Rund 36,6 Prozent haben dem konservativen Präsidentschaftskandidaten Piñera in Chile nicht für einen Sieg im ersten Wahlgang gereicht. Er muss im Dezember zur zweiten Runde gegen den von Sozialisten und Kommunisten unterstützten Guillier antreten.
20.11.2017

Chile bestimmt seinen nächsten Präsidenten in einer Stichwahl: Der konservative Ex-Staatschef Sebastián Piñera gewann zwar am Sonntag die erste Runde der Präsidentenwahl mit rund 36,6 Prozent der Stimmen, verfehlte aber die nötige Mehrheit. Der Multimillionär muss nun am 17. Dezember gegen den Senator Alejandro Guillier antreten, der von Sozialisten und Kommunisten unterstützt wird. Guillier kam laut Wahlbehörde auf 22,7 Prozent der Stimmen.

Piñera lag deutlich unter den Umfragewerten, die ihm bis zu 42 Prozent vorhergesagt hatten, und erhielt rund 700.000 Stimmen weniger als bei der Wahl 2009. Sein konservatives Parteienbündnis Chile Vamos kann mit mehr als 70 Abgeordneten rechnen, verfehlte aber die Mehrheit im Abgeordnetenhaus.

Der 67-jährige Unternehmer hatte das höchste Staatsamt bereits von 2010 bis 2014 inne und will die amtierende Mitte-Links-Präsidentin Michelle Bachelet erneut beerben. Sie durfte laut Verfassung nicht direkt zur Wiederwahl antreten. Piñera umwarb in der ersten Wahlrunde vor allem die chilenische Mittelschicht. Er will das Wirtschaftswachstum ankurbeln und die öffentlichen Ausgaben senken. Kritiker befürchten, er könnte die Sozialreformen von Präsidentin Bachelet zurückdrehen. Seine erste Amtszeit war von massiven Schüler- und Studentenprotesten geprägt.

Zweitplatzierter Guillier ist Politik-Neuling

Der 64-jährige Guillier will den Reformkurs der Regierung fortsetzen und verspricht, die kostenlose Hochschulbildung auszubauen. Der frühere Journalist ist ein Neuling in der Politik und wurde 2013 zum ersten Mal in den Senat gewählt. Seine Chancen in der Stichwahl hängen davon ab, ob er die zerstrittene Mitte-Links-Koalition einen und das linke Parteienbündnis "Frente Amplio" auf seine Seite ziehen kann. Das neu gegründete Links-Bündnis ist der Überraschungssieger der Wahl und zieht als drittstärkste Kraft ins Abgeordnetenhaus ein. Die linke Präsidentschaftskandidatin Beatriz Sánchez unterlag Senator Guillier mit gut 20 Prozent nur knapp.

Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 47 Prozent und ist damit im Vergleich zur ersten Wahlrunde vor vier Jahren erneut um rund zwei Prozentpunkte gesunken. 27 Jahre nach der Rückkehr zur Demokratie ist in Chile Ernüchterung eingekehrt, große Teile der Bevölkerung fühlen sich abgehängt. Die Politikverdrossenheit ist hoch, die Wahlbeteiligung befindet sich seit Abschaffung der Wahlpflicht 2012 im Sinkflug.

Wirtschaftlich gilt das südamerikanische Land als Musterknabe in Lateinamerika. Doch die hohen Wachstumsraten von rund fünf Prozent sind in den vergangenen Jahren auf durchschnittlich 1,8 Prozent gesunken. Zudem besteht erheblicher Reformbedarf bei Rente, Gesundheit und Bildung. Die Mitte-Links-Regierung von Präsidentin Bachelet hat zahlreiche Strukturreformen wie eine Bildungs- und Steuerreform auf den Weg gebracht, setzte sie nach Einschätzung von Experten aber mangelhaft um.

epd rr svo

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