SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz
epd-Bild/Christian Ditsch
Rund zwei Monate vor der Bundestagswahl setzt die SPD das Thema Flüchtlinge auf die Agenda. Kanzlerkandidat Schulz fordert ein Einwanderungsgesetz und eine gerechtere Verteilung in Europa. Kritik am bisherigen Kurs wehrt die Union ab.
24.07.2017

Nach den Warnungen von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz vor weiteren hohen Flüchtlingszahlen verweist die Bundesregierung auf ihre bisherigen Anstrengungen. Man arbeite intensiv daran, dass sich 2015 so nicht wiederhole, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Montag in Berlin. "Aber das Thema ist komplex und nicht über Nacht erledigt." Schulz hatte in einem TV-Interview gesagt, Deutschland würde eine Situation wie 2015 nicht mehr verkraften. CSU-Politiker warfen ihm Wahlkampftaktik vor. Der kirchliche Migrationsexperte und rheinische Präses Manfred Rekowski begrüßte alle Bemühungen um eine Flüchtlingsverteilung in Europa. Pro Asyl" forderte mehr Schutz für Flüchtlinge.

Länder nicht alleine lassen

Der SPD-Kanzlerkandidat hatte in den ARD-"Tagesthemen" am Sonntagabend ein europäisches Einwanderungsrecht, eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in der EU sowie eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern gefordert, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Zuvor hatte Schulz in der "Bild am Sonntag" Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geübt. Diese habe 2015 aus "gut gemeinten humanitären Gründen" die Grenzen zu Österreich geöffnet. Das sei aber "leider ohne Absprachen mit unseren Partnern in Europa" erfolgt, sagte der ehemalige EU-Parlamentspräsident. Die Bundesregierung hob erneut die Unterstützung für Aufnahmeländer wie Italien hervor. Besonders belastete EU-Mitgliedsstaaten dürften nicht allein gelassen werden, sagte Demmer.

Rekowski, der Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, sagte, dass unabhängig von der Bundestagswahl die Völkergemeinschaft kontinuierlich nach Lösungen "für das drängende Weltproblem Flucht" suchen müsse. Wie die dramatische Lage in Italien zeige, kämen nationale Lösungen an ihre Grenzen. "Insofern begrüßen wir auch alle Bemühungen um eine Verteilung der Flüchtlinge in Europa und das Eintreten für ein europäisches Einwanderungsgesetz", sagte Rekowski dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Unglaubwürdig und unseriös"

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nannte Schulz' Äußerungen "total unglaubwürdig und unseriös": "Mehr Abschiebungen, mehr sichere Herkunftsstaaten, Grenzkontrollen und Transitzonen - das alles haben SPD und Martin Schulz vehement blockiert", sagte Scheuer der "Passauer Neuen Presse" (Montag).

Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) wies den Vorwurf zurück, die CDU drücke sich im Wahlkampf vor dem Flüchtlingsthema. "Selbstverständlich werden die Menschen uns danach auch im Wahlkampf fragen", sagte er der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Montag): "Und wir können darauf verweisen, wie wir die Zahlen reduziert und mehr Ordnung in die Verfahren gebracht haben." Zudem sprach er sich für strenge Integrationsregeln und konsequente Abschiebungen aus. Auch über diese Weichenstellung würden die Menschen bei der Wahl am 24. September abstimmen.

Pro Asyl warnte "vor einer alarmistischen Debatte über die vermeintliche Flüchtlingskrise in Europa". "Es gibt keine Flüchtlingskrise in Europa, sondern eine Krise des Flüchtlingsschutzes und ein unerträgliches Massensterben im Mittelmeer", sagte der Europareferent der Organisation, Karl Kopp. Den Angaben nach sind knapp 110.000 Flüchtlinge seit Anfang des Jahres in Griechenland, Italien, Zypern und Spanien angekommen, die meisten landeten in Italien. Mehr als 2.300 Menschen starben auf dem Weg nach Europa.

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