Wie wird der Dezember? Nicht das Wetter, sondern: Wird es adventlich?
Lena Uphoff
09.11.2012

Das Wetter ist mir egal. Ich halte es da mit den Friesen. Die haben mir in meinen norddeutschen Jahren beigebracht: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Klamotten. Ja, klar: Laue Sommerabende sind etwas Wunderbares. Und wenn es herbstet und das Laub... wissen wir. Und die Adventstage – blaue Stunde, ein Tässchen, ein Keks. Übrigens: In nicht mal vier Monaten ist Frühlingsanfang.

Im Mai feierten wir eine Hochzeit in der Familie. Und nach der Kirche ging die ganze Gesellschaft zu Fuß eine halbe Stunde bis zum Ort des Festmahls. Und natürlich ereilte uns alle ohne Schirme und Mäntel ein satter Wolkenbruch. Alles rannte und flüchtete. Stimmt nicht ganz: Es rannten nur jene, die es konnten. Tante Lena und Onkel Manni, beide Ende siebzig, sahen sich nach einem schützenden Dach um. Und da weit und breit keines zu entdecken war, spazierten sie langsam und majestätisch, ­er­hobenen Hauptes durch den Platzregen. Mein und Cousin Bennis Angebot, sich die Köpfe mit unseren Jacketts zu bedecken, wies Onkel Manni lächelnd zurück, während ihm Wasserströme übers Gesicht rannen: „Lasst nur, die schönen Jacken sind ja auch schon patschnass. Und außerdem: Mairegen tut gut, ist nützlich für die Natur.“ Sprach’s und spazierte weiter.

Das Ungewohnte, das andere, bleibt haften

Was hätten wir zu erzählen, wenn es nicht Ende Oktober zu schneien begänne, wenn es Weihnachten nicht plötzlich „viel zu warm für die Jahreszeit“ wäre? Die Abweichung von dem, was wir normal finden, ist die Geschichte. Das Ungewohnte, das andere, bleibt haften. Nicht nur beim Wetter. Auch zu den Feiertagen. Letztes Jahr haben wir Weihnachten ohne alles gefeiert. Kein Baum, keine Krippe, keine Lieder. Okay: ohne alles stimmt nicht. Wir haben die Bethlehem-Geschichte des Lukas gelesen und sind in die Christvesper gegangen. Aber ansonsten: kein Tand!

Und dieses Jahr? Mal sehen. Wir haben unser erzgebirgisches Engelsorchester rausgeholt und geputzt. Hat schon was. Und dann habe ich die alte Vinylscheibe von Bing Crosby wieder ­gefunden: Adeste Fideles, o come, all ye faithful, herbei, o ihr Gläub’gen. „Die ist von Oma“, erinnerte sich der Sohn. Stimmt. Oma beherrschte die Kunst des Brückenbauens. Advent mit Bing Crosby, Erzgebirge, Andachtsjodler und „Macht hoch die Tür“. Eine Patchworkerin des Heimeligen. Vielleicht probieren wir mal wieder, es auf ihre Weise in den Herzen warm werden zu lassen. Die Idee, Jesu Geburtstag mit der Wintersonnenwende zu verbinden, ist und bleibt genial, egal, ob es historisch erwiesen ist oder nicht. Das war Omas feste Überzeugung. „Wenn durch Jesus, mit seiner Botschaft von der Liebe Gottes, sich die Welt verändern soll, dann kann er nur der Lichtbringer in unseren dunkelsten Tagen sein.“ Also werde Licht!

Bing Crosby wird mehrfach ­singen


Ich könnte Weihnachten auch gut im Sommer feiern oder wann auch immer. Wichtig ist die Erinnerung, einander zu lieben und nicht alleinezulassen, miteinander zu hoffen und zu glauben, dass es Gottes Liebe ernst meint, das ganze Jahr über. Für mich war Onkel Mannis Spruch im Mairegen von weihnachtlicher Kraft. Er lächelte, als wir einander abfrottierten und die Hemden fönten. Hoffnungsfroh und zuversichtlich wirkte das. Auch nass kann schön sein. Und es wurde eine reizende Hochzeitsfeier. Wir haben gesungen und getanzt, gelacht und gegessen, einander zugeprostet und erzählt, was so alles passiert war, seitdem wir uns zuletzt begegnet waren. In den Herzen war’s warm.

Wie wird der Dezember? Ich meine nicht, wie das Wetter sein wird. Das ist mir, wie Sie wissen, völlig egal. Wird es adventlich? Leben wir hin auf die Idee des Neuanfangs mit diesem göttlichen Kind der Liebe? Auf jeden Fall wird Bing Crosby mehrfach ­singen, auch wenn die gute alte Schallplatte kratzt und ächzt. Der Sohn hat das Lied übrigens inzwischen auch im Internet gefunden und runtergeladen. „White christmas“ auch. Und: Happy Xmas (War Is Over) von John Lennon. Ein bemerkenswerter Song mit den besten Wünschen und der schönen Zeile: War is over if you want it – wenn du willst, ist der Krieg vorbei. Das sind schöne  Weihnachten. Das Wetter ist mir egal.

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