"Garten der kleinen Ewigkeit" auf dem evangelischen Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in Berlin-Schöneberg
"Garten der kleinen Ewigkeit" auf dem evangelischen Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in Berlin-Schöneberg
Ina Schoenenburg
Trends in der Friedhofswelt
Alles, was man zu Grab und Friedhof wissen muss: ob Urnen verrotten, was eine Bestattung kostet, ob es hässliche Friedhöfe gibt, ob man sich einen aussuchen kann, was eine Sozialbestattung ist ... 65 Fragen, 65 Antworten
Tim Wegner
30.08.2017

1. Die eigene Bestattung planen?
Klingt merkwürdig, aber immer mehr Menschen regeln ihre eigene Bestattung zu Lebzeiten. Sie schauen sich Friedhöfe an, reservieren womöglich sogar eine Grabstätte, klären mit einer Bestattungsfirma Details bis hin zur Trauergästeliste. Weil sie miterlebt haben, wie hilflos und überfordert Angehörige bei einem Trauerfall sein können. Oder weil sie keine nahen Angehörigen mehr haben, dafür Freunde und Freundinnen, die aber weit verstreut leben.

2. Stimmt es, dass kaum noch jemand auf den Friedhof will?
Nein, das stimmt nicht. Auch die, die sich später mal einäschern lassen wollen, planen zu weit über 90 Prozent die Beisetzung auf einem klassischen Friedhof. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur. Da Medien vor allem über Neues berichten und nicht über Ewiggleiches, ist der Eindruck entstanden, es sei jetzt so üblich, die Asche aus dem Helikopter oder auf einer Wiese zu verstreuen, die Urne im Meer zu versenken oder im Wald zu vergraben oder zu einem Diamanten pressen zu lassen. Doch der Anteil dieser Bestattungsarten ist kaum messbar.

3. Warum haben die Friedhöfe dann immer mehr Lücken?
Es sterben nicht weniger Menschen. Es werden auch nur unwesentlich weniger Menschen auf einem Friedhof bestattet. Aber die Angehörigen wählen kleinere Gräber. Vorteil für die Hinterbliebenen: Kleinere Grabstätten sind preiswerter, und die Grabpflege ist einfacher oder fällt ganz weg. Nachteil für den Friedhof: Leerflächen. Außerdem: Gräber werden seltener über die vorgeschriebene Ruhefrist von (je nach Bodenart) 15 bis 30 Jahren hinaus verlängert. Immer öfter lassen Angehörige sogar schon vor Ablauf der Ruhefrist das Grab mit Gras einsäen, nur der Grabstein bleibt noch stehen.

4. Trend zu Minigräbern?
Ja, statt eines ehebettgroßen Familiengrabs wählt man heute eher ein einzelnes Urnenreihengrab, zum Beispiel mit einer Fläche von 60 x 60 Zentimetern. Oder man wählt gleich ein Miniaturgrab, das keine Pflege benötigt: ein Rasengrab, ein Fach in einer Urnenwand oder die anonyme Bestattung in der Wiese. Von 100 Quadratmetern abgelaufener Grabfläche werden im Schnitt nur noch 55 Quadratmeter durch neue Gräber ersetzt, hat Eberhard Goebel errechnet, der Kommunen zur Wirtschaftlichkeit ihrer Friedhöfe berät.

5. Waren Bestattungen schon immer teuer?
Ja, je nach Verdienst musste man schon immer ein bis drei Monatsgehälter veranschlagen, sagt Reiner Sörries, Trauerforscher und ehemaliger Leiter des Museums für Sepulkralkultur in Kassel. Er hat Rechnungen aus dem 18. Jahrhundert mit heutigen verglichen. Allerdings steigen seit Jahren vor allem die Friedhofsgebühren kräftig. Wobei laut Stiftung Warentest Friedhöfe in kleineren Gemeinden meist günstiger sind als in Großstädten und kirchliche Friedhöfe oft günstiger als kommunale.

6. Sind die Leute geiziger geworden?
Nein, aber preisbewusster, sagt Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative Aeternitas. Man bleibe ja auch nicht mehr Jahrzehnte bei den Stadtwerken für den Strom. Sondern man frage sich: Was brauche ich eigentlich? Gibt es das auch günstiger? Was passt zu mir? Manche Angehörige kaufen zum Beispiel nur einen einfachen Sarg – der wird bei einer Urnenbestattung ohnehin verbrannt – oder nur einen kleinen Stein, geben aber für den Leichenschmaus mit vielen Trauergästen richtig viel Geld aus. Oder für ein über Jahre immer schön gepflegtes Grab. Sparen kann übrigens auch, wer die Patenschaft für ein künstlerisch oder historisch wertvolles Grab auf dem Friedhof übernimmt. Man schrubbt den Grabstein, schneidet auch mal die Bodendecker und muss dafür später meist keine Grabgebühr zahlen.

7. Warum will sich kaum noch jemand um ein Grab kümmern?
Auch wenn man ein Grab nur mit Efeu bepflanzt, muss man doch gelegentlich die Ränder schneiden, im Frühjahr düngen und sommers mal gießen. Es wohnen aber immer mehr Angehörige sehr verstreut. Und selbst wenn die Angehörigen nahebei wohnen: Viele Menschen erreichen heute ein so hohes Alter, bevor sie sterben, dass ihre Kinder dann auch schon um 70 sind und womöglich nicht mehr so gut zu Fuß. Nicht zuletzt verträgt sich ein mehrwöchiger Urlaub schlecht mit Blumengießen auf Gräbern. Und wie sieht das Grab dann aus? Was werden die Leute sagen? Deswegen entscheiden sich viele für Rasengrab oder Urnenwand. Nicht weil sie das schön fänden.

8. Profis pflegen lassen?
Man könnte auch eine Friedhofsgärtnerei beauftragen. Damit die während der Urlaubswochen das Grab gießt. Oder das Grab dauerhaft pflegt, Stichwort Dauergrabpflege. Davon wissen viele nichts. Die Minimalpflege eines Grabs mit Bodendeckern kostet überschaubar: etwa 10 Euro im Monat laut Stiftung Warentest. 30 Euro und mehr zahlt man für die Bepflanzung eines Urnengrabs mit wechselnden Blumen – da folgen einander dann zum Beispiel Stiefmütterchen, Begonien, Chrysanthemen, Schneeheide, Christrosen.

9. Selber gärtnern und zwar mit Stauden?
Man kann ein Grab auch mit Stauden bepflanzen, das sind mehrjährige Pflanzen, die sich im Winter in ihren Wurzelstock zurückziehen und im nächsten Jahr erneut austreiben. chrismon-Vorschlag: halbwegs naturnahe Stauden nehmen, zum Beispiel Auslesen von heimischen Arten. Weil ein Grab meist nicht so vielen Stauden Platz bietet, dass immer eine blüht, sollte man auf „Blattschmuck“ achten, also Pflanzen mit schmückenden Blättern wählen. Gelbgrüne Blätter zum Beispiel neben dunkelgrünen. Oder panaschierte (grün mit weißer Musterung). Ebenso wichtig: die „Blattstruktur“. Farnwedelartiges neben schmal hochschießenden Blättern, große Blätter neben winzigen. Dann braucht man schon gar keine Blüten mehr, so schön und interessant sieht das aus.

10. Schönes Grab mit heimischen Stauden?
Hier eine kleine Vorschlagsliste für ein halbschattiges Grab (paar Stunden Sonne täglich). Die römischen Ziffern bezeichnen die Monate der Blüte, so = sonnig, hs = halbschattig, sch = schattig. Die meisten Pflanzen sind online zu kaufen:

  • Luzula sylvatica „Solar flair“/Garten-Goldrand-Simse, leuchtend gelbgrün, 20–40 cm, hs–sch
  • Luzula nivea/Weiße Hainsimse, schön blühendes Gras, bis 60 cm, V–VII, hs–sch
  • Carex remota/Lockerährige Segge, ein niedriges, breites Gras, hellgrün und auch im Winter ansehnlich, 30 cm, VI–VII, hs–sch
  • Brunnera macrophylla „Variegata“, eine Auslese des Kaukasischen Vergissmeinnicht mit weiß-grün gefleckten Blättern, sehr dekorativ
  • Brunnera macrophylla „Jack Frost“, eine silbrig-grüne Auslese des Kaukasischen Vergissmeinnicht, 30 cm, so–hs, IV–VI
  • Helleborus foetidus/Nieswurz, Palmblatt-Schneerose – immergrüne, üppig und früh hellgrün-weißlich blühend, eine Attraktion, auch die Samenstände schmücken lang, II–IV, 30–50 cm, so–hs
  • Astrantia major/Große Sterndolde, in Sorten, mit hübschen filigranen Blütchen und großen Blättern, VI–VII + IX, 50–70 cm, so–hs
  • Polemonium caeruleum/Jakobsleiter, Himmelsleiter in Blau oder Weiß, VI-VII, 60-80 cm, so-hs
  • Aconitum vulparia/Wolfs-Eisenhut, 80 cm, V–VI oder VII, hs–sch
  • Für den Rand: Siebenbürger Milzkraut oder Lamium maculatum ‚White Nancy‘/gefleckte Taubnessel, weiß, 15, V–VI, hs–sch
  • Alchemilla epipsila/Zierlicher Frauenmantel, über viele Wochen üppig gelbgrün blühend
  • Hepatica nobilis/Leberblümchen, ganzjährig hübsche Blättchen, frühe Blüte in Lilablau, III–IV, 10 cm, hs–sch
  • Pulmonaria saccharata „Trevi Fountain“/Sorte von Lungenkraut, blau–rot, 25 cm, III–IV, hs
  • Aquilegia vulgaris/Akelei in Sorten, 60 cm, V–VI, so–hs
  • Hedera helix „Glacier“, zierlicher Efeu mit weiß gerandeten Blättern, sehr schmückend

11. Sind leere Flächen schlimm?
Friedhofsbesucher nehmen Lücken in den Grabreihen eher als angenehm wahr, weil sie die militärisch anmutende Ordnung der Gräber durchbrechen. Aber für den Friedhof sind leere Flächen schlecht. Er hat dann weniger Einnahmen aus den Grabgebühren, aber mehr Ausgaben. Denn auch diese Flächen müssen gemäht werden. Wie viel Arbeit das ist, erklärt Joachim Gersch, Verwalter des evangelischen Friedhofs in Ahrensburg östlich von Hamburg: „Wenn etwa alle zehn Tage Mähen dran ist, sind alle Leute draußen. Wir haben zwei große Aufsitzmäher, einer hat eine Schnittbreite von 1,85 Meter, dazu 12 Handrasenmäher. Dann wird gemäht, zwei Tage lang.“ Weniger Einnahmen, aber mehr teure Arbeit – dann erhöhen viele Friedhofsträger als Erstes die Grabpreise.

12. Gilt immer noch Friedhofszwang?
Ja. In Deutschland müssen die körperlichen Reste eines toten Menschen – ob im Sarg oder in der Urne – auf einem Friedhof oder einem anderen diesem Zweck gewidmeten Ort, etwa einem Bestattungswald, beigesetzt werden. Erlaubt ist aber die Seebestattung – sofern die Angehörigen glaubhaft versichern können, dass der oder die Verstorbene dies wünschte.

13. Keine Ausnahme vom Friedhofszwang?
Doch. Bremen hat den Friedhofszwang abgeschafft. Angehörige dürfen seit 2015 die Asche auf privatem Grund verstreuen, wenn der/die Verstorbene das zu Lebzeiten schriftlich verfügt hat. Man muss dann die Asche „unverzüglich“ ausbringen und das dann auch eidesstattlich bestätigen. Denn der Bestattungszwang wurde nicht abgeschafft. Ob die Asche tatsächlich verstreut wurde, prüft die Stadt nicht nach. 2016 wurden 35 Fälle genehmigt, das sind weniger als ein Prozent der in Bremen Verstorbenen. „Aber in 20, 30 Jahren werden Sie hohe Zahlen haben“, sagt Jens Tittmann, Sprecher des Umweltsenators, „denn die Gesetzesänderung wurde vor allem von 40- bis 50-Jährigen an den Start gebracht.“

14. Wollen alle die Urne zu Hause haben?
Nein, diesen Eindruck hat Daniel Zielke nicht. Er ist Bestatter im hessischen Lauterbach und Vorsitzender des „Verbands unabhängiger Bestatter“. Auch diejenigen, die ihre Angehörigen etwa in der Schweiz oder den Niederlanden einäschern und sich dann die Urne direkt aushändigen lassen, wollten die Urne gar nicht für immer zu Hause behalten – sondern nur ein bisschen länger Abschied nehmen können. An den Niederlanden, wo man mit einer Urne theoretisch machen könne, was man wolle, sagt Zielke, sehe man doch, dass keineswegs das eintrete, was in Deutschland immer befürchtet werde: „Überall Tote, nur nicht auf dem Friedhof.“ Die Niederländer würden meist auch auf dem Friedhof beisetzen, nur etwas später.

15. Totenasche im Wohnzimmer macht alle froh?
An das Bestatterweblog von Peter Wilhelm erging jetzt diese Anfrage, wohl einer Enkelin: Nach dem Tod der Oma vor drei Jahren wollte eine der beiden Töchter die Urne zu Hause behalten; die erhoffte Nähe stellte sich aber nicht ein, außerdem hat sie jetzt einen neuen Partner. Also nahm die andere Tochter die Urne, stellte sie ins Kellerregal – und findet das belastend. Verstreuen komme nicht infrage, weil pietätlos. Was tun? Blogger Peter Wilhelm antwortete kühl: einen Friedhof suchen, der die Urne bestattet. Nach drei Jahren werde sicher niemand diese Ordnungswidrigkeit ahnden wollen. Kostet natürlich. „Legt alle zusammen und lasst die Oma zu ihrem Mann ins Grab.“ Klarer Vorteil Friedhof: Die Urne ist weg, aber man kann sie besuchen – und dann wieder nach Hause gehen, in ein Leben ohne die Verstorbene.

16. Asche verstreuen – theologisch ein Problem?
Nein, sagt der Theologe Reiner Sörries: „Aus evangelischer Sicht ist die Art und Weise der Bestattung für das Seelenheil – hoffentlich – vollkommen wurscht. Denn sonst müsste ich mir auch Sorgen machen um die Menschen, die mit der ‚Estonia‘ untergegangen oder mit der Concorde abgestürzt sind. Die Reformatoren haben die Bestattung zu den Dingen gezählt, die theologisch-dogmatisch nicht entschieden werden müssen.“

17. Warum fordert die evangelische Kirche dann Gräber mit Namen?
„Weil die Bestattung trotzdem nicht ganz unwesentlich ist“, sagt Sörries. „Mit der Namensnennung zeige ich, dass christlich gesehen jeder Mensch einmalig ist. Ein Mensch ist nach dem Tod nicht ‚weg‘, er ist nicht verloren. Er bleibt im Gedächtnis, er bleibt vor allem auch im Gedächtnis Gottes – das zeigen wir symbolisch mit der Namensnennung.“

18. Wollen jetzt alle in den Wald?
Nein. Es werden derzeit vielleicht drei Prozent der Verstorbenen in einem Bestattungswald vergraben. Einer der Anbieter, die Firma Friedwald, rechnet zwar mit zehn Prozent Interessierten, aber der Friedhofsoziologe Thorsten Benkel geht eher von rückläufigen Zahlen aus. Es spreche sich herum, dass man die Grabstätte im Wald nicht individuell gestalten dürfe. Es gibt nur ein Namenstäfelchen am Baumstamm.

19. Unter einen Baum – aber auf dem Friedhof?
Bestattungen unter Bäumen bieten mittlerweile auch viele Friedhöfe an. Die Friedhöfe in Kassel waren besonders schnell: 2001 hatte ganz in der Nähe der erste Friedwald eröffnet, bereits 2002 bot Kassel die ersten Baumbestattungen auf dem Friedhof an. „Ich geh in den Wald!“, das hört Jürgen Rehs, Leiter der Friedhofsverwaltung, häufig. Dann fragt er nach: Kommen Sie da mit dem Rollator hin? Bringt Sie ein Elektrotaxi bis zur Grabstätte? Liegen die Gräber überhaupt am Weg? Gibt es da eine Toilette, die jeden Tag gereinigt wird, oder nur ein Dixi-Klo? Nicht wenige kämen dann ins Grübeln. Jürgen Rehs hat 170 Jahre alte Eichenalleen zu bieten, mit dekorativen Farnen und Waldgräsern darunter. Auch da kann man sich bestatten lassen.

20. Trend zu naturnah?
Ja, das beobachten sowohl Bestatter als auch Friedhofsverwaltungen. Eine „naturnahe“ Bestattung ist eben immer auch pflegefrei für die Angehörigen. Die Urne (seltener auch ein Sarg) kann mittlerweile auf vielen Friedhöfen in üppig blühenden Beeten beigesetzt werden, in gestalteten Landschaften mit Wasserlauf, Teich und Hügeln oder eben unter Bäumen. Mit Stein für jeden oder Stele für alle Namen. Besonders beliebt neuerdings: unter Apfelbäumen. Immer öfter kann man auch einen „Familienbaum“ oder „Freundschaftsbaum“ reservieren. Auf dem Friedhof der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Ahrensburg sind mittlerweile 30 Prozent aller Bestattungen naturnah, sagt Verwalter Joachim Gersch. Aber man mache auch viel Infoarbeit, zum Beispiel im Café. Wenn da die Ausflugsradler am Wochenende rasten, nehmen sie auch Flyer mit – und montags kommen die ganzen Anrufe. Der Friedhof schreibt schwarze Zahlen, als einer der ganz wenigen Friedhöfe in Deutschland.

21. Soll „der Staat“ mehr zahlen für den Friedhof?
Ja, wenn es gerecht zugehen soll, müssten viele Kommunen ihren Friedhöfen wohl mehr als bisher zuschießen – für den sogenannten Grünanteil. Denn die Friedhöfe werden von immer mehr Menschen zur Erholung genutzt. Kirchliche Friedhöfe übrigens bekommen meist keinen Zuschuss.

22. Friedhöfe schließen? Schrumpfen? Mit Wohnungen bebauen?
Es gibt noch Dörfer, da wird’s auf dem Friedhof eng. Die allermeisten Friedhöfe aber haben Überhangflächen, manche sogar 60, 70 Prozent. Was tun? Der evangelische Friedhofsverband Berlin-Stadtmitte hat bereits einige Hektar verkauft – etwa für Kleingärten oder Parks oder auch für den Wohnungsbau. Das geht, wenn alle Ruhefristen abgelaufen sind und eine zusätzliche „Pietätsfrist“ von zehn Jahren. Der Hamburger Friedhof Ohlsdorf will zwar keine Flächen verkaufen, aber sich in den Kern zurückziehen. Dort soll dann „intensiv“ Friedhof sein, mit gepflegten Wegen, WCs, Rosen, dichtem Shuttle-Service, in anderen Bereichen dagegen wird es „kultivierte Wildnis“ geben, etwa Wiesen, bei denen nur noch der Rand gemäht wird – das gefällt Besuchern ungemein und spart dem Friedhof Geld. Denn eins ist vielen Friedhofsverwaltungen klar: Sie können die Gebühren nicht endlos erhöhen.

23. Wie teuer ist eine Bestattung?
Eine Beerdigung kostet durchschnittlich 6000 Euro, wie die Stiftung Warentest zusammen mit der Verbraucherschutzinitiativ Aeternitas errechnet hat. Das wäre dann eine „einfache Urnenbestattung“ im Reihengrab, mit Trauerfeier in der Trauerhalle, Briefen, kleinem Grabstein, Kaffeetisch für 30 Personen, Todesanzeige. Eine anonyme Urnenbestattung kostet im Schnitt 2200 Euro – ohne Anzeige, ohne Kranz, ohne Kaffee, ohne Grabstein. Mehr zu den Kosten, auch in verschiedenen Städten, ist nachzulesen im „Spezial Bestattung“ von der Stiftung Warentest, für 8,50 Euro. Zum Beispiel hier zu bestellen.

24. Und wenn ich kein Geld habe?
Die Bestattung bezahlen müssen laut Gesetz die nächsten Angehörigen. Sind sie bedürftig, und gibt es kein Erbe, übernimmt auf Antrag das Sozialamt die „erforderlichen Kosten“ einer Bestattung (§ 74 Sozialgesetzbuch XII). Was „erforderlich“ ist für eine würdige und „nicht auffällig arme“ Bestattung, darüber gibt es immer wieder Streit, die Kommunen handhaben das sehr unterschiedlich. Zu einer anonymen Beisetzung aber dürfen die Angehörigen auf keinen Fall gezwungen werden. Immer bezahlt werden Sarg, Trauerfeier, Friedhofsgebühren, Orgelmusik, Holzkreuz, nicht aber zum Beispiel Trauerkaffee und Zeitungsanzeigen. Aeternitas fordert seit langem eine verlässliche, bundesweit einheitliche Liste für die „Sozialbestattung“. Ein schlichtes Grabmal solle auch dabei sein. Wer sich mit dem Sozialamt herumärgert, bekommt (kurzen) Rat bei der Verbraucherschutzinitiative Aeternitas, Mitglieder (12 Euro im Jahr) sogar ausführlichen Rechtsrat. Kostenlos sind der „Ratgeber Sozialbestattung“ sowie weitere Downloads.

25. Und wenn es keine Angehörigen gibt?
Dann wird eine „Bestattung von Amts wegen“ durchgeführt, auch „Ordnungsamtbestattung“ genannt. Die Kommunen schreiben diese Bestattungen meist aus, vergeben den Auftrag also an den Günstigsten. Oft werden die Menschen dann anonym bestattet, auf weit entfernten Friedhöfen, die preiswerter sind als die eigenen Friedhöfe. Ein Schock für Freunde und Freundinnen, die dann das Grab suchen. Einige Städte, etwa Neumünster, bestatten trotzdem in der Stadt. Die Kirchengemeinde Wachenbuchen bei Frankfurt hat auch mal ein angehörigenloses Gemeindemitglied „ersteigert“, durch Unterbieten aller Angebote, und die alte Dame auf dem Kirchhof bestattet. Martin Bock im westfälischen Kirchenamt überlegt, ob man das nicht in allen Kirchengemeinden so machen könnte. Derweil hat die evangelisch-reformierte Gemeinde in Bremen-Blumenthal längst ein Gemeinschaftsgrab für geld- und verwandtenlose Menschen eingerichtet, direkt neben der Kirche, mit Grabmal, auf dem die Namen stehen und ein Psalmwort: „Gott heilt die gebrochenen Herzen.“ (Und natürlich steht da kein Schild mit der Aufschrift „Armengrab“.)

26. Für die Beerdigung sparen?
Früher gab es das Sterbegeld von der Krankenversicherung, Ende der 90er Jahre lag es noch bei umgerechnet 3500 Euro – eine große Erleichterung für Hinterbliebene. Dann wurde es abgeschmolzen und 2003 schließlich, nach über 100 Jahren, abgeschafft. Soll man jetzt eine Sterbegeldversicherung abschließen? Die Stiftung Warentest und Aeternitas sagen, diese teure Versicherung lohne sich nur für Menschen, die von Sozialhilfe leben oder davon ausgehen, dass sie im Alter wegen einer sehr niedrigen Rente Grundsicherung beantragen müssen. Denn dann gehört eine Sterbegeldversicherung wie auch ein Vorsorgevertrag beim Bestatter zum „Schonvermögen“. Ein Sparbuch dagegen müsse man auflösen. Ansonsten lohne solch eine Versicherung nicht, die Kosten seien zu hoch, die Auszahlung liege am Ende deutlich unter der eingezahlten Geldsumme.

27. Wie finde ich ein gutes Bestattungsinstitut?
Man sollte sich von zwei oder mehr Bestattern vor Ort einen Kostenvoranschlag machen lassen, rät die Stiftung Warentest. Vor Ort, weil man dann die Kosten wirklich vergleichen kann. Vor pauschalen Angeboten im Internet wird gewarnt. Die Verbraucherinitiative Aeternitas hat gut 140 Bestattungsbetriebe als verbraucherfreundlich ausgezeichnet – weil sie, zum Beispiel, die Kosten nachvollziehbar auflisten oder im Streitfall eine Schlichtungsstelle hinzuziehen: www.gute-bestatter.de. Andere Auswahlkriterien können sein: Werde ich gleich an gefühlt hundert Särgen vorbeigeführt und dann geschäftsmäßig abgefragt: Trauerfeier: ja, nein? Karten: ja, nein? Oder hat da jemand Verständnis dafür, dass ich gerade zum ersten Mal den Satz gesagt habe: „Mein Mann ist gestorben.“ Helfen Bestatter oder Bestatterin mir, meine Wünsche zu formulieren? Die Firmen, die sich zum BestatterInnen-Netzwerk zusammengeschlossen haben, wollen Wegbegleiter sein in der „kostbaren Zeit zwischen Tod und Bestattung“. Bestatterin Nikolette Scheidler aus Frankfurt am Main findet zum Beispiel auch wichtig, dass die Angehörigen jederzeit wissen, wo ihr Verstorbener gerade ist. Bei manchen Bestattern habe sie das Gefühl, der Verstorbene sei jetzt deren Eigentum.

28. Kann ich mir den Friedhof aussuchen?
Oft ja. Auch wenn noch immer in vielen Friedhofssatzungen steht, dass nur Ortsansässige beerdigt werden. Tatsächlich nehmen die meisten Friedhöfe auch Menschen aus anderen Gemeinden auf. Und: Man muss nicht Kirchenmitglied sein, um auf einem kirchlichen Friedhof bestattet werden zu können. In manchen Städten gibt es ohnehin nur kirchliche Friedhöfe, historisch bedingt.

29. Anonym ist am billigsten?
Das stimmt oft nicht. In München zum Beispiel zahlt man 450 Euro für den anonymen Platz auf der Wiese, für ein eigenes Urnen-Erdgrab dagegen nur 375 Euro. Wer das Grab nicht pflegen kann, kann es von den Friedhofsgärtnern auch mit Gras einsäen und gegen eine kleine Gebühr mitmähen lassen. Wer in München anonym bestattet werden will, muss dies übrigens seit 2010 schriftlich vorausverfügen – oder die Angehörigen müssen diesen Wunsch eidesstattlich versichern. Seitdem haben sich die anonymen Bestattungen halbiert.

30. Anonym – und man fällt keinem „zur Last“?
Eine anonyme Bestattung unterm grünen Rasen – meist ist es eher eine schartige Wiese – sollte man sich nur wünschen, wenn man vorher darüber mit seinen Nächsten gesprochen hat. Denn die müssen anschließend damit klarkommen, dass es kein klar bezeichnetes Grab gibt. Wer genau hinschaut, findet oft im Gebüsch am Rand solcher Wiesen Ersatzgedenkstätten: ein kleines Holzkreuz mit Namen oder einen Strauß in der Steckvase. Und auf der Wiese kleine Markierungen dort, wo die Angehörigen, sofern sie bei der Bestattung dabei sein durften, sich die Ruhestätte zu merken versucht haben: in den Boden gesteckte Ringe zum Beispiel. Da hat dann jemand die falsche Grabart gewählt. Nur in Ausnahmefällen stimmen Friedhofsleitungen einer Umbettung zu. Also: Rechtzeitig besprechen! Oft vermuten Menschen nämlich nur, dass sie ihren Angehörigen mit einem Grab zur Last fallen würden. Dabei gibt es nicht wenige Menschen, die auf dem Friedhof mit Freude erstmals im Leben zu gärtnern beginnen.

31. Was wollen Angehörige?
Pflegelose Gräber, das wünschen sich viele. Also richteten die Friedhöfe Urnenwände ein, Baumgräber und Rasengräber. Aber damit befreite man die Menschen nicht nur von der Grabpflege, sondern nahm ihnen auch jede andere Art von Handlung weg, so sieht das Steinmetz Günter Czasny.

32. Wie, da darf ich keinen Strauß ablegen?
Nein, auf solchen pflegefreien Gräbern darf meist nichts abgelegt werden – nur am Rand, auf einer extra markierten Stelle. Viele Angehörige halten sich nicht daran. Sie kleben ganze Balkonkästen auf schmalste Simse von Urnenwänden, stellen Vasen auf die Grabplatten von Rasengräbern, pflanzen Geranien zu Füßen von Eichen. Die Friedhofsmitarbeiter müssen dann alles einsammeln, bevor sie mähen können. Das kostet Zeit.

33. Kann man Friedhofsbesucher „erziehen“?
Nein, das funktioniert nicht, das wäre auch zu viel Aufwand, sagt Thomas Bäder, der bei der Stadt Frankfurt am Main für die Friedhöfe zuständig ist. Deshalb denken sie in Frankfurt zusammen mit einem Landschaftsplaner gerade intensiv über eine neue Grabform nach: Vielleicht könnte man die Rasengrabplatten rund um ein Beet mit Ziergräsern legen, und dazwischen baut man eine Kante zum Ablegen?  

34. Einfach nur dastehen und gedenken – reicht doch?
Nein, das reicht vielen nicht. Sie wollen etwas tun. Ein Zeichen hinterlassen, dass sie da waren; den Verstorbenen symbolisch etwas geben. Ein Licht anzünden, einen Strauß hinlegen, einen Erinnerungsgegenstand. Solche „Trauerhandlungen“ müssen möglich sein, sagt Steinmetz Günter Czasny von der Kunstgießerei Strassacker. Seit Jahren versucht er, diese Botschaft „der Friedhofswelt“ nahezubringen. Alle Grabformen, die den Menschen jede Aktivität untersagen, sind „Problemgräber“ für ihn. „Wir können dieses Tun an den Gräbern nicht abschalten. Eigentlich wird uns auf den Friedhöfen verboten zu zeigen, dass wir uns liebhaben.“

35. Brauchen alle für die Trauer eine genaue Grabstelle?
Nein, nicht alle Hinterbliebenen brauchen einen genau bezeichneten Ort, an dem sie auch noch etwas tun können. Zu Reiner Sörries sagte mal eine Witwe, die ihren Mann hatte seebestatten lassen: „Mir reicht die Nordsee.“ Und Pfarrer Rainer Liepold in München befragte sich in seinem Buch „Der Bestattungsführer“ auch selbst: Braucht er Gräber? Liepolds Antwort: „Ich denke durchaus manchmal an meine Verstorbenen. Das bedeutet dann aber meistens, dass ich mir Fotos von ihnen ansehe.“

36. Können Sie Trauerforschern helfen?
Die Friedhofssoziologen der Uni Passau suchen Menschen, die bereit sind, über ihre Ansichten zur Bestattungspraxis und ihre Erfahrungen im Umgang mit der Trauer um Verstorbene zu sprechen. Das Forschungsprojekt „Die Pluralisierung des Sepulkralen“ soll überprüfen, inwiefern die Bestattungskultur sich wandelt und ob neue Praktiken der Trauer und des Gedenkens die vorhandenen Traditionen ergänzen. Das Ganze geht telefonisch und ist total diskret. Die beiden Forscher freuen sich über eine Mail an friedhofssoziologie@live.de. Nähere Informationen unter: www.phil.uni-passau.de/soziologie/benkel/forschungsprojekt

37. Neuester Grabtyp?
Recht neu sind Landschaftsgärten, in die die Gräber eingebettet sind. Mit Bänken, Wasser, Natursteinmäuerchen, Anhöhen, verschwiegenen Ecken … Oft aufwendig bepflanzt mit Gräsern und Stauden. Man erwirbt meist ein Komplettpaket: Grabstelle, oft auch schon Grabstein (mit Auswahl), Grabpflege. Die Namen sind unterschiedlich: Memoriam-Gärten, Garten der Erinnerung, Mein letzter Garten … Der Kölner Friedhof Melaten hat gleich mehrere „Module“ zur Auswahl, auch einen Bauerngarten mit Staketenzaun und Spalierobst.

38. Ist das teuer?
Ganz billig ist das gärtnerisch betreute Gemeinschaftsgrab nicht, da man auch hier für die Pflege zahlt, allerdings weniger als für die Dauergrabpflege eines Einzelgrabs. In Frankfurt hat die Friedhofsgärtnergenossenschaft eine erstaunliche Erfahrung gemacht: Die günstigsten Grabstellen in der Anlage – ein kleiner Berg aus Felsplatten, auf die der jeweilige Name geschrieben wird – gehen am schlechtesten. Wenn die Interessenten sich die Anlage anschauen, sei ihnen der Preis oft gar nicht mehr so wichtig, erzählt Michael Ballenberger, sondern viele sagten spontan: Hier, das ist es! Dann lassen sie sich den Platz reservieren. Und in Mannheim, wo im „Parkgrabfeld“ auch ein großer Teich liegt, waren als Erstes die Gräber mit Seeblick verkauft. Den Blick haben übrigens die Angehörigen, sagt Friedhöfe-Betriebsleiter Andreas Adam. Ein Mann aber habe sich so bestatten lassen, dass er selbst auf den Teich blicken kann. Wenn er könnte.

39. Darf man da Mitbringsel ablegen?
Das erlauben bislang nur wenige Friedhöfe auf ihren gartenartig gestalteten Grabanlagen, verlässlich nur die Memoriam-Gärten. Die Menschen stellen trotzdem Nippes und Blumen rein, selbst in den gerade preisgekrönten „Garten der kleinen Ewigkeit“ auf dem evangelischen Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in Berlin-Schöneberg. Dabei sind die geschwungenen Beete mit den Grabstelen perfekt durchkomponiert - mit Fingerhut, Storchschnabel, Taglilie, Salbei, Frauenmantel und Ziergräsern. Einen kleinen Stein ablegen wie auf jüdischen Gräbern, ja, gern auch mit Namen. Aber durch all die Putten, Geranientöpfchen und Plastikschmetterlinge sieht Verwalterin Margret Burhoff auch die Würde der Verstorbenen gefährdet. Einfach wegräumen gehe aber auch nicht, sonst habe man die nächste Woche weinende Menschen in der Verwaltung. Jetzt überlegen sie, Stauden zum Kauf anzubieten, die individuell sind und doch reinpassen in den „Garten der kleinen Ewigkeit“.

40. Ewigkeitsgräber – wer will denn so was?
Während die einen sagen: „Gott sei dank sind wir das Grab endlich los, eine Sorge weniger!“, interessiert sich eine größer werdende Gruppe für lang laufende Gräber. Die Bedürfnisse, das beobachten alle in der Bestattungsszene, werden unterschiedlicher. Ewigkeitsgräber gibt es noch ganz selten, der Hauptfriedhof Karlsruhe ist vorgeprescht. Man bezahlt für 40 Jahre und dann nie wieder was. „Ewig“ heißt: so lange der Friedhof besteht. Erstaunliche zehn Prozent der Nutzer entscheiden sich für solch ein Ewigkeitsgrab, sagt Matthäus Vogel, der Leiter des städtischen Friedhofs- und Bestattungsamtes. Da sagten zum Beispiel Familien: Wir sind verstreut in alle Richtungen, aber kommen doch aus Karlsruhe - lasst uns ein gemeinsames Grab nehmen!

41. Gibt es hässliche Friedhöfe?
Ja! Im Urlaub flanieren wir gern über alte Friedhöfe mit traurigen Engeln und prächtigen Mausoleen wie in Wien, Hamburg oder Paris. Aber der normale deutsche Friedhof, wo wir unsere Angehörigen begraben, ist nüchtern und ausdruckslos, mancher auch geradezu hässlich. Eigentlich war es eine gute Idee, dass man um 1900 herum Vorschriften für die Gräber erließ, sagt Reiner Sörries, der viele Jahre Direktor der Museums für Sepulkralkultur in Kassel war, man wollte damals nicht mehr solche sozialen Unterschiede auf den Friedhöfen: die Auswüchse an den Hauptwegen, die „Hochmutsalleen“. Aber dann sei es gekippt, es gab immer mehr Reglementierung.

42. Gibt es seelenlose Friedhöfe?
Ja! Friedhöfe, die einen am Eingang gleich mit allerlei Verboten empfangen – nicht auf die Wiese legen, nicht rauchen, nicht Rad fahren, keine Hunde, nicht spielen… Drinnen dann ein Friedhof, auf dem die Toten wie auf dem Autoplatz geparkt sind. Wenige Bänke, wenn überhaupt. Kaum ein Baum, so dass Trauernde von überall her beobachtet werden können. Manche Friedhöfe sehen geradezu vernachlässigt aus. Man ahnt, dass die Gemeinde sie für einen Klotz am Bein hält. Ganz anders wirken Friedhöfe wie der der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Bremen-Blumenthal. „Unser Friedhof lebt“, nach diesem Motto gestalten Pastor Ulrich Klein und eine engagierte „Friedhofsgruppe“ gerade ihren Friedhof zum naturnahen Gelände um: Es gibt Gräber unter Wildapfelbäumen und in Wildblumenwiesen, es gibt Bienenstöcke und Honigverkauf, und die Konfirmanden haben ein Insektenhotel gebaut, in Form einer Kirche.

43. Verbieten Friedhöfe zu viel?
Manchmal gelangen Konflikte zwischen einem Friedhof und Angehörigen in die Medien. Die Eltern eines an Krebs verstorbenen Neunjährigen wollten die Grabstele mit einem steinernen Fußball krönen. Am Ende fand man mit dem katholischen Friedhof einen Kompromiss: Der Ball darf sein, aber unten auf dem Grab. Solch ein Konflikt ist aber außergewöhnlich.

44. Sind Friedhöfe besser als ihr Ruf?
„Viele Leute haben ein falsches Bild von Friedhöfen“, sagt Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative Aeternitas. „Nachdem die Friedhöfe Jahrzehnte verpennt haben, tut sich bei vielen Friedhöfen jetzt was – es hat sich nur noch nicht herumgesprochen.“ Ihm würden viele Friedhofsverwalter sagen: Wir können den Leuten nicht alles verbieten, und im Endeffekt schadet es doch keinem.

45. Was dürfen Friedhöfe vorschreiben?
Grabstätten sind so zu gestalten, dass die Würde des Friedhofs gewahrt bleibt. Das ist eigentlich schon alles, was ein Friedhof gestalterisch vorschreiben darf. Wer mehr Gestaltungsvorschriften machen will, muss an anderer Stelle ein Feld zur Verfügung stellen, wo die strikten Regeln nicht gelten. So hat schon 1963 das Bundesverwaltungsgericht geurteilt. Viele Menschen wissen nichts von dieser Möglichkeit. Oder sie werden auf abgelegene Friedhöfe der Gemeinde verwiesen. Ausführlich dazu der Jurist Tade Matthias Spranger von der Uni Bonn.

46. Bestattung und Grab – alles jetzt ganz individuell?
Seit einigen Jahren schon trauen sich die Menschen, beim Bestatter oder der Bestatterin ihre persönlichen Wünsche anzumelden. Nun ist die Individualisierung auch auf den Friedhöfen angekommen, beobachten die Friedhofssoziologen Thorsten Benkel und Matthias Meitzler von der Uni Passau. Allerdings seien Fußbälle, Gitarren, Autos, Notenschlüssel und andere Hobby-Symbole mittlerweile so verbreitet, dass mancher Steinmetz schon Vorlagen für diese „individuellen“ Wünsche habe. Es ist eben nicht einfach, ein Gesamtzeichen für das Leben eines Menschen zu finden. Wenn man denn auf dem Grabstein den Blick auf das vergangene Leben und nicht auf ein verheißenes Jenseits richten will. Ein klares Urteil fällt Gerold Eppler, Steinbildhauer und Kunstpädagoge am Museum für Sepulkralkultur: „Da wird versucht, mit dem Grabstein einen individuellen Bezug herzustellen, aber gestalterisch sind die meisten Grabmale belanglos und banal.“

47. Muss ich jetzt unbedingt kreativ sein?
Natürlich nicht. Es kann entlasten, an Traditionen anzuknüpfen. Selbst in den „Gärten der Bestattung“, dem ersten Privatfriedhof Deutschlands in Bergisch Gladbach, wo man darf, wie man will, sind viele Angehörige zufrieden mit dem vielleicht zwei Hände großen Feldstein, den sie gestellt bekommen – sie schreiben einfach nur den Namen drauf.

48. Können Grabsprüche verunglücken?
Zumindest können manche Inschriften irritieren: „Wer hat euch Wandervögeln die Wissenschaft geschenkt?“; erschrecken: „Von seinem Leben und seinen Mitmenschen schwer enttäuscht“; schmunzeln lassen: „Meiner lieben Schnullerbacke“; anrühren: bin im Garten. Thomas“; sogar bewegen: „Hier ruht mein Urenkel, der Marcel heißen sollte“. Aber sie können auch verunglücken: „Tschüss Papa, als Opa warst du zu jung“. (Fast alle Beispiele stammen aus dem Buch „Game over“ von Thorsten Benkel und Matthias Meitzler. Hier eine Bildergalerie)

49. Doch lieber was aus der Bibel?

  • Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Au und führet mich zum frischen Wasser. (Psalm 23)
  • Du führst mich hinaus ins Weite, du machst meine Finsternis hell. (Psalm 30)
  • Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! (Jesaja 431)
  • Christus spricht: Ich lebe und ihr sollt auch leben. (Johannes 14,19)
  • Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Matthäus 28,20)
  • Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe;  aber die Liebe ist die Größte unter ihnen. (1. Korintherbrief 13,13)
  • Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. (1. Johannes 4,16)

50. Fotos auf Grabsteinen?
Immer öfter sieht man Fotos auf Grabsteinen. Nur wenige Friedhofssatzungen verbieten Fotos ausdrücklich. Meist werden Fotos geduldet. Gut, man sollte vielleicht den Kneipenhintergrund oder die anderen Leute auf dem Bild abschneiden. Interessant die Frage, aus welcher Zeit das Foto stammen soll: aus den letzten Lebensjahren? Aus den besten Lebensjahren?

51. Aber wenn jeder macht, was er will?
Auf dem privaten Friedhof „Gärten der Bestattung“ in einem Waldstück in Bergisch Gladbach gibt es eigentlich nur eine Regel: Niemand wird ohne Namen beigesetzt. Und wie nutzen die Leute diese Freiheit? Sie setzen sich Gitarren aufs Grab, einer auch eine Kobra, berichtet Friedhofsbetreiber David Roth, „ich hab da keine Affinität zu, und manches ist auch Kitsch: Es gibt hier viele Engel, auch Putten aus dem Gartenbaumarkt, ein Eichhörnchen aus Keramik … Aber das muss man aushalten. Ich vertraue darauf, dass es jeweils eine große Bedeutung für die Menschen hat. Und man kann darüber ja auch ins Gespräch kommen: Was habt Ihr da gemacht?“

52. Keine Vorschriften – und wirklich keine Konflikte?
Doch, es beschweren sich schon mal Leute über die Nachbarn, erzählt David Roth: Das Grab wird immer größer, es kommt immer näher, da sammelt sich immer mehr an! Dann versuche man, die beiden zusammenzubringen und schenke ihnen Zeit, das gehe dann schon. Und wenn jemand Bambus anpflanzen wolle, dann geht auch das – mit Wurzelsperre, damit nicht die anderen Gräber auf einmal auch Bambus haben. Manchmal ist er selbst erstaunt, was alles geht. Eine Gruppe wollte grillen. Aber, so fragte er sich, was ist, wenn gleichzeitig eine Frau den Friedhof besucht, die ihr Kind verloren hat? Andererseits: Wär’ doch schön, wenn die Gruppe die Frau fragt, wie es ihr geht. Also: Macht mal! Es gab hinterher keinerlei Beschwerden. Es hat auch niemand aufs Nachbargrab geascht. Roths Erfahrung: „Die Menschen gehen auf einem Friedhof sehr behutsam miteinander um, ganz ohne die Friedhofssatzung studiert und verinnerlicht zu haben.“ Mit all den Kunstinstallationen, verschlungenen Wegen und Wasserläufen sieht der Friedhof übrigens insgesamt harmonisch aus.

53. Warum schaut es trotzdem immer noch so uniformiert aus?
Weil man auf den Friedhöfen vor allem Gräber sieht, die vor 20 und mehr Jahren eingerichtet wurden. Nur mit geübtem Blick entdecke man die individuellen Gräber, oft sind es die Gräber von heute jung Verstorbenen, sagen die beiden Friedhofssoziologen Thorsten Benkel und Matthias Meitzler von der Uni Passau, die sich bereits über 1000 Friedhöfe allein im deutschsprachigen Raum angesehen haben.

54. Friedhof, Frauenfriedhof – was denn noch alles?
Eines der ersten Gruppengräber war das für Aidstote 1995 in Hamburg – HIV-Erkrankte hatten aus Sorge, dass ihre Angehörigen sie nicht bestatten werden, eine gemeinsame Grabstätte erworben. Anstelle der biologischen Familie übernahm eine Wahlfamilie die Totenfürsorge. Fast schon Standard auf Friedhöfen sind die Gemeinschaftsgräber für Früh- und Totgeburten, anfangs erkämpft von der Schicksalsgemeinschaft der verwaisten Eltern. Es folgten Gruppengräber für Lesben, für Verkäufer der Obdachlosenzeitung hinz + kunzt, für Anhänger von HSV und Schalke 04 oder für die Mitglieder der Genossenschaft FrauenWohnen in München. Die griffen damit übrigens auf eine sehr alte Tradition zurück: auf die Friedhöfe für Ordensfrauen.  

55. Können Bestattungswälder es besser als Friedhöfe?
Ja, leider, sagt Cordula Caspary aus Bremen, sie gehört dem BestatterInnen-Netzwerk an, ist studierte Kulturwissenschaftlerin und „eine große Freundin von Friedhöfen“. Im Bestattungswald werde den Interessierten schon bei der Baumauswahl gesagt: Ihr könnt hier Abschied nehmen, wie ihr wollt. Caspary hat dort mal so etwas wie ein Sommerfest organisiert, mit Klavier und Cocktailbar. Die Trauergäste sagten anschließend: Der Friedwald ist toll, da möchte ich auch hin! Es war aber nicht der Wald, den sie toll fanden, sagt Caspary, sondern die Kultur, die sie mit ihren Mitarbeitenden dort hingetragen hat. Auf dem Friedhof dagegen heiße es: Huch, da spielt einer Saxofon am Grab, da könnte sich jemand gestört fühlen! Aber wenn man das Leben nicht auf den Friedhof bringen könne, werde der Friedhof sterben. Man müsse sich den Friedhof doch irgendwie mit Ritualen aneignen können, diesen so fremden Ort!

56. Gibt es immer noch starrsinnige Friedhofsverwaltungen?
Ja, sagt Cordula Caspary, die nicht nur in Bremen, sondern bundesweit Bestattungen organisiert. Da dürfe man in Kapellen keine echten Kerzen anzünden wegen des Bodens. Die Bänke nicht verrücken. Nicht außerhalb der Trauerhalle feiern, wo man mehr Zeit hätte. Da werde eine Familie mit internationalen Gästen, die nur am Wochenende zusammenkommen kann und natürlich einen Aufpreis zahlen würde, brüsk abgewiesen. Neulich habe sie Krippenfiguren um das viel zu tief gegrabene Loch für eine Kinderurne gestellt und Tücher aus Naturseide ausgebreitet – da wurde sie angeblafft: Das muss raus, das ist unökologisch! Kirchliche Friedhöfe erlebe sie in der Regel offener, „vielleicht weil Christen ein Bewusstsein dafür haben, dass die Grablegung eine wichtige Handlung ist, die eine Form braucht“. Wichtiger als die Grabform ist für die Trauernden, was sie auf dem Friedhof und vor allem bei der Bestattung tun können. So jedenfalls die Erfahrung der Bremer Bestatterin: Schnürt es mir die Kehle zu – oder bin ich hier willkommen? Darf ich so sein, wie ich mich fühle? „Ich muss bei einer Bestattung auch mal ein Feuer machen können, bewacht natürlich, in einer Feuerschale“, sagt Caspary. „Es war kalt. Jeder hat ein Stück Holz ins Feuer gegeben als letzten Gruß. Man stand um das Feuer, wärmte sich und sprach miteinander.“

57. Gibt es Trendsetter unter den Friedhöfen?
Ja, einige. Zum Beispiel den Hauptfriedhof in Karlsruhe. Matthäus Vogel, der Leiter des dortigen Friedhofs- und Bestattungsamtes, hat vieles als Erster angeschoben. Was Cordula Caspary sich wünscht, bei ihm wäre es möglich: Feuerschale auf dem Friedhof, kleines Picknick, alkoholischer Umtrunk, Saxofon oder Klavier, warum nicht? Auch samstags sind umstandslos Bestattungen möglich, von ihm aus ginge es auch sonntags. Die 30-Minuten-Trauerfeiern in der Trauerhalle hat er übrigens abgeschafft. „Ich will dieses Hopphopp nicht mehr. Das macht die Kultur kaputt.“ Sie haben das alte Krematorium mit seinen Jugendstilelementen und Kapelle restauriert, nun haben sie einen zweiten Raum. Seitdem darf jede Trauerfeier 1,5 Stunden dauern. Das Hin- und Herwechseln zwischen den Gebäuden sei für die Beschäftigten eine gewisse Zumutung, aber er sage immer: „Wir kümmern uns zu 5 Prozent um Verstorbene und zu 95 Prozent um Lebende.“ Gut, das verstehe nicht jeder der rund 120 Mitarbeitenden auf Anhieb.

58. Was könnten die Friedhöfe besser machen?
Neben dem traditionellen Bereich einen mit möglichst viel Freiheit schaffen. Dazu raten die beiden jungen Friedhofssoziologen Thorsten Benkel und Matthias Meitzler. Dazu friedhofsferne Einrichtungen wie Spielplatz und Trimm-dich-Pfad. Das klinge zunächst irritierend, aber es es gäbe dann mehr Gründe, auf den Friedhof zu gehen. Man müsse Leben und Tod verbinden.

59. Wie kommt mehr Leben auf den Friedhof?
Eine Kita in die nicht mehr benutzte Kapelle! Ein Café! Orte der Stille! Ein Spazierwegsystem! Naturlehrpfad! Meditative Wiesen für Tai-Chi und besinnliches Herumliegen! So oder so ähnlich wird es mal kommen auf Europas größtem Friedhof, dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg. „Ohlsdorf 2050“ heißt das Projekt, bei dem Fachleute, Bürger und Bürgerinnen über die Zukunft dieses Friedhofs nachdenken. Hunde allerdings werden wohl nur tot willkommen sein – in einem neuen Grabfeld für Mensch-Haustier-Bestattungen. Dass so viel Leben aus dem Ruder laufen könnte, diese Sorge hat Sprecher Lutz Rehkopf nicht. „Wer durch die schweren schmeideeisernen Tore den Friedhof betritt, merkt sofort: Das ist ein anderer Raum.“

60. Beratung, ohne dass man was kaufen muss?
Die Menschen haben so viele Fragen! Das merken immer mehr Friedhöfe und richten Beratungsstellen ein. Aber ein Infocenter wie in Karlsruhe ist wohl einmalig. Hier wird man firmenneutral beraten – zu Grabarten inklusive Führung, aber auch zu Trauerfeiern. Und die lebenserfahrene Christiane Dietz, vormals Volkshochschulleiterin, redet manchen gut zu, die keine Feier wollen. „Alles wird gefeiert, sogar after work – warum verschließen wir uns dem bei der Bestattung? Es ist so wichtig, jemandem die letzte Ehre erweisen zu können! Und auch, wenn ich als Angehörige selbst nicht einstimmen kann in ein Lied, so sitzt doch hinter mir jemand, der singt.“ Großer Vorteil des Karlsruher Infocenters: Es muss nichts verkaufen. Träger ist ein Verein, das Geld kommt allerdings vor allem von der Stadt. „Weil Karlsruhe die Friedhöfe als Visitenkarte der Stadt versteht“, sagt Dietz. Als eine ganz besondere Einrichtung für Trauernde. Und nicht als Klotz am Bein.

61. Muss ein Leichnam wirklich so schnell unter die Erde?
In den meisten Bundesländern können Verstorbene 36 Stunden zu Hause bleiben, bevor sie in einen gekühlten Raum gebracht werden müssen. Wann dann aber die Beisetzung stattfindet, dafür gibt es oft nur Soll-Vorschriften. Gut zu wissen: Die Bestattungsfirma kann Verlängerung beantragen. Damit die Klassenfahrt noch zu Ende gehen, die Tochter aus dem Ausland anreisen kann und die Hauptleidtragenden mehr Zeit haben.  Eine Beerdigung nach drei, vier Tagen – da sei der Tod irreal, sagt David Roth, Bestatter und Trauerbegleiter aus Bergisch Gladbach. „Wir bahren so lange auf, natürlich zwischendurch gekühlt, bis die Menschen ihre Toten abgeben können.“

62. Knifflige Frage: Urne oder Sarg?
Vorteil Urne: Das Grab ist günstiger. Und mit einer Urne plus den 3 oder 3,5 Kilos, die nach der Einäscherung von einem Menschen bleiben, kann man überall die Trauerfeier halten – auch bei einem Spaziergang um den See, wie es Bestatterin Caspary erlebt hat: Jeder trug die Urne ein Stück, der Pastor hielt immer wieder inne und sagte etwas. So ging man die Lieblingsspazierstrecke der Verstorbenen ab. Bundesweit werden heute zwei Drittel der jährlich rund 900.000 Toten in Deutschland eingeäschert, in Großstädten oft sogar an die 80 Prozent. Nikolette Scheidler, Bestatterin in Frankfurt, hat aber den Eindruck, dass die Tendenz wieder zur Erdbestattung geht, durchaus auch bei jungen Leuten. Wie auch immer man sich entscheidet, man sollte die Angehörigen mit einbeziehen, sagt Christiane Dietz vom Infocenter in Karlsruhe. „Sonst zanken sich die erwachsenen Kinder darüber, ob sich die Mutter einäschern lassen wollte oder auf gar keinen Fall.“

63. Alles Asche oder doch nicht?
Nach der Einäscherung finden sich in der Asche auch ausgeglühte Knochenstücke. Da sie zu groß sind für die Urne, werden sie in der Aschemühle gemahlen, erklärt Roland Hartmann, Betriebsleiter der Feuerbestattungen Diemelstadt in Nordhessen. Große Metallimplantate wie künstliche Hüft- und Kniegelenke werden vorher aussortiert – der Erlös aus der Wiederverwertung werde komplett gespendet, zum Beispiel an Hospizgruppen. Das Krematorium in Diemelstadt verteilt so im Schnitt 100.000 Euro pro Jahr. Zahn- und Schmuckgold komme bei ihnen selbstverständlich in die Urne, sagt Hartmann. Verwechselt werden kann Totenasche übrigens nicht: Mit in den Sarg und später in die Urne kommt ein feuerfester Schamottstein mit der Einäscherungsnummer. In Diemelstadt wie in vielen anderen Krematorien dürfen Angehörige während des gesamten Einäscherungsprozesses anwesend sein.

64. Urne nach 20 Jahren vergangen?
Urnen aus Keramik, Granit oder Marmor verrotten nicht, Urnen aus Kupfer oder Bronze nur schwer. Dass es für Urnen trotzdem ähnlich lange Ruhefristen gibt wie für Erdsärge, ist letztlich symbolisch gemeint. Findet sich bei der Neubelegung eines Grabs im Boden eine erhaltene Urne, so bestatten die Friedhofsmitarbeiter sie entweder tiefer oder mit anderen „abgelaufenen Urnen“ an einer etwas abgelegenen Stelle des Friedhofs. Viele Friedhöfe schreiben mittlerweile vergängliche Urnen vor – also ein vergängliches Material sowohl für die innere Aschekapsel wie auch für die Überurne, oft Schmuckurne genannt.

65. Was bietet der Friedhof?
Für die Toten: ein Zurück in eine überindividuelle Gemeinschaft. Das kann bei aller Individualisierung auch tröstlich sein. Für die Lebenden: ein von der Restwelt abgegrenztes Areal, das im besten Fall Besinnung ermöglicht. Aber der Friedhof ist auch ein Ort des Lebens, sagt Soziologe Thorsten Benkel, errichtet von den Lebenden für die Lebenden, damit die Toten einen Platz in ihrer Mitte haben.

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Vielen Dank für Ihren langen Artikel rund um die Bestattung ! Wenn man schon alt ist, beschäftigt einen das immer wieder.
Besonders zur Frage Sarg oder Urne würde ich mich über weitere Betrachtungen freuen, denn ich bin da selber noch ganz unentschlossen - der eigene Tod ist auch mit 70 noch sehr unvorstellbar ! Ich möchte meinen Nächsten die Entscheidung ersparen, mindestens erleichtern. Denn letztlich betrifft es dann mich ja nicht mehr, nur die, die -hoffentlich- noch an mich denken.
Ebenso ist für mich der Bestattungsort ein Problem. Im Grab meiner Eltern in Norddeutschland wäre noch Platz für eine Urne. An meinem Wohnort bei München hätte ich nach 40 Jahren Wohndauer wohl Anspruch auf ein Grab. Aber hier ist nicht so richtig meine "Heimat", was immer das ist. Und meine Lebensgefährtin hat keinen Bezug zu keinem der beiden Orte, weiß selber nicht wo und wie sie bestattet werden möchte. Meine Tochter lebt in Berlin, auch an keinem der beiden für mich naheliegendsten Orte.
Was raten Sie oder andere ?

Antwort auf von Name der Redak… (nicht registriert)

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Da kann man nur raten, in Sich zu gehen, zu erkennen, dass man nur als Lebender für sich selbst eine Bedeutung hat. Eine Bedeutung, die man zu haben glaubt, wenn die Erde uns deckt, ist pure Illusion. Ebenso ist nicht bewiesen, dass unsere Seele, was auch immer sie sein mag, nach dem Ableben (was für ein eigenartiges Wort!) umhergeistert und kontrolliert, ob auch die Kinder die Gräber pflegen und in Gedenken freudig oder zerknirscht erstarren. Eine Bedeutung haben allenfalls die Taten und Werke, die man als Lebender getan oder auch nicht getan hat. Und selbst dieses Andenken verblasst sehr schnell. Dem Dahingeschiedenen (was für ein schönes Wort!) ist die Bedeutung keinen Deut wert. Was nutzt dem Verblichenen (war die UV-Strahlung die Ursache für seinen tödlichen Farbverlust?) die Anerkennung oder Wiedererkennung der Friedhofsbesucher? Und dennoch, auch alle irdischen bzw. erdischen Endlos-Illusionen (Ruhezeit 15-25 Jahre) müssen vorher als Steine oder Kleingrundstücke bezahlt werden. So ist es also! Auch Illusionen kosten noch Geld, auch wenn man ihrer nicht mehr gewahr wird.

Antwort auf von Name der Redak… (nicht registriert)

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Lieber Leser,

schwierige Frage, in der Tat. Haben Sie das Thema schon mal mit Ihrer Tochter besprochen? Wäre es ihr wichtig, ein Grab an einem bestimmten Ort zu haben? Sie wird ein bisschen Zeit brauchen fürs Nachdenken, also besser ein paar Mal darüber sprechen.

Ich selbst dachte auch zuerst, dass es mir völlig wurscht ist, was mit meinen Überresten mal passiert. Dann merkte ich: So ganz egal ist es mir auch nicht. Für die weit verstreute Familie wäre der Ort wohl uneheblich, aber mir selbst wäre - heute! - an einem letzten Ort gelegen. Ich  könnte mir vorstellen, auf einem schönen Friedhof in einem gärtnerisch gestalteten Gemeinschaftsgrab zu liegen, ob nun mit eigenem Grabstein oder nur mit dem Namen auf einer gemeinsamen Stele. Vielleicht wäre doch Berlin der richtige Ort für Sie, weil da Ihre Tochter lebt? Das erste Foto im chrismon-Heft wurde von der schönen Anlage "Garten der kleinen Ewigkeit" auf dem evangelischen Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in Berlin-Schöneberg gemacht. Da können sich sicherlich auch Ortsfremde bestatten lassen. Ansonsten, ja, bliebe das Grab der Eltern. Eigentlich auch keine schlechte Idee, auch wenn das in Hamburg ist. Vielleicht dient Ihnen das ein wenig als Anregung fürs Weiterdenken?

Herzliche Grüße
Christine Holch
Redaktion chrismon

 

 

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Guten Tag!
Ihre umfangreichen Ausführungen über Bestattungsmöglichkeiten waren sehr interessant. Was Sie gar nicht erwähnten, war die seit Jahren bestehende Möglichkeit, in Grabeskirchen oder Kolumbarien beigesetzt zu werden. In Mönchengladbach gibt es allein vier umgewidmete Kirchen, die sehr würdige Urnennischen anbieten.

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Zum Wissen, was zu einem paßt, gehört das Bewußtsein. Es gibt nicht Wenige, die behaupten, dass die oder die Farbe nicht zu ihnen paßt. Bei krummen Beinen und kurzen Röcken habe ich dafür Verständnis. Aber wenn die Erde an uns nagt zu hoffen, dass das "Umfeld" (wie passend der Begriff!) mir zusagt oder nicht, dafür fehlt mir jedes Vorstellungsvermögen. In einer Zeit der materiellen Umwandlung entzieht sich die Vorstellung eines realistischen Bewußstsen jeder Phantasie. Und dennoch, wer glaubt, dass er auch auf dem Friedhof für alle Zeiten seine irdische Wohlfühlathmosphäre konservieren kann, dem sollte der Glaube nicht genommen werden.

Gut, dass die von allen Seiten so geschätzten gesellschaftlichen Verhältnisse nachhaltig dafür sorgen, dass der Normalmensch wenig Grund hat, sich wohlzufühlen. Und auf dem Friedhof gehören sich solche verwerflichen Ambitionen schon zweimal nicht.

Früher sollte das Jenseits immerhin noch die Entschädigung bieten für die sehr wirkungsvoll vorenthaltenen Freuden des Diesseits. In modernen Glaubensausprägungen ist aber Schluss selbst mit diesem kümmerlichen Anspruchsdenken.

Sepp Stramm

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"Als Mensch anfing seine Toten zu bestatten, wurde Mensch zum Mensch." (unbekannter Anthropologe)
Als Mensch aber anfing auch daraus ein GESCHÄFT zu machen, war alles für'n Arsch, bzw. war der irrsinnige Kreislauf des geistigen Stillstandes seit der "Vertreibung aus dem Paradies" bis zum nun "freiheitlichen" Wettbewerb MANIFESTIERT.

Wenn man heute über einen Friedhof läuft, dann denkt man (wenn man seinen Verstand noch im Griff hat!): Das bewusstseinsbetäubte Protzen der Eigenheime und anderen Statussymbole hört nie auf der "Tanz um das goldene Kalb" zu sein.

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