26.10.2014

Bewertung

Liturgie
3
Predigt
4
Musik
3
Atmosphäre
3

Schön, so ein Oktobermorgen in den Eisenacher Gassen. Fröstelnd am Lutherdenkmal und an stillgelegten Straßenbahnschienen vorbei, dem Glockengeläut nach zur Nikolaikirche. Zwei älteren Frauen mit Gehhilfen die Kirchenstufen hochhelfen, in der spärlich besetzten Sitzbank den Gesprächen lauschen. „’n schönen Sonntag!“ wird jetzt schon gewünscht. Licht fällt durch die gelben Fens­ter im Altarraum auf die bescheidenen Erntegaben. Fast blenden die Kürbisse.


Die Orgel von 1893 ist schmucklos, doch das Vorspiel klingt voll. Wie aus dem Nichts erscheint Wolfgang Robscheid, Superintendent im Ruhestand, und begrüßt zum Erntedankgottesdienst. Robscheids Bassstimme bringt den Raum zum Schwingen. „Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit“ singen die alten Ordensschwestern auswendig. Ein paar Reihen vor mir nimmt jemand die Lupe zur Hilfe. Alle singen mit lauter und fester Stimme.

Unangestrengt auch der Wechselgesang der Eingangsliturgie. In der Evangeliumslesung geht es um die Frage nach dem richtigen Maß an Großzügigkeit: „Hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat“ (Lukas 12,15). Auf der Kanzel verzichtet Robscheid auf moralische Belehrung. Er zitiert Bertolt Brechts Gedicht „An die Nachgeborenen“: „Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten . . . und doch esse und trinke ich.“ Kann man Erntedank in einem der reichsten Länder der Welt feiern, ohne sich schuldig zu fühlen? Brecht fragt in seinem Gedicht, ob nicht schon ein harmloses Gespräch über Bäume in finsteren Zeiten ein Verbrechen sei,  „weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt“. Robscheid ermutigt, dennoch dankbar zu sein. Kein ständig quälendes Gewissen solle man haben, in diesem an Ernten reichen Land geboren zu sein und „viele Güter“ zu haben.

Der Prediger scheut auch schwierige Fragen nicht: Wofür sollen zum Beispiel die Menschen in Syrien, wofür Christen im Nordirak danken? Er weiß keine Antwort. Nur so viel: Ihre fürchterliche Lage habe Gott nicht gewollt. – Kurz war das, aber intensiv. Man hätte eine Nadel gehört, die auf den Steinboden fällt.

Danach ein gesungenes Vaterunser. Tröstend. Beim Abendmahl den Erntedankschmuck aus der Nähe betrachten: Da sind ja sogar Trauben, Ähren und Heidekraut! „Wein auf der Kanzelseite, Traubensaft am Pult.“ Kinder in der Abend­mahlrunde stehen neben Rollstuhl­fahrern. Robscheid bückt sich, teilt die Hostien aus und segnet die Kinder. Die Mutter gibt ihnen ein Stück ab.

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