Theologin Susanne Breit-Keßler
Muss ich konsequent sein? Die Theologin Susanne Breit-Keßler antwortet auf Fragen, die uns bewegen
Monika Höfler
Durchhalten, was man sich vorgenommen hat, ist schwer. Was hilft? Sich selbst eine schicke Belohnung in Aussicht stellen...
25.02.2015

Puh, noch den ganzen März! Wer sich an der Fastenaktion der evangelischen Kirche beteiligt, der weiß: Sieben Wochen ohne – das  zieht sich. Ob man auf Gummibärchen verzichtet, das Glas Rotwein am Abend oder die Zigarette nach einem gemütlichen Essen: Fast zwei Monate ohne die geliebten kleinen Gewohnheiten können ganz schön lang werden.

Auch das diesjährige Motto – „Du bist schön! Sieben Wochen ohne Runtermachen“ – ist nicht leicht durchzuhalten. Die Menschen gehen einem oft genug auf die Nerven. Man hat einfach das unwiderstehliche Bedürfnis, ihnen so nebenbei oder etwas ausführlicher mitzuteilen, was man von ihnen hält. Und das ist nicht immer nur positiv. Und sich selber kann man auch kaum sieben Wochen lang freudig aushalten, wie man ist. Du bist schön? Ha! Falten noch und nöcher, der Plätzchenbauch ist immer noch nicht verschwunden, man könnte entschlussfreudiger sein, sich mal wieder durchsetzen oder zur Abwechslung nachgeben... Ach.

Worauf sollte man bei der Aktion "7 Wochen ohne" verzichten? Susanne Breit-Keßler rät dazu, weniger zu kritisieren und Positives hervorzuheben.

Was hat man eigentlich davon, wenn man bei der Stange bleibt? Man könnte doch ohne weiteres zwischendurch aussteigen: ein Bier trinken, den angebotenen Zigarillo qualmen, über die Schokolade herfallen oder richtig auf den Putz hauen, weil man den Kollegen nicht schön, sondern bestenfalls schön blöd findet. Man könnte und kann. Eine Fastenaktion oder ein selbst auferlegtes Pflichtprogramm sind kein unumstößliches Gesetz. Mitzumachen, die Sache durchzuziehen, das muss schon freiwillig geschehen.

###autor### Durchhalten, sieben Wochen – oder länger – auf etwas zu verzichten und eine neue Haltung zu kultivieren, das ist viel. Es braucht innere Stärke. Genau das tut unendlich gut: zu merken, ich kann das! Ich kann meinen inneren Schweinehund über­winden, meine Unzufriedenheit, meine Nörgelei, meine diversen unauffälligen Abhängigkeiten. Es tut so gut zu spüren: Ich bin stark, ich kann mich aus freien Stücken selber überwinden. Ich falle nicht ständig auf mich selber herein, sondern ich habe Kraft, große seelische Kraft.

Als ich schwer krank war, musste ich ein halbes Jahr lang bougieren. Ich musste eine Operationsnarbe in der Speiseröhre dadurch offenhalten, dass ich mir jeden Tag einen fingerdicken Gummischlauch in den Magen schob. Widerlich. Jeder Tag war eine neue Anfechtung. Diese Aktion war alles andere als freiwillig. Aber ich habe es gepackt, der Not gehorchend. Ich habe mich durch Belohnungen überlistet, durch Versprechungen, die ich mir selber gab. Wenn ich es heute geschafft habe, dann...

Dann darf ich in dem Buch lesen, das ich mir schon lange gewünscht habe, einen Film anschauen, spazieren gehen, die Freundin anrufen, Nudeln mit Sahnesauce essen. Vielleicht wäre es eindrucksvoller gewesen, ich hätte es aus purer Einsicht gepackt. Aber das war nicht so. Die Aussicht, etwas Schönes genießen zu können, hat mir geholfen. Dann habe ich nicht mehr jeden Tag bougiert, sondern nur noch jeden zweiten, dritten, vierten... Irgendwann war die Quälerei zu Ende und meine Speiseröhre halbwegs in Ordnung.

Es müssen nicht die harten Schläge sein, die man einsteckt und in denen man sich nach dem göttlichen Motto des Apostels Paulus bewährt: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Großartig ist es, in selbst gewählten Anfechtungen aufrecht zu bleiben und sich selber zu beweisen, welches Erneuerungspotenzial in einem selber steckt. „Du bist schön“ – ja. Tatsächlich.

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