Donnerstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim die Haft Yücels als "Bürde für das bilaterale Verhältnis" bezeichnet.

Noch fünf Deutsche in Haft

Gabriel betonte, er habe sich in den vergangenen Tagen und Wochen intensiv um den Fall bemüht, unter anderem auch in zwei Gesprächen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) kündigte an, alles dafür zu tun, dass alle in der Türkei zu Unrecht inhaftierten Deutschen so schnell wie möglich freigelassen werden. Nach der Freilassung Yücels sind nach Angaben des Außenamts noch fünf Deutsche aus politischen Gründen in der Türkei in Haft, drei von ihnen haben wie Yücel neben der deutschen auch die türkische Staatsangehörigkeit.

Yücels Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen seine Inhaftierung ist mit der Freilassung noch nicht erledigt. Eine Sprecherin des Straßburger Gerichts sagte am Freitag, dass der Fall weiter anhängig sei und nun auf eine Stellungnahme der Parteien gewartet werde.

Jubelkorsos

Die Freilassung Yücels wurde in Deutschland von Politikern nahezu aller Parteien und von Journalistenorganisationen begrüßt. Am Freitagabend wollte der "Freundeskreis #Free Deniz" die Freilassung mit "Jubelkorsos" in Berlin, Hamburg und Yücels hessischer Heimatstadt Flörsheim feiern. "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt sagte, er wünsche Yücel jetzt Ruhe und Zeit mit seiner Frau und Familie.

Am Freitag wurden jedoch auch sechs türkische Journalisten in Istanbul zu lebenslanger Haft verurteilt. "Angesichts des harten Urteils ist es umso wichtiger, dass die Weltöffentlichkeit auch nach der Freilassung von Deniz Yücel in die Türkei schaut und sich für alle Journalisten einsetzt, die weiterhin der Willkürjustiz im Land ausgesetzt sind", sagte der Geschäftsführer von "Reporter ohne Grenzen" in Deutschland, Christian Mihr.

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