Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter der EKD
epd-bild/Norbert Neetz
Kurz vor dem Ende des Reformationsjubiläums erscheint ein Sammelband, in dem eine Bilanz des Festjahres gezogen wird. Er enthält Jubelstimmung, Kritik und Nachdenklichkeit. Mitherausgeber Claussen zieht daraus Lehren für die Zukunft seiner Kirche.
20.10.2017

Noch vor dem Finale zum 500. Reformationsjubiläum haben das Kulturbüro der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die staatliche Stiftung Luthergedenkstätten einen Sammelband mit einer Bilanz zum Festjahr vorgelegt. Unter dem Titel "Reformation 2017 - eine Bilanz" haben sie Beiträge verschiedener Autoren gesammelt, die sich - lobend und kritisch - mit den Feierlichkeiten auseinandersetzen. Das Reformationsjubiläum sei ein "großes Fest und anspruchsvolles Unternehmen gewesen", schreiben der EKD-Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen und Stiftungsdirektor Stefan Rhein in ihrem Vorwort. Es werde für lange Zeit die "bedeutendste Gedenkfeier in Deutschland" gewesen sein.

Auch wenn das Festjahr noch nicht vorbei ist, sollte man nach Ansicht der Beiden eine Bilanz bereits wagen. "Besonders dringlich wird diese Frage dadurch, dass sich in die Festfreude unüberhörbar auch eine gute Portion Unsicherheit, Irritation und Zukunftssorge gemischt hat", heißt es in dem Vorwort weiter. Die EKD hat angekündigt, bei ihrer Synode in Bonn über Bilanz und Konsequenzen des Reformationsjubiläums zu beraten.

Verpasste Chancen

Ein Jahr lang erinnerte die evangelische Kirche in einer Vielzahl von Veranstaltungen an ihre Ursprünge in der Zeit der Reformation. Am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther (1483-1546) der Überlieferung zufolge 95 Thesen für Veränderungen in der damaligen römischen Kirche an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg. Das Buch, das ab nächsten Montag erhältlich sein wird, enthält unter anderem Beiträge vom Berliner Bischof Markus Dröge, dem Publizisten Christoph Dieckmann, Altbundespräsident Joachim Gauck, Kulturrat-Geschäftsführer Olaf Zimmermann und dem Journalisten Matthias Dobrinski ("Süddeutsche Zeitung").

In einem seiner letzten publizistischen Beiträge wirft der frühere CDU-Politiker Heiner Geißler den Kirchen in seinem Aufsatz vor, Chancen für mehr Gemeinsamkeit verpasst zu haben. Geißler beklagt, beide Kirchen hätten in ihren ökumenischen Bemühungen auf eine "Revolution" verzichtet. Zudem kritisierte er, die Geschichte und Lehren Jesu seien in den Hintergrund geraten. "Ich habe Jesus auf dem Kirchentag und im Jubiläumsjahr vermisst", heißt es im Beitrag des am 12. September verstorbenen früheren CDU-Generalsekretärs.

Kirche als "Global Player"

Geißler, der selbst Priester werden wollte, beschäftigte sich vor allem in seinen letzten Lebensjahren verstärkt mit theologischen Themen und drängte die Kirchen, zusammenzurücken, um gemeinsam mehr für ein gerechtes Zusammenleben zu bewirken. In seinem Beitrag argumentierte er, zwei Milliarden Menschen würden sich zu Jesus bekennen. Die Christen seien die "größten Global Player der Welt". Die Führer der Kirchen könnten die treibende Kraft für eine neue gerechte Welt sein.

Für den EKD-Kulturbeauftragten Claussen besteht die Hauptlehre des Jubiläums darin, dass es nicht mehr reiche, "Kirche allein für uns zu sein". Das Reformationsjubiläum sei überall dort geglückt, wo Kirchenleute aus den Kirchentüren hinausgegangen seien und mit anderen gesellschaftlichen Kräften etwas gemeinsam auf die Beine gestellt hätten. "Kirchliche Selbstherrlichkeit hat keine Zukunft, wir als Teil der Gesellschaft aber sehr wohl", sagte er dem epd.

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