29.04.2011
Epiphanias - Tag der Erscheinung des Herrn - 6. Januar
Johannes gibt Zeugnis von ihm und ruft: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich.
Johannes 1,15-18

2004, als John Kerry zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten „gekrönt“ wurde, hat mich ein junger Redner fasziniert. Es war Barack Obama. Er hat nicht sich selbst gefeiert, sondern ging ganz und gar darin auf, diesem anderen den Weg zu bereiten, das war deutlich. Auch wenn Barack Obama Jahre später selbst Präsident der USA wurde, damals war er bewusst und klar in der zweiten oder gar dritten Reihe.

Das ist und bleibt Größe: zu erkennen, dass ich nicht die Nummer Eins bin, sondern ein anderer. Die gemeinsame Sache in den Vordergrund stellen, zu akzeptieren, dass ich nicht ganz vorn stehe, aber doch Teil einer großartigen Bewegung bin – auf diese Weise bringen sich Menschen bis zur Erschöpfung, bis an die Grenzen ihrer eigenen Kraft oft ein. Das kann auf wunderbare Weise beflügeln!

Aber wie tief kann dann die Enttäuschung sein, wenn der Mensch, für den ich so viel gegeben ­habe, nicht gewinnt oder vielleicht nicht meinen Erwartungen entspricht! Wenn er Fehler macht oder ihr nicht alles gelingt. Wer mit Leib und Seele für einen anderen Menschen eintritt, geht ein hohes Risiko ein. Denn wenn die Person versagt, für die du dich eingesetzt hast, tut es nicht nur ihr selbst furchtbar weh...

Johannes der Täufer gibt in der bib­lischen Erzählung ein ganz besonderes Zeugnis, er ist eine ganz eigenständige ­Figur. Doch er erkennt offenbar ohne jeden Neid und ohne jede Frage, dass Jesus ein so besonderer Mensch, von der Zuwendung Gottes auf so außergewöhnliche Weise gesegnet ist, dass er selbst zurücktritt in die zweite Reihe.

Niemand kann eine Ikone sein oder eine Kultfigur

Das macht ihn bis heute bewundernswert, ja vorbildhaft. Er ist überzeugt: Gottes Wille wird geschehen und ich bin gern Teil des Ganzen. Was für eine innere Freiheit und Stärke! Er kann sagen: Nicht ich stehe im Mittelpunkt. Aber ich werde alles dafür tun, dass die andere ­Person dort steht, weil ich von ihr überzeugt bin. Da ist eine Haltung spürbar, das ist aufrechter Gang.

Wer sehnte sich nicht danach, eine ­solche Haltung einnehmen zu können, so unabhängig zu sein von den Erfolgskategorien dieser Welt. Wie finden wir eine rechte Balance zwischen der Sehnsucht nach Vorbildern oder Identifikationsfiguren und dem realistischen Menschenbild, das davon weiß, wie fehlerhaft jeder und jede ist? Niemand kann eine Ikone sein oder eine Kultfigur. Da hat unsere Mediengesellschaft schreckliche Überbilder geschaffen. Und dann ist es leicht, andere knallhart zu verurteilen. Wer hätte denn gern die eigenen Fehler ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt? Ein Alptraum! Mir tut eine junge Frau wie Britney Spears nur leid, wenn sie selbst beim Einkaufen fotografiert wird und dann eine Diskussion losbricht, ob sie mit solch schlecht lackierten Fingernägeln überhaupt auf die Straße dürfe.

Meine Großmutter musste die Gutsbesitzerin „meine Gnädigste“ nennen

Für mich ist Gnade der entscheidende Begriff. Er klingt altmodisch, er kann aber sehr schnell aktuell werden. Wie gut kann es tun, wenn nicht der Boulevard dich durch die Gegend schleift und die Verachtung früherer vermeintlicher Freunde dich trifft, sondern Verständnis, Zuwendung, Achtung. Wie befreiend kann es für einen Häftling sein, wenn er begnadigt wird, wie ermutigend, wenn trotz aller Gesetze Gnade vor Recht ergeht. Das hat nichts mit einem herablassenden „gnädig sein“ zu tun.

Meine Großmutter erzählte, dass sie als Frau eines Gutsverwalters in Hinterpommern die Gutsbesitzerin immer „meine Gnädigste“ nennen musste. Das hatte für mich schon immer einen merkwürdigen Klang.

Johannes sieht bei Jesus eine ganz andere Gnade. Eine, die nicht erniedrigt und in Hierarchien einordnet, sondern befreit. Wir kennen, wir begreifen Gott nicht, es bleibt immer dieser „deus absconditus“, der verborgene Gott, von dem Luther sprach. Aber durch das, was Jesus über Gott erzählt hat, verstehen wir das Wesen dieses verborgenen Gottes. Er handelt wie ein Vater, der ohne Rückfrage mit Freude den Sohn wieder aufnimmt, der in die Irre gegangen ist. Gott ist wie ein Weingärtner, der Sorge trägt, dass alle genug zum Leben haben für den Tag. Johannes ahnte, dass allein Jesus den Menschen Gott so würde nahebringen können.

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