Gibt es das – die Strafe Gottes?
Die Zuwendung Gottes zu den Menschen wird nicht durch Wohlverhalten und Gesetzestreue "verdient"
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
07.08.2013

Mit verwegenen Äußerungen hielt er selten hinter dem Berg. Pat Robertson, amerikanischer Fernsehprediger mit Nähe zur Republikanischen Partei, urteilte über Israels Ministerpräsident Ariel Scharon, der im Januar einen schweren Schlaganfall erlitten hatte: Das ist die Strafe Gottes dafür, dass Scharon den israelischen Abzug aus dem Gazastreifen angeordnet hatte. Dies sei nun einmal Gottes Land, das dürfe niemand hergeben. Es dauerte nicht lange, da hagelte es weltweit Proteste, und Robertson musste sich für seine eigensinnige Interpretation entschuldigen.

"Gottesstrafen" waren für den Fernsehprediger auch die Terroranschläge vom 11. September – Strafen für die Abtreibungen in Amerika. Ähnliche Argumentationen hörte man über Jahre hinweg gelegentlich im Zusammenhang mit Aids. Mehrere katholische Kirchenführer bezeichneten Aids als eine Strafe Gottes und schlugen einen Bogen zur Homosexualität.

Moralisten nehmen sich gern ein Vorbild an den teilweise harschen Aussagen des Alten Testaments. Sie lassen dabei außer Acht, dass es auch ganz andere Schlüsselbegriffe gibt, die Gottes Verhalten gegenüber den Menschen beschreiben: Gnade, Güte, Liebe zum Beispiel. Aus dem Buch Jesaja entnehmen sie stattdessen, dass ein eifersüchtiger Gott den Götzendienst des Volkes mit dem Tod bestraft: "Die sollen ein Rauch werden in meiner Nase, ein Feuer, das den ganzen Tag brennt." (Jesaja 65, 5). Was noch schlimmer ist: Die Strafen treffen nicht nur die Übeltäter, sondern auch ihre Familien. Dass Gott die Menschen für ihr unmoralisches Tun und für den Glaubensverlust hart bestraft, ist im Alten Testament vielfach belegt.

Paradoxerweise bringt die Rede von der Gottesstrafe für viele Menschen psychische Entlastung. Naturkatastrophen, folgenreiche Unfälle, der Tod von Angehörigen bekommen auf diese Weise eine spezielle Bedeutung. Sie verlieren ihre unerträgliche Sinnlosigkeit. Selbst wenn das eigene Leiden groß ist, erscheint es ein wenig erträglicher, wenn es als Buße für eigenes Fehlverhalten verstanden werden kann.

Martin Luther zögerte nicht, bei Verstößen gegen die zehn Gebote eine breite Palette von Strafen Gottes in Aussicht zu stellen, doch hatte sich der Akzent schon erkennbar verschoben. Bei Luther steht nicht mehr der eifersüchtige und zornig strafende Gott im Vordergrund, sondern er bringt mehr und mehr die Lebenserfahrung der Menschen ins Spiel. Gesetzeswidriges Handeln zahlt sich nicht aus – so argumentiert der Reformator.

Gottes Güte ist unerschöpflich

In der christlichen Bibel bleibt die Ankündigung eines Gerichts zwar bestehen. Doch die Zuwendung Gottes zu den Menschen wird nicht mehr durch Wohlverhalten und Gesetzestreue "verdient", sondern sie ist sein freies Geschenk. Diesen Wechsel der Blickrichtung kann man gar nicht genug betonen. Gottes Güte ist unerschöpflich. Sie kommt allen zugute, die an ihn glauben.

Galt im jüdischen Glauben: Wer Gottes Gebote erfüllt, wird im Gericht bestehen, so betonen die christlichen Evangelien, dass Jesus stellvertretend für alle Menschen den Tod auf sich genommen hat. Gott kann deshalb den Menschen, die an Jesus Christus glauben (die also annehmen, was er für die Menschen getan hat), vergeben und sie von ihrer Schuld freisprechen. Ein unausweichliches, ein konsequentes Strafenkonzept Gottes gegenüber den Menschen ist damit überflüssig geworden.

Sicherlich steht es jedem frei, leidvolle Erfahrungen als Anstoß zum Nachdenken darüber zu betrachten, ob er in seinem Leben etwas ändern sollte. Doch eine gezielte Strafaktion Gottes darin zu sehen, ist eine hoch hypothetische Angelegenheit, die sich mit anderen Kernaussagen des Neuen Testaments auch nicht in Übereinstimmung bringen lässt.

Pat Robertsons Versuch, Krankheiten und Terror als Strafen Gottes zu erklären, führt auch theologisch in die Irre. Im Tod durch Terror etwas Gutes, nämlich einen erzieherischen Effekt zu sehen, ist zynisch. Und woher will Robertson eigentlich wissen, welche Pläne Gott mit den Menschen hat? Gott ist – wie der evangelische Theologe Fulbert Steffensky einmal sagte – immer anders, als ihn sich die Menschen vorstellen.

Permalink

So ganz Unrecht hat Pat Robertson sicherlich nicht.
Was würde denn geschehen wenn Gott niemanden mehr zurechtweisen würde?

Permalink

Eine Predigt in der Paulusgmeinde Bremen (11.09.2022) von Mrakus Zobec hat mich dazu inspiriert mich mehr mit dem Thema der Strafe Gottes auseinander zu setzen. In der Predigt wird Hebräer 12, 1-11 zugrunde gelegt. Darin heißt es unter anderem:
4 Ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden im Kampf gegen die Sünde
5 und habt den Trost vergessen, der zu euch redet wie zu Kindern (Sprüche 3,11-12): »Mein Sohn, achte nicht gering die Zucht des Herrn und verzage nicht, wenn du von ihm gestraft wirst.
6 Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er, und er schlägt jeden Sohn, den er annimmt.«
7 Es dient zu eurer Erziehung, wenn ihr dulden müsst. Wie mit Kindern geht Gott mit euch um. Denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt?
8 Seid ihr aber ohne Züchtigung, die doch alle erfahren haben, so seid ihr Ausgestoßene und nicht Kinder.

Mir scheint also: Gott züchtigt noch heute. Er weist zurecht. Es ist Teil seiner liebevollen Erziehung.
Schwer fällt hier allerdings die Bewertung: Was ist Züchtigung und wenn etwas eine Züchtigung ist 'wohin' soll sie erziehen?
Ich stimme daher aus tiefstem Herzen zu: "Sicherlich steht es jedem frei, leidvolle Erfahrungen als Anstoß zum Nachdenken darüber zu betrachten, ob er in seinem Leben etwas ändern sollte. Doch eine gezielte Strafaktion Gottes darin zu sehen, ist eine hoch hypothetische Angelegenheit, [...]."
Strafe oder Züchtigung lässt sich aber durchaus mit Aussagen des Neuen Testaments in Beziehung setzen und wird nicht ausgeschlossen.

"Pat Robertsons Versuch, Krankheiten und Terror als Strafen Gottes zu erklären, führt auch theologisch in die Irre. Im Tod durch Terror etwas Gutes, nämlich einen erzieherischen Effekt zu sehen, ist zynisch." - volle Zustimmung
"Und woher will Robertson eigentlich wissen, welche Pläne Gott mit den Menschen hat?" - Hier beginnt auch meine Frage: Gibt es übergreifende Eigenschaften, an denen sich ein Schicksalsschlag von einer Erziehungsmaßnahme Gottes unterscheiden lässt?

Platt zu behaupten "Gott ist – wie der evangelische Theologe Fulbert Steffensky einmal sagte – immer anders, als ihn sich die Menschen vorstellen." klingt für mich nach einer fatalistischen Einstellung und einem Fehlen von Fragen an Gott und die Bibel. Ja, Gott ist anders als wir denken. Aber da sollten wir nicht stehen bleiben, sondern genauer hinschauen.

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Roller aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.