In äußerst angespannter Atmosphäre halten Opposition und Regierung in Venezuela an ihrem Konfrontationskurs fest. In der Hauptstadt Caracas und in mehreren anderen Städten wurden auch für Mittwoch wieder Tausende Demonstranten für und gegen den umstrittenen Präsidenten Nicolás Maduro erwartet.
26.04.2017

Neue gewaltsame Zusammenstöße wurden befürchtet: Die Protestwelle in dem südamerikanischen Land hat nach offiziellen Angaben bereits 26 Menschen das Leben gekostet.

Zudem wurden innerhalb von drei Wochen mehr als 400 Menschen verletzt und fast 1.300 Teilnehmer der Proteste festgenommen, wie Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz am Dienstag (Ortszeit) erklärte. 65 Personen befänden sich in Haft, darunter auch Sicherheitsbeamte, denen Übergriffe vorgeworfen werden. Gut 200 Personen sollen dem Haftrichter vorgeführt werden. Seit Anfang April kommt es in dem südamerikanischen Land Massenprotesten gegen die sozialistische Regierung.

Ohne Haftbefehl festgenommen

Amnesty International warf der Regierung unrechtmäßiges Vorgehen gegen ihre Kritiker vor. Mit Hilfe der Justiz unterdrückten die Behörden die Meinungsfreiheit, heißt es in einem Bericht der Menschenrechtsorganisation, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. So würden täglich Andersdenkende ohne Haftbefehl vom Geheimdienst festgenommen und friedliche Aktivisten strafrechtlich verfolgt. "Kritische Stimmen werden in Venezuela nicht geduldet", erklärte die Amerika-Direktorin der Organisation, Erika Guevara Rosas.

Generalstaatsanwältin Ortega Díaz rief die verfeindeten Lager zur Mäßigung auf und verurteilte Hassreden: "Der Respekt gegenüber Andersdenkenden ist im demokratischen System grundlegend." Zugleich warnte die Juristin, dass "niemand den von der Verfassung vorgezeichneten Weg verlassen darf". Ortega Díaz hatte Anfang April die vom Obersten Gericht verfügte Entmachtung des Parlaments als "Verfassungsbruch" bezeichnet, woraufhin das von der Opposition heftig kritisierte Urteil zurückgenommen wurde. Ihre Stellungnahme überraschte, da Ortega Díaz als regierungsnah gilt.

Oppositionsführer Henrique Capriles erklärte, aufgrund der Proteste sei ein politischer Wechsel in greifbare Nähe gerückt. "Die Bedingungen für einen perfekten Sturm sind gegeben", sagte Capriles, dem kürzlich alle politischen Rechte für 15 Jahre entzogen wurden. Capriles ergänzte zugleich, es werde ein demokratischer Machtwechsel sein.

Neuwahlen gefordert

Indes drohte die venezolanische Regierung, aus der Organisation Amerikanischer Staaten auszutreten. Sollte die OAS eine erneute Debatte über die Lage in Venezuela anberaumen, werde der Austritt eingeleitet, erklärte Außenministerin Delcy Rodríguez. Auf Initiative von 17 Mitgliedsstaaten wollte der Ständige Rat der OAS noch am Mittwoch über eine mögliche Sondersitzung beraten. Die Staatengruppe fordert von Maduro die Durchführung von Neuwahlen.

Seit Jahren liefern sich Sozialisten und das bürgerliche Lager in Venezuela einen erbitterten Machtkampf. Die Lage ist zudem angespannt, weil Venezuela mit seinen mehr als 30 Millionen Einwohnern unter anderem wegen des Ölpreisverfalls eine schwere Wirtschafts- und Versorgungskrise durchlebt. Viele Güter des täglichen Bedarfs sind Mangelware.