Flüchtlingskinder in Essen
epd-bild / Stefan Arend
Das Familiennachzugs-Verbot für bestimmte Flüchtlingsgruppen bleibt ein Anlass für Streit im politischen Berlin. Eine für Donnerstag geplante Abstimmung im Bundestag wurde vertagt.
26.04.2017

Der Familiennachzug zu Flüchtlingen sorgt weiter für Unruhe in der großen Koalition. Vier Wochen nach einer Vereinbarung zwischen den Spitzen der Koalition, die großzügigere Ausnahmen von der seit März 2016 geltenden Aussetzung der Familienzusammenführung bei bestimmten Flüchtlingsgruppen nahelegte, gibt es noch keine konkrete Umsetzung.

Der Meinungsbildungsprozess zwischen den involvierten Regierungsressorts sei hierzu noch nicht abgeschlossen, heißt es in einer Antwort des Auswärtigen Amts auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Abgeordneten Petra Pau, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Wegen des Streits ist auch die für Donnerstag geplante Abstimmung zum Thema wieder von der Tagesordnung des Bundestags genommen worden.

Opposition: Aussetzung zurücknehmen

Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit dem untergeordneten subsidiären Schutz ist mit dem Asylpaket II im März 2016 für zwei Jahre ausgesetzt worden. Während die CSU inzwischen forderte, auch über das Frühjahr 2018 hinaus den Familiennachzug zu beschränken, dringt die Opposition darauf, die Aussetzung früher wieder zurückzunehmen. Sie hält die zwangsweise Trennung von Familien für unmenschlich und argumentiert, damit werde auch Integration erschwert. Auch die SPD, die der Aussetzung nach langem Streit zustimmte, äußerte sich immer skeptischer zu der Regelung.

Beim Koalitionsausschuss Ende März vereinbarten Union und SPD, die bestehende Härtefallklausel "unter besonderer Berücksichtigung der Kinderrechtskonvention zu nutzen". Dies legte großzügigere Ausnahmen nahe. Die Koalitionsspitzen ließen Details aber offen, die offenbar nun wieder für Streit sorgen. Der Kompromiss zwischen den Koalitionären sieht vor, dass diese Ausnahmen im Einvernehmen zwischen dem SPD-geführten Außenministerium und dem CDU-geführten Innenministerium gewährt werden.

Pau forderte eine schnelle Vereinbarung zugunsten von Kindern, die derzeit von ihren Familien getrennt sind. Das Deutsche Institut für Menschenrechte habe überzeugend dargelegt, dass aus dem Vorrang des Kindeswohls in der UN-Kinderrechtskonvention die Familienzusammenführung in solchen Fällen immer erfolgen müsse. Die bisherige Anwendungspraxis der Härtefallklausel laufe aber darauf hinaus, dass der Familiennachzug nur in sehr wenigen Einzelfällen ermöglicht würde, sagte die Bundestagsvizepräsidentin dem epd.

Abstimmung verschoben

Auch die SPD erwartet mehr als Ausnahmen in Einzelfällen. Der zuständige Berichterstatter der Fraktion, Lars Castellucci, sagte dem epd, er werbe dafür, "dass wir die Aussetzung zurücknehmen". Erstes Ziel müsse aber sein, in der Koalition eine Bewegung hinzubekommen. "Wir können das auch über Härtefälle oder Kontingente regeln, dann muss es aber belastbare Zahlen geben. Am Ende dürfen es nicht nur drei Fälle sein", betonte Castellucci.

Dass auf Betreiben der SPD die Abstimmung im Bundestag über die Anträge von Linken und Grünen, die jeweils ein sofortiges Ende des Familiennachzugs-Verbots fordern, verschoben wurde, begründete er mit derzeit fehlenden Information. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), dessen Haus für die Umsetzung der Härtefallregelungen zuständig ist, habe am Dienstag wegen seiner Israelreise nicht in der Fraktionssitzung sein können. "Wir haben vereinbart, dass wir in der nächsten Sitzung noch einmal einen Bericht von ihm über den aktuellen Stand bekommen", sagte Castellucci. Deswegen sei die Abstimmung verschoben worden.

Die Opposition nannte die Absetzung des Tagesordnungspunkts "skandalös". Die Koalition setze auf unverantwortliche Blockadepolitik, sagte die Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg (Grüne).