Unter dem Eindruck des Terroranschlags in Manchester, aber mit Zuversicht und einem Appell zum Dialog sind Zehntausende Protestanten in den evangelischen Kirchentag gestartet. Er ist ein Höhepunkt im Jahr des historischen Reformationsjubiläums.
24.05.2017

Mit Appellen zur Weltoffenheit und zum Dialog hat in Berlin der evangelische Kirchentag im Jahr des 500. Reformationsjubiläums begonnen. Vor rund 40.000 Gläubigen am Reichstagsgebäude rief der Berliner Bischof Markus Dröge am Mittwochabend dazu auf, anderen Menschen vorurteilsfrei und mit unverstelltem Blick zu begegnen. Das fünftägige Christentreffen steht auch unter dem Eindruck des jüngsten Terroranschlags in Manchester und findet unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt.

Erstmals Taschenkontrollen

Insgesamt 70.000 Menschen nahmen nach Angaben der Veranstalter an den drei Eröffnungsgottesdiensten in Berlin teil, bei denen in den Fürbitten der Opfer von Manchester gedacht wurde. Die mehr als 106.000 Dauerteilnehmer und geschätzten 38.000 Tagesgäste müssen erstmals bei einem Kirchentag mit Taschenkontrollen rechnen. Veranstalter und Sicherheitsbehörden betonten, nach dem Anschlag sei das Sicherheitskonzept noch einmal überprüft worden.

Der evangelische Bischof Dröge sagte im Eröffnungsgottesdienst, der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag öffne und weite den Blick - "für die Zeit, in der wir leben, und die Menschen, mit denen wir leben". Die Gläubigen sollten die Großveranstaltung "mutig und vertrauensvoll, mit weitem Blick und offenem Herzen" angehen.

Der historische Kirchentag, der ein Höhepunkt im Festjahr zu 500 Jahren Reformation ist, endet am Sonntag mit einem Abschlussgottesdienst in Wittenberg. 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) dort seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht, was als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation gilt.

Bischof aus Tansania: "Teilt euren Reichtum!"

Im Eröffnungsgottesdienst am Brandenburger Tor kritisierte Bischof Fredrick Onael Shoo aus Tansania den westlichen Lebensstil. "Teilt euren Reichtum!", forderte er vor rund 20.000 Gläubigen. Den Westen rief er dazu auf, Afrika faire Wirtschaftsbeziehungen anzubieten und sich mehr um Flüchtlinge zu kümmern. Shoo forderte zudem mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel.

Auf dem Programm des Christentreffens unter der biblischen Losung "Du siehst mich" stehen knapp 2.500 Veranstaltungen. Ein Höhepunkt ist das für Donnerstag geplante Gespräch zwischen dem früheren US-Präsidenten Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Brandenburger Tor. Viel diskutiert wurde die Einladung an die AfD-Vertreterin Anette Schultner. Bischof Dröge, der mit der Politikerin von der Vereinigung "Christen in der AfD" auf dem Podium sitzen wird, verteidigte die Veranstaltung mit Hinweis darauf, dass der Kirchentag ein "Brückenschlag in die Gesellschaft" sei.

Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au nannte die Folgen weltweiter Konflikte und die Zukunft Europas als Kernthemen. So klar wie lange nicht mehr stehe aktuell vor Augen, wofür Christen einstehen müssten, sagte die Schweizer Theologin. Der Kirchentag finde in einer Zeit des rasanten Umbruchs statt.