Gedenken zum fünften Jahrestag der Loveparade-Katastrophe
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Das Duisburger Loveparade-Unglück wird doch noch strafrechtlich aufgearbeitet. Das Oberlandesgericht Düsseldorf ordnete die Verfahrenseröffnung an. Damit die Vorwürfe nicht verjähren, muss das Landgericht Duisburg bis Sommer 2020 urteilen.
24.04.2017

Knapp sieben Jahre nach der Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten kommt es nun doch zu einem Strafprozess vor dem Landgericht Duisburg. Das Oberlandesgericht Düsseldorf ließ am Montag auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft Duisburg und der 38 Nebenkläger die Anklage gegen alle zehn Angeklagten zu (AZ: 2 Ws 528/16 bis III - 2 Ws 577/16). Gerichtspräsidentin Anne-José Paulsen sagte, sie hoffe, dass die Verhandlung den Angehörigen der Todesopfer und den Verletzten helfe, "ihren Schmerz und ihre Trauer weiter zu verarbeiten". Opfervertreter und Politiker reagierten erleichtert.

Nach Worten der Gerichtspräsidentin hält der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts eine Verurteilung der Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung für hinreichend wahrscheinlich. Den vier Mitarbeitern der Veranstalterfirma Lopavent und sechs Bediensteten der Stadt Duisburg werde vorgeworfen, durch Fehler bei Planung oder Genehmigung dazu beigetragen zu haben, dass am 24. Juli 2010 bei der Loveparade in Duisburg 21 Menschen ums Leben kamen und mehr als 650 verletzt wurden.

Bis Sommer 2020 muss ein Urteil fallen

Die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Duisburg hatte im März 2016 die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Das Oberlandesgericht beauftragte nun eine andere Kammer des Duisburger Landgerichts - die 6. Große Strafkammer - mit der Eröffnung des Verfahrens. Der Prozess findet voraussichtlich im Congress Center der Messe Düsseldorf statt. Damit die Vorwürfe nicht verjähren, muss laut Gerichtssprecher Andreas Vitek bis Sommer 2020 ein Urteil fallen.

Nach Ansicht der Düsseldorfer Richter hat das Landgericht Duisburg zu hohe Anforderungen an einen hinreichenden Tatverdacht gestellt. Die Ermittlungsergebnisse legten nahe, dass Planungsfehler bei den Ein- und Ausgängen für die Festivalbesucher vorhersehbar zu der Katastrophe geführt hätten, hieß es. Die Richter halten zudem anders als das Landgericht Duisburg das zentrale Beweismittel der Staatsanwaltschaft, ein Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still, für verwertbar und wiesen auch Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit zurück.

Gerichtspräsidentin Paulsen warb um Verständnis für die lange Dauer der strafrechtlichen Aufarbeitung. Sie bitte Angehörige und Opfer um "Verständnis für die nicht immer sofort einleuchtenden Entscheidungen und Abläufe in der Justiz". Paulsen verwies darauf, dass mehrere tausend Zeugen vernommen sowie mehr als 900 Stunden Videomaterial und Zehntausende Seiten Aktenmaterial ausgewertet werden mussten.

Wichtige Nachricht für die Betroffenen

Der Ombudsmann der Stadt Duisburg für die Opfer, Jürgen Widera, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), für die Angehörigen der Verstorbenen und die Verletzten sei die Entscheidung eine gute Nachricht. "Dass noch so viele Fragen offen sind, hat verhindert, dass man nach dieser Katastrophe zur Ruhe kommen kann", sagte der evangelische Pfarrer, der auch Vorsitzender der Stiftung Duisburg 24.7.2010 ist. Die Stiftung werde den Prozess begleiten und sich dafür einsetzen, dass die Betroffenen psychologisch und seelsorgerlich begleitet würden.

Der Opferanwalt Julius Reiter von der Kanzlei Baum, Reiter & Collegen nannte das Urteil eine "Ohrfeige für die Richter am Landgericht Duisburg". Dagegen erklärte Verteidiger Ioannis Zaimis: "Im Prozess werden die offen zutage getretenen massiven Mängel der Anklage und des Gutachtens erneut zum Thema werden."

Hannelore Kraft (SPD), die sich als Privatperson und nicht als NRW-Ministerpräsidentin äußerte, nannte es eine wichtige Nachricht für die Angehörigen und Opfer, "aber auch für das Gerechtigkeitsempfinden allgemein", dass die Schuldfrage nun doch vor Gericht aufgearbeitet werde. Der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD), sagte, er hoffe, "dass der nun folgende Weg zu einem Ergebnis führt, welches vor allem den Angehörigen der Toten der Loveparade nach so vielen Jahren irgendwann etwas Frieden bringt".