Plantage mit Dendé-Palmen in Brasilien.
epd-bild: Werner Rudhart
Die brasilianische Bundesstaatsanwaltschaft hat das Arbeitsministerium aufgefordert, eine neue Richtlinie zur Definition ausbeuterischer Arbeitszustände zu überdenken.
18.10.2017

In Brasilien ist ein Streit über das juristische Vorgehen gegen sklavereiähnliche Arbeitsverhältnisse entbrannt. Die Bundesstaatsanwaltschaft forderte das Arbeitsministerium am Dienstag (Ortszeit) auf, eine neue Richtlinie zur Definition ausbeuterischer Arbeitszustände zu überdenken, wie die Zeitung "Folha de São Paulo" in ihrer Online-Ausgabe berichtete. Die Regelungen stünden in Widerspruch zu internationalen Normen und zum brasilianischen Strafgesetzbuch, argumentierte die Staatsanwaltschaft. Am Montag hatte die konservative Regierung eine neue Richtlinie erlassen, mit der die Feststellung des Tatbestands sklavereiähnlicher Arbeitsverhältnisse erschwert wird.

Freiheitsberaubung als Kriterium

Laut der neuen Richtlinie sind Straftatbestände durch erniedrigende Arbeitsbedingungen oder unzumutbare Arbeitszeiten in Zukunft nur dann gegeben, wenn der Betreffende zugleich seiner Freiheit beraubt wird. Zudem erschwert die Neuregelung die früher übliche Veröffentlichung einer Liste der Namen der von Unternehmen, die aufgrund der Einführung von sklavereiähnlichen Arbeitsverhältnissen zur Rechenschaft gezogen wurden.

Das Arbeitsministerium erklärte, die neue Richtlinie erhöhe die Rechtssicherheit in Streitfällen. Bei Unternehmen stieß die Änderung auf Zustimmung. Der Agrarminister und einflussreiche Soja-Bauer Blairo Maggi lobte die Initiative als Ende der Willkür bei Betriebskontrollen.

Empörung bei Gewerkschaftern

Bei Menschenrechtlern und Gewerkschafter stieß die neue Richtlinie auf Empörung. Mehrere Abgeordnete beantragten die Aussetzung der Richtlinie und eine Parlamentsdebatte. "Es handelt sich um einen enormen Rückschritt für Arbeits- und Menschenrechte", kritisierte José Guimarães, Bundesabgeordneter der Arbeiterpartei PT.

Die Internationale Arbeitsorganisation ILO befürchtet, dass die neue Richtlinie die Kontrolle ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse erschwert. "Brasilien ist jetzt kein Vorbild mehr im Kampf gegen Sklaverei", erklärte Antonio Rosa, ILO-Repräsentant in Brasilien. Nach Angaben der ILO arbeiten weltweit mehr 40 Millionen Menschen in sklavereiähnlichen Zuständen. Ein Viertel davon sind Kinder. In Brasilien haben Kontrolleure nach Angaben der Organisation "Reporter Brasil" zwischen 1995 und 2015 fast 50.000 Menschen aus sklavereiähnlichen Zuständen befreit.

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