Rollstuhlfahrerin
epd-bild/Meike Boeschemeyer
Auch Menschen mit Behinderungen profitieren laut einer Studie vom Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt. Noch immer zahlen aber viele Unternehmen lieber eine Ausgleichsabgabe, anstatt behinderte Mitarbeiter einzustellen.
30.11.2017

Die Lage von behinderten Menschen auf dem Arbeitsmarkt hat sich verbessert. Wie die Aktion Mensch und das Handelsblatt Research Institute (HRI) am Donnerstag in Duisburg mitteilten, sank die Zahl der Arbeitslosen mit schweren Behinderungen von 178.809 im Jahr 2016 auf 170.508 in diesem Jahr. Sie liege damit so niedrig wie zuletzt 2009, sagte HRI-Präsident Bert Rürup bei der Vorstellung des "Inklusionsbarometers 2017". "Die Lage auf dem Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung ist so gut wie nie, aber sie ist nach wie vor nicht gut", sagte der Ökonom. Mehrere Verbände forderten die Bundesregierung auf, den Schutz behinderter Menschen vor Diskriminierung voranzutreiben.

"Mit Verzögerung kommt der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt damit auch bei den Menschen mit Handicap an", erklärte Rürup. Die Arbeitslosenquote von Menschen mit schweren Behinderungen sei von 13,4 auf 12,4 Prozent gesunken. Damit liegt sie aber noch immer deutlich über der Arbeitslosenquote von nicht behinderten Menschen mit 6,1 Prozent.

Lieber Ausgleich zahlen

Behinderte Menschen suchen zudem im Durchschnitt 109 Tage länger nach einem Job als nicht behinderte. Das waren acht Tage länger als noch im Jahr 2016. Während Menschen ohne Einschränkungen im Schnitt nach 268 Tagen eine Anstellung gefunden haben, brauchen behinderte Menschen mehr als ein Jahr (377 Tage).

Rürup beklagte die nach wie vor zu geringe Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen. "Von fast 120.000 jungen Menschen mit Behinderung im Alter zwischen 18 und 25 Jahren sind nur rund 7.000 in einer beruflichen Ausbildung", kritisierte der Wirtschaftswissenschaftler.

Die Beschäftigungsquote Schwerbehinderter, die den Anteil sozialversicherungspflichtig Beschäftigter angibt, stagniert den Angaben zufolge bei 4,69 Prozent. Armin von Buttlar, Vorstand der Aktion Mensch, nannte als Grund dafür die steigende Zahl von Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern, die laut den gesetzlichen Vorgaben zwar schwerbehinderte Arbeitnehmer einstellen müssten, stattdessen aber eine Ausgleichsausgabe zahlen. Die Zahl dieser Unternehmen nahm laut Inklusionsbarometer im Vergleich zu 2016 um 3.500 auf 156.306 zu.

Die Lebenshilfe rief die künftige Bundesregierung auf, sich für einen besseren Schutz von Menschen mit Behinderung vor Diskrimierung einzusetzen. "Auch in Deutschland besteht Nachholbedarf", sagte die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, Ulla Schmidt, in Berlin zum Welttag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember.

Unterstützung nicht verweigern

Die Lebenshilfe forderte, neben öffentlichen Einrichtungen auch die Privatwirtschaft zur Barrierefreiheit zu verpflichten. Ein Verstoß dagegen müsse als Diskriminierung geahndet werden. Gleiches gelte, wenn Hilfestellungen im konkreten Einzelfall verweigert würden. Finde sich etwa ein Mensch mit Behinderung beim Einkauf im Supermarkt nicht zurecht, dürfe ihm das Personal die Unterstützung nicht vorenthalten.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte regte an, die deutsche Hilfe im Ausland neu zu auszurichten. Ziel müsse es sein, "Menschen mit Behinderungen stärker als bislang in den Fokus der Entwicklungszusammenarbeit zu rücken", empfahl Valentin Aichele, der Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Die Menschen vor Ort müssten mehr an Projekten beteiligte werden.

Aichele sprach sich dafür aus, zeitnah eine Inklusionsstrategie zu verabschieden: "Insbesondere Selbstvertretungsorganisationen vor Ort sollten gestärkt und in die Planung, Umsetzung und Evaluierung von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit einbezogen werden."

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