Tim Wegner
12.07.2011

Albert Einstein bekam den Nobelpreis unter anderem dafür, dass er sich mit dem Verhältnis von Raum und Zeit befasste. Was er wirklich nicht ahnen konnte: dass 90 Jahre später jeder nobelpreisunverdächtige Schwätzer einen Raum eröffnet, wenn er einfach nur Zeit gewinnen will. Zum Beispiel die deutschen Kulturdiplomaten in Peking. Die haben neulich eine Ausstellung über die Kunst der Aufklärung eröffnet, dummer­weise genau in der Woche, als der sehr aufgeklärte Künstler Ai Weiwei verhaftet wurde. Darüber, fanden die Sponsoren, müsse man erst mal einen „offenen Diskursraum“ schaffen. Inzwischen hat Ai Weiwei seinen geschlossenen Gefängnisraum verlassen. Aber das Geschwätz mit den Räumen geht weiter.

"Der ländliche Raum" - oder auch: Die Kirche im Dorf

Dabei bestand für Künstler der Raum früher aus vier Wänden, in die sie vier Nägel schlagen konnten, um ihre Bilder aufzuhängen. So konkret ist der Raum schon lange nicht mehr. In der Eifelgemeinde Nettersheim kämpfen aufgebrachte Künstler und Bürger gerade um ihre liebgewonnenen drei Matronensteine, ein Heiligtum aus römischer Zeit. Die sitzenden Damen sollen nämlich in einem „Erlebnisraum Römerstraße“ aufgehen, das finden die Bürger doof und mit sechs Millionen Euro Strukturförderung auch zu teuer. Aber Europa ist sowieso einer dieser Räume, in denen schon viele Euros verbaut wurden. Gern im ländlichen Raum, der früher mal Dorf hieß. Drum heißen evangelische Fachtagungen inzwischen auch „Region als Gestaltungsraum der Kirche“, anstatt klar zu sagen, um was es geht: um Kirche im Dorf.

Das Leben ist ein einziger Gestaltungsraum. Oder, wie die Soziologen sagen, ein Möglichkeitsraum. Die haben sich zum Beispiel einen „Möglichkeitsraum Ruhr 2030“ ausgedacht. Und da sieht man doch wieder, dass Albert Einstein ein schlauer Hund war. Dass aus dem Ruhrgebiet noch ein richtig doller Raum mit Kunst und Kultur wird, das braucht viel Zeit. Mindestens bis 2030. Kommt Ai Weiwei auch?

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Auch wenn es sehr gut passen würde zum Thema "Raum" in der Kolumne von Frau Ott im Chrismonheft vom August: Raum und Zeit spielten beim Nobelpreis von Albert Einstein eine eher marginale Rolle. Es ging ihm bei seiner Arbeit, die mit dem Nobelpreis bedacht wurde, um die physikalisch stimmige Erklärung des lichtelektrischen Effektes.

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Albert Einstein erhielt den Nobelpreis für Physik für die Erklärung des photoelektrischen Effekts, nicht für die Spezielle oder Allgemeine Relativitätstheorie.

 

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