Tim Wegner
13.12.2013

Bewertung

Liturgie
4
Predigt
3
Musik
3
Atmosphäre
4

Ein erster Advent im Retrolook. Die Matthäuskirche ist ein düsterer Betonblock, mit schweren schwarzen Eternitplatten verkleidet, Baujahr 1977. Im Treppenhaus vor dem Gemeindesaal ist ein veritabler Adventsbasar aufgebaut, für den die alten Damen aus der Gemeinde Babysocken und Pullover in Eierscha­len­gelb und Schimmelgrün gestrickt haben. Ob sie die Wolle auch noch seit den 70ern in der Schublade haben? Die Zeit ist stehengeblieben in dieser Kirche. Aber cool muss ja auch nicht sein bei zehn Grad minus draußen.

Hier drinnen ist es warm und heimelig, zum „Tauferinnerungsgottesdienst“ sind über 20 Familien gekommen mit kleinen Kindern. Es wuselt die ganze Stunde über, und als die Abkündigung über die Nachnominierung im Presbyterium zu viele „ung“-Wörter macht, imitiert einer der Extäuflinge schon mal „tuuut, tuuut“ wie ein besetztes Handy. Pfarrer Armin Beuscher hält die unruhigen Kinder gelassen in Schach, und wenn nicht, kann er über sich selber lachen. „War nicht so erfolgreich, meine Intervention“, grinst er einmal. Souverän.

Die Abkündigung ist aber auch die einzige Geduldsprobe für die U-7-Generation, der Rest ist Kinderprogramm. Wir singen „Du hast uns deine Welt geschenkt“ und klatschen brav in die Hände, statt Predigt gibt es eine Art Science Lab auf Evangelisch: Die Kinder dürfen an drei Stationen nach vorne kommen und untersuchen, was mit einer Wüstenrose passiert, wenn man Wasser drübergießt.

Bei heißem Wasser geht die braune unscheinbare Kugel auf und verströmt ­Rosenduft. Der Pfarrer nimmt den Gedanken auf: Auch unsere Kinder machten es uns manchmal schwer, ihren Zauber und ihre Schönheit zu erfassen, das gelänge manchmal erst beim verklärten Blick zurück auf die Kindheit. Hm, als Eltern sind wir jetzt mit allen Sinnen angesprochen worden – aber wollte uns der Pfarrer heute nicht auch an unsere eigene Taufe erinnern? Aber es fängt ja auch heute erst an, das „Jahr der Taufe“, das die EKD ausgerufen hat.

Eine echte Taufe gibt es auch, die kleine Thea bekommt Rosenöl auf die Stirn geträufelt, und viele Kinder dürfen zugucken. Schön. Noch schöner wär’s, der Pfarrer würde für diesen Moment sein schwarzes Ringbuch weglegen. Aber auch so ist die Stunde rund, mit allem, was die Kirchgängerin sich am ersten Advent wünscht. Kerzen, Vaterunser und „Macht hoch die Tür“. Nur beim Claudius-Lied „Der Mond ist aufgegangen“ wird sie müde. Draußen ist ein gleißend sonniger Wintertag. Macht hoch die Tür!

 

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