Nur wenige in Deutschland besitzen einen Organspendeausweis.
epd-bild / Rolf Zöllner
Weil Spenderorgane fehlen, wird in den Niederlanden künftig jede volljährige Person automatisch als Organspender erfasst - es sei denn, sie widerspricht dem ausdrücklich. Doch für Deutschland wäre die Widerspruchslösung keine gute Idee, sagte Gunnar Duttge dem epd.
16.02.2018

Der Göttinger Straf- und Medizinrechtler Gunnar Duttge äußert sich skeptisch, die in dieser Woche vom niederländischen Parlament beschlossene Widerspruchslösung bei der Organspende auch in Deutschland einzuführen. "Das wäre ein Eigentor", sagte der Universitätsprofessor dem Evangelischen Pressedienst (epd). Rechtlich wäre dies zwar möglich, gesellschaftspolitisch aber "außerordentlich unklug".

Weil Spenderorgane fehlen, wird in den Niederlanden künftig jede volljährige Person automatisch als Organspender erfasst - es sei denn, sie widerspricht dem ausdrücklich. Das Gesetz wurde am Dienstag in Den Haag mit einer Zwei-Stimmen-Mehrheit vom Parlament angenommen.

In Deutschland gilt die sogenannte Zustimmungsregelung. Danach ist nur derjenige ein potenzieller Organspender, der zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat. Im Zweifelsfall müssen nach dem Tod die Angehörigen entscheiden. Für eine entsprechende Änderung müsse der Bundestag das Transplantationsgesetz ändern, erklärte Duttge. Man könne aber kein Vertrauen gewinnen, wenn man sage: "Ihr seid misstrauisch, künftig werden wir euch einfach nicht mehr fragen."

Auf Selbstbestimmung ausgerichtet

Die Entscheidung in den Niederlanden hat Duttge überrascht. Das Land sei sonst ein sehr liberales Land. Bei der Sterbehilfe und der Drogenpolitik sei dort alles auf Selbstbestimmung ausgerichtet.

Der Jurist äußerte Bedenken, Deutschland beim Thema Organspende mit anderen Ländern zu vergleichen. Auf Zypern und in Bulgarien gebe es auch die Widerspruchslösung, und dort seien die Spenderzahlen sehr niedrig. Spanien habe zwar die meisten Spender in Europa, da habe Organspende in den Familien aber auch eine andere Ausprägung von Solidarität, erklärte Duttge.

Eine Widerspruchslösung wurde auch in Deutschland immer wieder diskutiert. Im vergangenen Jahr war die Zahl der Organspenden in der Bundesrepublik auf einen Tiefststand gefallen. Bundesweit gab es 797 tatsächlich durchgeführte Organspenden, 60 weniger als im Jahr zuvor.

Die Bevölkerung müsse dringend aufgeklärt werden, betonte Duttge. Zweifel und mangelndes Wissen würden die Menschen von Spendeerklärungen abhalten. Aus eigenen Antrieb würden sich Menschen über Themen wie Hirntoddiagnostik, Intensivmedizin am Lebensende und die Frage nach der Verteilung von Organen häufig nicht informieren.

Hotline reiche nicht

Das Problem des Organmangels müsse im alltäglichen Leben sichtbar gemacht werden, um dadurch Anstöße zum Nachdenken zu geben. Als Vergleich nannte er Fernsehlotterien für einen guten Zweck, die Menschen für die Not in der Welt sensibilisierten. Der Fantasie seien dabei keine Grenzen gesetzt.

Man könne in der Tageszeitung eine Rubrik "Organspender des Monats" einführen, schlug Duttge vor. Das was etwa die Deutsche Stiftung Organspende jetzt unternehme, würden die Menschen eher als nachholende Imagekampagne, als Marketing verstehen. Eine Hotline allein reiche nicht. Stattdessen müsse man proaktiv auf die Menschen zugehen.

Der Rechtsmediziner schlug zudem vor, Organspende in der Fahrschule zu thematisieren. Dort könne man die Fahrschüler fragen, was mit ihren Organen nach einem Unfall passieren solle. Das klingt nach Duttges Worten zwar "prekär", man solle die Jugendlichen aber zumindest darüber informieren. Der Jurist sprach sich außerdem dafür aus, mehr an Schulen zu gehen und junge Menschen anzusprechen. "Wir müssen da hingehen, wo Menschen zusammenkommen."

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