Mehr als 100.000 Gläubige feiern in der Lutherstadt Wittenberg einen Gottesdienst, der ein Höhepunkt im Jahr des 500. Reformationsjubiläums wurde. Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm setzt auf die "Generation 2017".
28.05.2017

Stimmungsvoller Abschluss eines historischen Kirchentags: Mit Appellen an die Jugend zum Einsatz für eine bessere Welt ist das Protestantentreffen im Jahr des 500. Reformationsjubiläums zu Ende gegangen. Vor mehr als 100.000 Gläubigen auf den sonnenüberfluteten Elbwiesen in der Lutherstadt Wittenberg rief der Erzbischof von Kapstadt, Thabo Makgoba, in seiner Predigt die Jugendlichen auf, sich nicht entmutigen zu lassen: "Seid radikal." Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte: "Vielleicht erleben wir das Wachsen einer Generation 2017, in der junge Leute aufbrechen!"

Kirchentagspräsidentin: Dialog und Kontroversen gehören zusammen

1517 hatte der Reformator Martin Luther (1483-1546) in Wittenberg seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht. Zum Abschlussgottesdienst, dem Höhepunkt des Jubiläumsjahres, kamen nach Angaben der Veranstalter rund 120.000 Menschen. Insgesamt beteiligten sich demnach rund 106.000 Dauerteilnehmer an den fast 2.500 Veranstaltungen des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Berlin und Wittenberg, vor zwei Jahren in Stuttgart waren es 97.000. Zudem zählten die sechs regionalen "Kirchentage auf dem Weg" in acht mitteldeutschen Städten etwa 50.000 Menschen.

Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au appellierte an die Protestanten, Auseinandersetzungen nicht zu scheuen. Dialog und Kontroversen gehörten zusammen, sagte sie und forderte dazu auf, auch mit denen zu reden, "die keinen Dialog führen wollen". Auch heute noch stritten sich die Protestanten wie einst die Reformatoren Luther und Ulrich Zwingli, sagte die reformierte Schweizer Theologin in dem Abendmahlsgottesdienst: "Das ist ur-protestantisch, und es lohnt sich." Klar sei aber auch: "Wir suchen die Auseinandersetzung mit Worten, nicht mit Waffen. Und von Angesicht zu Angesicht, nicht anonym im Netz."

Bedford-Strohm wünscht sich "Generation 2017"

EKD-Ratschef Bedford-Strohm unterstrich in dem Gottesdienst mit Blick von den Elbwiesen auf die Schlosskirche von Wittenberg, wo Luther 1517 seine Thesen angeschlagen haben soll, die Bedeutung der Reformation als Erneuerungsbewegung. Nach 500 Jahren werde vielleicht eine "neue Generation 2017" entstehen, die "aus dem Reformationsjubiläum einen Neuaufbruch zum Glauben mitnimmt".

Erzbischof Makgoba, ein Nachfolger von Erzbischof Desmond Tutu und Primas der Anglikanischen Kirche des südlichen Afrika, erinnerte an die berühmte Rede von Martin Luther King in den 1960er Jahren: "Wie King, habe auch ich einen Traum für die Welt. Dass eines baldigen Tages all die narzisstischen, nationalistischen und isolationistischen Parolen unserer Zeit verschwindet." Die Reformation sei ein entscheidender Moment der Menschheitsentwicklung und ein "GPS-System" für die nächsten 500 Jahre.

Steinmeier ermutigt zur Ökumene

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ermutigte in seinem Grußwort die Christen zu noch mehr Gemeinschaft. "Der lebendige ökumenische Austausch zwischen den Konfessionen und die enge Zusammenarbeit der Christen tun dem ganzen Land gut", sagte er. Auch der katholische Ökumene-Bischof Gerhard Feige rief zu einer weiteren Annäherung der Kirchen auf. Der Dialog zwischen Christen unterschiedlicher Traditionen sei "immer auch Begegnung mit Gott". Der Journalist Hans Leyendecker lud als Präsident des nächsten Kirchentages die Gottesdienstteilnehmer für 2019 nach Dortmund ein.

In Wittenberg hatte der letzte Tag des Protestantentreffens mit einer musikalischen Andacht bei Sonnenaufgang begonnen. Leise Klänge von Trommeln und einer Posaune stimmten die Besucher auf der Festwiese an der Elbe ein. Rund 1.000 Menschen hatten dort die Nacht in Schlafsäcken unter freiem Himmel verbracht. Tausende Gläubige waren am Morgen mit Sonderzügen aus Berlin nach Wittenberg gekommen. Auch aus Leipzig, Magdeburg und Dresden verkehrten Züge. Für Fußgänger errichtete die Bundeswehr eine Pontonbrücke über die Elbe.