Evelyn Dragan
29.04.2011
Reminiszere
Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen. Und er sprach zu ihnen:
Ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben
Matthäus 12,38-42

Ach, wir könnten so wunderbar selbstgerecht urteilen über diese Schriftgelehrten und Pharisäer! Zeichen wollen sie sehen! Nach Sicherheit im ­Glauben sehnen sie sich – nicht anders als wir heute. Warum nur können wir die Auf­erstehung nicht beweisen? Jona im Bauch des Fisches, Jesus bei den Toten – schwer vermittelbar im Zeitalter von Google Earth und Wikipedia. Die Königin aus dem Süden, Salomo – was hat das mit ­unserer Welt, dem Ringen um Glauben heute zu tun?

Spontan denke ich an den Ausbruch der Cholera in Haiti. Dieses durch ein Erdbeben geschundene Volk wird auch noch von einer Seuche heimgesucht. Prompt gibt es Prediger aus den USA, die diese Krankheit zur Strafe Gottes für den Vodookult im Land erklären. Mehrere Vodoopriester ­sollen daraufhin ermordet worden sein.

Ja, die Menschen haben Sehnsucht nach Zeichen und Wundern. Da sind Wallfahrtsorte wie Lourdes, an denen Gott Zeichen gesetzt haben soll. Da ist die an Parkinson erkrankte Ordensschwester, deren Heilung als Zeichen im Seligsprechungsverfahren für Papst Johannes Paul II. dient. In einem Gottesdienst der Pfingstbewegung konnte ich erleben, wie Krankenheilungen stattfanden und als Zeichen des Glaubens dargestellt wurden.

Gott wird alle Tränen ab­wischen

Auch Jesus hat Zeichen gesetzt. Die Evangelien berichten von Heilungen und der Auferweckung von Toten. Am Ende fordert Thomas der Zweifler ein Zeichen, dass es auch wirklich Jesus sei, den er sieht. Aber braucht der Glaube Wunder? Martin Luther setzt gegen solche Hoffnung auf Zeichen das Gottvertrauen.

Es braucht Mut, wenn ich nichts in der Hand habe. Was antworten wir, wenn Menschen Angst vor dem Tod haben? Was kommt danach? Niemand weiß es. Was mich aber trägt und hält, ist diese wunderbare Aussage aus dem Buch der Offen­barung (21,4): Gott wird alle Tränen ab­wischen. Not, Leid und Geschrei haben ein Ende. Darauf hoffen wir. Und dafür setzen wir Zeichen, indem wir in dieser Welt ­Tränen abwischen und antreten gegen Not, Leid und Geschrei. Zeichen, die Gottes Existenz beweisen, wird es nicht gegeben. Wir müssen damit leben, dass Gott ver­borgen bleibt. Es muss kein Zeichen Gottes sein, geheilt zu werden. Aber die Kraft zu haben, mit einer schweren Krankheit zu leben – das kann ein Zeichen sein.

Unser Alltag steckt voller Wunder und Zeichen

Meist hilft nur der Glaube, der überzeugt ist: Hinter der Fassade der Welt wirkt Gott. Aber Menschen können die Zeichen, die Gott setzt, nicht für sich in Anspruch nehmen, sie zu ihrem Besitz machen. Auch Glaubende sind vor Täuschungen nicht gefeit. Ich denke an Elia. Er wartet auf Gottes Gegenwart, auf ein Zeichen. Aber Gott war nicht wie erwartet im Feuer, im Donner, im Sturm, sondern im sanften Säuseln des Windes. Das ist ein gutes Bild für eine Entwicklung in der persönlichen Frömmigkeit. Es ist ein Zeichen reifen Glaubens, wenn Menschen nicht im Großen oder Bombastischen Gott suchen, sondern in scheinbar unbedeutenden Zeichen.

Und unser Alltag steckt voller Wunder und Zeichen: Da kümmert sich jemand selbstlos um einen anderen. Da bietet ein Bruder seiner Schwester Versöhnung an. Da söhnen sich Sterbenskranke mit ihrem Tod aus. Mir scheint, es geht darum, dass wir selbst Zeichen setzen, die zu Zeichen Gottes werden könnten. Wir vertrauen uns im Glauben Gott an und setzen Zeichen, indem wir gebrochene Seelen trösten, geknickte Leben aufrichten, Sterbenden die Hand halten. Das sind Zeichen der Liebe Gottes in unserer Welt.

Mit kommt das Lied des jüdischen ­Journalisten und Theologen Schalom Ben-Chorin in den Sinn: „Freunde, dass der Mandelzweig wieder Blüten treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?“ Ein Mandelbäumchen in Israel wurde ihm zum Zeichen der Hoffnung, als er die Horrornachrichten über die Nazidiktatur in Deutschland hörte. Liebe und Leben bleiben trotz allen Versagens der Menschen. Liebe, Vertrauen und Hoffnung sind ­stärker als Gewalt, Angst und Tod – das ist das Zeichen, das Jesus am Kreuz und am Ostermorgen gesetzt hat. Gesehen werden kann es nur mit den Augen des Glaubens.

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