Cindi Jacobs
Neues über Jesus von Nazareth
Gibt es das überhaupt noch? Unbedingt!, findet Annette Merz, Theologieprofessorin in Groningen und international anerkannte Jesusexpertin. Sie wälzt Quellen rauf und unter und weiß: Irgendeine Erkenntnis bleibt immer für die Nachwelt hängen. Zum Beispiel, dass man von Juden viel über Jesus lernen kann
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
21.03.2017

Schon die allerersten Christen hätten sich nicht für den Menschen Jesus von Nazareth interessiert, behauptet der bärtige Mann mit der Baskenmütze. Für sie sei Jesus Christus eine mythische Figur gewesen, Protagonist in einem kosmologischen Drama. Nein, Jesus habe nie gelebt. Erst nachträglich hätten die Evangelisten sein Leben erdichtet.

Annette Merz hört sich das in Ruhe an. Sie ist auf Sendung bei „History Live“, ausgestrahlt vom Fernsehsender Phoenix. Thema: „Jesus – Mythos und Wahrheit“. Man findet die Sendung auf Youtube.

Hat Jesus nun gelebt? „Beweisen kann man das nicht“, sagt die Professorin. „Aber die Wahrscheinlichkeit, dass er eine historische Person war, ist um viele Male höher als die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein mythologisches Wesen handelt.“

Welcher Erlöser stolpert denn ahnungslos in seinen Erlösungstod hinein?

Annette Merz kennt alle Fakten so genau wie nur wenige auf der Welt: Was man weiß, was wahrscheinlich ist, was ganz und gar unmöglich. Aber früher, vor 30 Jahren, haben solche Zweifel über Jesus von Naza­reth sie in eine Krise gestürzt. Nicht die wilden Thesen des Theologen Hermann Detering, dem Mann mit der Baskenmütze. Über sie schütteln die meisten Fachleute den Kopf. Aber fast alle sagen auch: Niemand kann wissen, wer Jesus wirklich war.

Das Jesusbild, mit dem Annette Merz 1985 ins Theologiestudium nach Müns­ter gekommen war, hatte sie aus dem Konfirmandenunterricht in der evangelischen Diasporagemeinde von Wadersloh im Münsterland, wo sie aufgewachsen ist: Jesus ist der Mann, der als Erlöser ans Kreuz geht. So besingen ihn auch viele Choräle, die sie bei Orgelvertretungen in Gottesdiensten begleitete. Doch plötzlich, im Theologiestudium, hieß es: Die Evangelisten haben die Leidensankündigungen aus theologischen Gründen in ihre Evangelien eingefügt. Jesus habe seine Passion gar nicht voraussehen können. – Was soll das für ein Erlöser sein, der ahnungslos in seinen Erlösungstod hineinstolpert?

Nach vier Semestern in Münster wechselte sie an die Uni Heidelberg, wo sie Professoren wie Klaus Berger, Christoph Burchard und Rolf Rendtorff begegnete, passionierten Lehrern und Erforschern des Neuen und Alten Testaments. Und Gerd Theißen. Der Neutestamentler wollte der Jesusbewegung mit Methoden der Soziologie auf die Spur kommen. Wegen seines Jesusromans „Im Schatten des Galiläers“ war er bereits ein bekannter Autor. In dem Roman erzählt Theißen vom jüdischen Kaufmann Andreas, der für die Römer neue religiöse Bewegungen ausspionieren soll. Er trifft auf Leute, die einem Jesus von Nazareth nachfolgen. Ein frei erfundener Plot, mit dem Theißen die Leser auf den Stand der Jesusforschung brachte.

Theißen wurde Annette Merz’ Lehrer. Sie arbeitete ihm als wissenschaftliche Hilfskraft zu. Nach ihrem Examen – sie hatte noch nicht mal mit ihrer Disserta­tion begonnen – schrieb sie gemeinsam mit Theißen ein Lehrbuch: „Der historische Jesus“, heute ein Standardwerk. Theißen wurde ihr Doktorvater.

Nach zwei Jahren sprang sie aus dem deutschen Uni­system ab

2001 promovierte sie über späte Briefe des Neuen Testaments, die „Pastoralbriefe“, deren Autoren unter dem Pseudonym des Apostels Paulus schreiben, die Gedanken des echten Paulus aber umdeuteten. Wie sie Frauen die Rechte in den Gemeinden nahmen, Juden verdammten und Sklaven zu Gehorsam verdonnerten. Mit jedem Jahrzehnt nach seiner Kreuzigung verblassten die Impulse des Jesus von Naza­reth mehr und mehr. – Die Universität Heidelberg verlieh ihr einen Preis.

Annette Merz recherchierte auch über Carl Schneider, einen Professor für Neues Testament und Religionsgeschichte in Riga und Königsberg während der 1930er Jahre. Er hielt Jesus für eine mythische Figur – wie Detering, der Mann mit der Baskenmütze – und das Christentum für eine antijüdische Bewegung von Anbeginn. Nach 1945 propagierte Schneider, noch immer Antisemit, seinen unjüdischen Jesus weiter. Mitte der 1970er bekam er das Bundesverdienstkreuz. Seine neue Heimatstadt Speyer verlieh ihm eine Ehrenmedaille.

Als Frauenbeauftragte der Uni Heidelberg beobachtete sie Habilitationsverfahren, den Flaschenhals, den Nachwuchsgelehrte passieren müssen, wenn sie hauptberuflich forschen und lehren wollen. Verfahren, in denen wenige Professoren die Daumen heben oder senken, manchmal aus politischen Gründen. Nach zwei Jahren nutzte Merz die Gelegenheit zum Absprung aus dem deutschen Uni­system und machte Karriere in Utrecht, von einer Jungdozentin zur Stiftungsprofessorin.

Sie erforschte Jesu Lebenswelt am See Genezareth und beschrieb sie als Teil einer globalisierten Welt. „In Rom aß man Fischsoße aus Magdala. Gleichzeitig war diese Welt auch so beschränkt, dass die Menschen dort ihren kleinen See ‚das Meer von Galiläa‘ nannten.“ Sie untersuchte auch den Brief des Mara bar Sarapion auf seine ­Echtheit, eines syrischen Stoikers, der darin Jesus den weisen König der Juden nennt. Längst ist sie eine international anerkannte Expertin.

Der Stern von Bethlehem? Da war nichts

Tolbert, ein Wohnvorort bei Groningen. In einem winkeligen Einfamilienhaus in einer ruhigen Siedlung leben Annette Merz und ihr Mann. Ende 2013 wurden die Theologischen Fakultäten in Leiden und Utrecht innerhalb von anderthalb Jahren geschlossen. „Niederländer haben keine Angst vor Veränderungen“, sagt Merz mit einer Mischung aus Anerkennung und Bedauern. „Leiden und Utrecht hatten bedeutende Fachbereiche mit langer Tradition.“ Sie selbst hatte Glück und folgte 2014 einem Ruf der Protestantisch-Theologischen Universität in Groningen, die Pastorinnen und Pastoren aus- und weiterbildet und ein Zentrum theologischer Forschung in den Niederlanden geworden  ist. Die Uni ko­operiert mit der Reichsuniversität von Groningen, an der ihr Mann lehrt: Astronomie.

Da haben sich zwei Vernunftmenschen gefunden: Sie späht das antike Schrifttum nach dem historischen Jesus aus; er sucht den Himmel nach Zwerggalaxien ab. Und während andere niederländische Astronomen noch immer über den Stern von Bethlehem brüten, sind sich Merz und ihr Mann einig: Da war nichts. Die Weihnachtsgeschichten sind Legenden. „Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen“, heißt es im 4. Buch Mose 24,17. Die Geburtsgeschichte entstand aus Prophetensprüchen wie diesen. Die Weisen aus dem Morgenland sind literarische Figuren, Gegenspieler zum König Herodes, der dem biblischen Pharao nachgebildet ist.

Der niedrige Keller des Hauses ist ihre Forscherhöhle. Hier wälzt sie immer wieder dieselben Quellentexte. Auf allzu viele können Historiker nicht zurückgreifen: das Neue Testament, einige christliche Schriften, die nicht ins Neue Testament aufgenommen wurden, eine Handvoll Passagen bei nichtchristlichen Schriftstellern und jüdisches Schrifttum aus der Zeit Jesu. Hinzu kommen Vergleichstexte aus der rabbinischen Tradition. So viel ist inzwischen allen Experten klar: Jesus war Jude. Und er lässt sich nur aus dem Judentum des ersten Jahrhunderts verstehen.

"Jeder sagt Jesus das nach, was er selbst für ethisch richtig hält"

Was lässt sich noch über Jesus sagen? Er war ein Schüler Johannes’ des Täufers, trat kurze Zeit als jüdischer Lehrer, Wundertäter und Endzeitprophet auf und wurde um das Jahr 30 unter Pontius Pilatus gekreuzigt. Seine ­Jünger, fromme Juden, glaubten daran, Gott werde die Gerechten zu neuem Leben auferwecken. Das Neue an ihrem Glauben: Der zu Unrecht gekreuzigte Jesus von Nazareth ist bereits auferweckt worden.

Auf dieses dürre Gerüst von Fakten können sich die Forscher einigen. Seit Albert Schweitzers Buch über die „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung“ von 1906 steht alles Weitere unter dem Verdacht, ein Fantasieprodukt der Historiker zu sein. „Schweitzer zeigte, dass jedes der liberalen Jesusbilder genau die Persönlichkeitsstruktur aufwies, die in den Augen ihres Verfassers als höchstes anzustrebendes, ethisches Ideal galt“, so fassten es Theißen und Merz in ihrem Lehrbuch zusammen.

Nicht einmal dieses Lehrbuch sei frei von solchen Projektionen, lästert Hermann Detering. Ihr basisdemokratischer, herrschaftskritisch-emanzipatorischer, antipatriarchalischer, ökonomie- und familien­kritisch gewaltloser Jesus spiegele den bundesrepublikanischen Zeitgeist wider.

„Unser Verständnis Jesu wächst mit unseren Konflikten“, entgegnet Annette Merz auf solche Kritik. „In der Auseinandersetzung mit dem Antijudaismus haben wir auf die jüdischen Elemente in der Ver­kündigung zu achten gelernt. Der Feminismus hat uns gelehrt, mehr auf die Frauen im Umfeld Jesu zu schauen.“

Längst nicht alle Ergebnisse der Jesusforschung erweisen sich als haltbar, sagt sie

Merz scheut sich auch nicht, Jesus zu kritisieren. Er wählte zwölf Jünger, die Israels Neuanfang symbolisieren. „Zwölf Männer!“, sagt sie. „Das könnte man ihm vorwerfen.“ In der Begegnung mit einer syrophönizischen Frau (Markus 7,24–30) lege Jesus auch Fremdenfeindlichkeit an den Tag: Er geht ins Gebiet von Tyrus. Eine Griechin aus Syrophönizien bittet Jesus, den Dämon ihrer Tochter auszutreiben.

Jesus weist sie ab: „Lass zuvor die Kinder satt werden“ – gemeint ist: Erst sollten die Juden von Jesus profitieren, „denn es ist nicht recht, dass man den Kindern das Brot nehme und werfe es vor die Hunde“ – hier denunziert Jesus die Fremden, die Heiden, als Hunde. Doch die Syrophönizierin lässt sich nicht beleidigen. Sie streitet mit Jesus: „Herr, aber doch essen die Hunde unter dem Tisch von den Brosamen der Kinder.“ Jesus gibt sich geschlagen und heilt das Kind. Es ist die einzige Erzählung, in der Jesus im Streitgespräch unterliegt.

Längst nicht alle Ergebnisse der Jesusforschung erweisen sich als haltbar, sagt Annette Merz. „Aber aus jeder ihrer Epochen bleibt etwas für die Nachwelt hängen.“ David Friedrich Strauß beschrieb 1835, wie die frühe Kirche Jesus mythisch überhöhte. Johannes Weiß zeigte 1892, wie sehr Jesus den Anbruch des Gottesreiches erwartete. Ein anderer Theologe, Joa­chim Jeremias, hatte als Kind in Jerusalem gelebt und konnte erklären, wie sich Jesu Lebenswelt in seinen Gleichnissen widerspiegelt. Gerd Theißen beschrieb Jesus und seine Jünger als Wandercharismatiker. Die Erfahrung der Studentenbewegung hatte Theißen dafür sensibilisiert, dass auch ­Jesus Teil einer Bewegung war.

„Jesus hatte vielleicht keine emanzipa­torische Agenda“, sagt Annette Merz. „Aber er predigte, dass alle Juden zum jüdi­schen Volk gehören, auch die Verachteten. Er forderte auf, sie fair zu behandeln. Und er ermächtigte die, die am Rande stehen.“

Luther und Jeremias – beide gehen an Jesu Aussage vorbei

Kann man heute noch Neues über Jesus entdecken? Ja, glaubt Annette Merz. Derzeit erforscht sie die Gleichnisse Jesu. Eine Kollegin aus Utrecht gibt die erste vollständige kritische Edition frührabbinischer Gleichnisse heraus. Annette Merz vergleicht sie mit Jesu Gleichnissen. „Die Rabbiner haben einen Sprachcode. An ihm entlang muss man die Gleichnisse ent­ziffern. Reale Schafe verirren sich nicht, wohl aber die Schafe in den Gleichnissen – wie menschliche Sünder.“ Merz erkennt gemeinsame Erzählmuster bei Rabbinern und Jesus. Sklave und Arbeiter stehen für die Gläubigen in Israel, die Herren für Gott.

In einem Gleichnis erzählt Jesus: Ein Hausherr stellt morgens Tagelöhner für einen Silbergroschen ein. Um neun, zwölf und drei Uhr stellt er weitere ein, stets für einen Silbergroschen. Auch wer erst um fünf Uhr nachmittags dazukommt, erhält diesen Lohn. Darüber murren diejenigen, die seit dem Morgen arbeiten. Der Eigentümer des Weinbergs antwortet einem von ihnen: „Bist du nicht mit mir einig ge­worden über einen Silbergroschen?“

Für Martin Luther war die Gerechtigkeit des Weinbergbesitzers nur etwas fürs Himmelreich. Auf Erden müsse Lohngerechtigkeit herrschen. Der Neu­testamentler Joachim Jeremias nannte den klagenden Arbeiter „werkgerecht“; er wolle aufgrund seiner Leistung gut vor Gott dastehen. Doch beides gehe an Jesu Aussage vorbei, sagt Merz. Das Gottesreich, von dem die Gleichnisse erzählen, soll auf Erden anbrechen. Und seinen Zuhörern sagt Jesus: Für alle ist genug da, wenn sich alle mit dem begnügen, was zum Leben reicht – und es den anderen auch gönnen.

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Frau Merz spricht mir aus der Seele!
Jesus kann eigentlich nur aus jüdischer Sicht verstanden werden. Ich möchte dazu auf Bücher von Pinchas Lapide verweisen: "Der Jude Jesus" und "Auferstehung, ein jüdisches Glaubenserlebnis". Zur Sühne- und Opfer-(Erlösungs) theologie möchte ich anmerken, dass sich Jesus als der sieht, der für die "verlorenen Schafe des Hauses Israel" gekommen ist und nicht als das Opferlamm, das zur Versöhnung der Menschen mit Gott, den blutigen Kreuzestod auf sich genommen hat.Und das auch noch aus "freiem Willen". Paulus war es doch, der als Erster die Sühne- und Opfertheologie entwickelt hat, aufgrund seines Gottesbildes. Ein am Stamm gehängter ist ein von Gott verfluchter! (5.Mose 21,23). Und so hat Paulus diesen Jesus für uns zum Fluch gemacht. (Gal.3,10-14) Diese Theologie hat aber die lebensbejahende Botschaft Jesu leider schon in der Frühzeit bis zum heutigen Tag verdunkelt.! Da wünschte ich mir in unseren Kirchen ein offeneres Bekenntnis zur Botschaft dieses Jesus von Nazareth, nämlich: lasst die Kinder zu mir kommen- das Himmelreich ist mitten unter Euch- oder das Gleichnis vom barmherzigen Vater- und es gäbe noch so viel! So wird dieser Jesus dann auch für mich zum Christus!

Volker Fritzsche, München

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Wieder einer der unzähligen Artikel, in dem der Glaube den Fakten nicht folgen darf. "Der Mann mit der Baskenmütze" heißt Hermann Detering, war evangelischer Theologe und ein weitaus versierterer und v.a. neutralerer Kenner und Beurteiler der Historizität Jesu (und auch des Paulus) als die Frau mit der Brille. Warum? Historische Fakten lassen sich nun einmal nur mit Wahrscheinlichkeiten abbilden, allerdings liegen diese eindeutig auf Seiten der Nicht-Historizität; denn 1) zieht man von den märchenhaften biblischen Geschichten der Evangelien die Wundergeschichten ab (wer glaubt schon, dass sie real sind), bleibt ein unbedeutender Niemand namens Jesus, wie es heute Tausende Müller gibt. 2) Nimmt man die 6 außerbiblischen Nennungen zu Jesus (Flavius Josephus, Tacitus, Plinius d. J., Sueton, Mara bar Serapion und Thallus), stellt man leicht fest, dass es sich um Einschübe, Fälschungen etc. handelt und 3) wo waren eigentlich all die anderen Zeitzeugen (siehe die John Remsburg-Liste)? Das 1. Jahrhundert wurde von vielen Zeitzeugen detailliert beschrieben, allerdings fehlen jegliche Erwähnungen zum "Beben der Erde", dem Aufstehen der Toten aus den Gräbern und gar irgendeine Erwähnung eines Heilsbringers Jesu. Wann werden wir endlich diese biblischen Geschichten bzgl. Historizität und Wahrheitsgehalt gleichsetzen mit Grimms Märchen?

Es ist nicht ohne Interesse, wer bei der Frage der Historizität um eine Nasenlänge voraus ist. Hänsel und Gretel einerseits oder der Gottessohn und die Gottesmutter andererseits.

Entscheidender scheint mir allerdings zu sein, dass für den Glauben an Jesus viel Werbung gemacht wird, für den Glauben an Hänsel eher nicht. Das hat Gründe und Folgen. Die wenigsten davon können einen froh stimmen. Die Hänsellogie wäre dann noch einmal ein eigenes Thema.

Traugott Schweiger

Antwort auf von Traugott Schweiger (nicht registriert)

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... es ist eigentlich keine Frage, wer bzgl. Historizität um irgendeine Nasenlänge voraus liegt ("Hänsel und Getel" oder "Gottessohn und Gottesmutter"). Beide Erzählungen liegen bzgl. ihres Wahrheitsgehalts nunmal exakt gleichauf! Es wäre daher zumindest ein Anfang, wenn Autoren auf tendenziöse Beschreibungen wie "wilde Thesen" und "Mann mit der Baskenmütze" verzichteten während sie gleichzeitig Frau Prof. Dr. Merz in den Himmel loben ("...kennt alle Fakten so genau wie nur wenige auf der Welt"). Es muss immer wieder konstatiert werden, dass Theologie nicht mal im Ansatz eine Wissenschaft ist, da sie das Forschungsergebnis (z.B. Historizität von Jesu Existenz, Jungfrauengeburt, Auferstehhung, und, und, und...) nie in Zweifel ziehen darf, somit nicht ergebnisoffen ist. Leider eine Schande für unsere Universitätslandschaft....

Antwort auf von Charles Dawton (nicht registriert)

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Nein, so kann man die Theologie gerade nicht sachgerecht kritisieren. Nirgendwo ist in der zeitgenössischen Theologie der Zweifel verpönt. Ganz im Gegenteil. Da gibt es sogar einen richtigen Kult des Zweifels. Der Zweifel ist des Glaubens liebster Bruder. Wie ja auch zu jeder Gläubigenbiographie, die halbwegs auf sich hält, Phasen des Zweifels ziemlich zwingend dazu gehören.

Von fundamentalistischen Kreisen abgesehen werden Sie kaum mehr einen Pfarrer finden, der behauptet, vor rund 2000 Jahren habe eine Jungfrau ein Kind geboren. Oder ein Verstorbener sei irgendwo doch wieder als Lebender herumgelaufen.

Was die Theologie von einer Wissenschaft unterscheidet, sind allerdings die Schlüsse, die sie aus der Nichtjungfrauengeburt und der Nichtauferstehung zieht. Eine Wissenschaft würde sagen: Es hat nie eine Jungfrauengeburt und nie eine Auferstehung stattgefunden. Also ist das Thema erledigt und wir können uns anderen Fragen zuwenden. Die Theologen wissen auch, dass nie eine Jungfrau schwanger geworden ist. Das ist für sie aber gerade nicht das Ende der Debatte, sondern im Gegenteil der Anfang von Gedankengebäuden eigener Art. Es muss jetzt was gefunden werden, was die Menschen vor 2000 Jahren angeblich eigentlich meinten, wenn sie von einer gebärenden Jungfrau sprachen. Und dieses Eigentliche soll auch noch heute wichtig sein und im Verlaufe der letzten 2 Jahrtausende mannigfache Änderungen der Sache und der Form nach gefunden haben. Das ist dann Anlass für Promotionen und Habilitationen und anderes Wissenschaftsgehabe.

Was die Schande für "unsere" (mir gehört sie nicht) Universitätslandschaft betrifft: Die Theologie ist keineswegs die einzige und heute nicht mal mehr die wichtigste Veranstaltung, die Ideologie im Gewande von Wissenschaft produziert.

Traugott Schweiger

Phasen des Zweifels sind in der Kirche auch nichts Problematisches, man darf eben nur nicht an den Grundpfeilern rütteln. Ihre "kaum mehr einen Pfarrer" möchte ich gerne sehen, die das schriftlich fixieren... Warum genau haben die Professoren Ranke-Heinemann, Drewermann, Lüdemann, Küng, Mynarek, Herrmann und Co ihren Lehrstuhl verloren? Wie lange sollen diese theologischen Rückzugsgefechte noch gehen, in denen es angeblich für die Theologie so klar ist, dass keine Jungfrauengeburt stattgefunden hat. Auch keine Auferstehung? Ihre Einschätzung der wissenschaftlichen Betrachtungsweise ist absolut korrekt: "Eine Wissenschaft würde sagen: Es hat nie eine Jungfrauengeburt und nie eine Auferstehung stattgefunden. Also ist das Thema erledigt und wir können uns anderen Fragen zuwenden." Und daher: theologische Fakultäten haben nichts an Universitäten zu suchen (evtl. noch als Unterkategorie der Literaturwissenschaften), sollten nicht von allgemeinen Steuergeldern bezahlt werden und religiöse Betrachtungen haben somit nichts zu suchen innerhalb wichtiger ethischer Fragestellungen wie Abtreibung, Sterbehilfe u.v.m.

Dass sich der Hochwürdige Herr oder Frau Pfarrerin dreimal überlegen sollten, was sie schriftlich von sich geben, ist zutreffend. Die Kirchenleitung könnte übel nehmen. Das ist aber bei einem verehrten Mitarbeiter einer angesehenen Softwareschmiede oder eines deutschen Weltkonzerns auch nicht anders. Unklug ausgeplaudert, was man wirklich von den Produkten der Firma hält, führt schnell zu einem Rausschmiss. Der wird dann allerdings nicht mitfühlend im Feuilleton breitgetreten, sondern für ziemlich selbstverständlich gehalten.

Der freiheitlich demokratische Rechtsstaat gibt sein Geld an den Universitäten genau für die Fakultäten aus, die er haben möchte. Um engagierte Firmenmitarbeiter und gesetzestreue Staatsbürger heranzuzüchten, verlässt er sich eben nicht allein auf sein säkulares Lehrpersonal. Er setzt auch auf die, die schon ein paar Jahrhunderte länger wissen, wie man das Fußvolk bei Laune hält. Da lassen die sich natürlich nicht lange bitten, sondern sind mit Freude wieder mal dabei.

Und bei der Absegnung staatlicher, also mit Hilfe von Staatsgewalt durchgesetzter, Entscheidungen durch Ethikkommissionen ist der Staat sogar darauf erpicht, diejenigen dabei zu haben, die mit der Beweihräucherung von Gewalt die historisch ältere Expertise haben.

Traugott Schweiger

"Warum genau haben die Professoren Ranke-Heinemann, Drewermann, Lüdemann, Küng, Mynarek, Herrmann und Co ihren Lehrstuhl verloren?"

Sollte man nicht erst mal fragen, weshalb sie sich in diese Positionen haben hieven lassen, wenn sie doch eh damit nichts anzufangen wüßten?

Die Probleme liegen auf der Gasse, man bräuchte sie bloß aufzuheben. Deshalb halte ich sie für die überflüssigsten Theologen, die man sich überhaupt wünschen könnte!

Mama Roma geht deretwegen bestimmt nicht pleite!

Daß Tote umhermarschieren könnten, ist ein uralter Volksglaube, nämlich der der Wiedergänger. Namentlich in Rumänien kommt es selbst heutzutage noch zu übelsten Grabschändungen. - Also Vorsicht vor aufklärerische Schnellschüssen aus der Hüfte!

Die Jungferngeburt ist im Hellenismus eine Binsenweisheit gewesen. Wir aber leben in der Aufklärung.

Die Auferstehung wäre Theologie und nicht Geschichte und insofern wäre sie Wissenschaft. Inwiefern sie überhaupt großkotzig abgehandelt würde, wäre ein zweite Frage. Ich gehe mal davon aus, nicht gerade übermäßig.

Theologie wäre nicht bloß Dogmatik, sondern bestünde auch aus andren Disziplinen wie z. B. Kirchengeschichte; und die wäre etwas aus der profanen Geschichte ausgesondertes.

Und wenn wir schon mal beim Ausmisten der Fakultäten wären, dann soviel:
Geschichte und Theologie weitgehend dasselbe und Germanistik und Theologie so ziemlich dasselbe.

Ich stelle hier mal wieder den üblichen Denkfehler fest, nämlich Legenden historisch ausschlachten zu wollen. Was wäre denn Sinn und Zweck einer Legende? Doch nichts weiter, als den Akteur entweder besonders negativ oder positiv darzustellen.

Frau Merz will ganz einfach das, was sie durch ihre ideologische Brille sieht, (pseudo)historisch zementieren.
Sie hätte sich vor Beginn ihrer historischen Legendendeutung erst mal die Frage stellen sollen, was z. B. die Evangelien wären. Historische Dokumente oder theologische Urkunden?

Aber wider fundamentalistische oder neoliberale Kaffeesatzleserei scheint wahrhaftig kein Kraut gewachsen zu sein.

Apropos Grimm's Märchen. Die haben bei ihrem Erscheinen eine Menge politischen Sprengstoffes enthalten, den wir heute aber nicht mehr erkennen können.

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Es wird doch nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

Theologie besteht nicht bloß aus Dogmatik. Da gibt es noch ganz andre Disziplinen, die eine berechtigte, universitäre Existenz hätten.

Betreffs der Jungferngeburt sollte man wissen, daß diese im Hellenismus eine Binsenweisheit gewesen ist. Apollonius von Tyana wäre hierfür ein Paradebeispiel. Betreffs Wundern ist Jesus mit ihm verglichen ein blutiger Amateur.

M. E. hat es zwei Jesusse gegeben.
Einen vorösterlichen, der als verkrachter, jüdischer Revoluzzer von den Römern als politischer Hochverräter ans Kreuz geschlagen worden ist und einen nachösterlichen, der eine Karriere als Gott vorgelegt hat.

Frau Merz scheint einfach nicht der Versuchung der ewigen Kaffesatzleserei betreffs des vorösterlichen Jesus widerstehen zu können. Aber dieser (historische) Jesus wäre völlig irrelevant.
Relevant wäre der in den Kirchen (Plural!) gepredigte, (dogmatische) nachösterliche Jesus. Das möge man glauben oder nicht oder es auch für völlig egal halten.

Wozu also der Streit um des Kaiser's Bart?

Letztendlich sagst du damit, dass es einen historischen Jesus fernab übernatürlicher Wunder (wie übers Wasser laufen, Wasser in Wein wandeln, Auferstehung etc.) gab und einen menschengemachten übernatürlichen Jesus. Auch wenn mir die Tatsache, dass es überhaupt eine Jesusfigur gegeben haben mag nicht nachvollziehbar erscheint, so dreht sich der Streit nicht um des Kaisers Bart sondern um die Tatsache, dass der enorme gesellschaftliche Einfluss dieses irrationalen Glaubens auf einer Chimäre beruht. Würde es faktenbasiert anerkannt werden, dass es nicht einmal einen leiblichen Jesus gab, dann könnten wir uns wieder wichtigen ethischen Fragestellungen (Abtreibung, Sterbehilfe, PD etc.) fernab von christlichem Humbug widmen.

Hier ein Klassiker von Martin Kähler: "Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus".

https://glaubensstimme.de/doku.php?id=autoren:k:kaehler:jesus

Frau Merz gehört zu jenen Neoliberalen, die dies als Fehdehandschuh begreifen, den sie unbedingt aufheben müssen. - Unverbesserliche hat es schon immer und überall gegeben.

Ich hoffe, der Link sei angekommen!

Verehrter Count Dooku, Sie haben die Debatte, die ich mit Charles Dawton vor über einem Jahr geführt habe, an mehreren Stellen angemerkt. Gerne.

Die Theologie soll also nicht herummachen mit einem irrelevanten historischen oder vorösterlichen Jesus, sondern mit einer theologischen Größe, die auch Jesus heißt. Was hat denn die Theologie über diese Größe heraus bekommen? Und wie hat sie das angestellt?

Die Auferstehung soll ja auch Theologie sein. Was ist denn die Auferstehung?

Die aus der profanen Geschichte ausgegliederte, also nichtprofane, somit mutmaßlich heilige, Kirchengeschichte soll auch noch zur Theologie gehören. Und Kirche und Theologie können auch in den Wurstkessel geraten. Leider werden sie nicht zu einer schmackhaften Wurstware, sondern zu einem gordischen Knoten verwurschtelt. Diese Vorgehensweise des Metzgers müssten Sie mir noch erläutern.

Traugott Schweiger

"Was hat denn die Theologie über diese Größe heraus bekommen? Und wie hat sie das angestellt?"

Hätten Sie schon mal was vom Apostolikum und Nikaia-Konstantinopolis gehört?
Da stünde doch alles über den theologischen Jesus drin.

Angestellt worden ist das betreffs der Trinität auf dem Konzil von Nikaia.
Dieses hat der Heide Kaiser Konstantin wie ein Papst und Patriarch in einem einberufen. Es ist im Sinne Kaiser Konstantin's ausgegangen, weil er sogar vor Bestechung nicht zurückgeschreckt hat.

Ich hoffe, damit dürfte sich auch Ihre Frage der "heilige, Kirchengeschichte" betreffs ihrer Heiligkeit erübrigt haben.
Kirche gibt es nunmal, und zwar nicht nur die katholische, sondern auch noch viele andre. Um deren Geschichte zu erforschen, hätten sie drei Hände voll zu tun.

Wieso sollte sich ein profaner Historiker mit diesem speziellen Zeugs über Gebühr beschäftigen? Dasselbe gälte für die Geschichte Israel's.

Auch hätten Sie freie Auswahl, welchen theologischen Jesus Sie gerne hätten.
Den der Synoptiker?
Den des Johannes?
Den des Paulus?
Den des Hebräers?
Den der Offenbarung?

Machen wir einen Sprung in die Gegenwart! Da gäbe es den
Jesus der Evangelikalen,
Jesus der Fundamentalisten,
Jesus der Katholiken,
Jesus der Zeugen Jehovas,
Jesus der Mormonen,
Jesus als feministische Tunte der Protestanten.

Wie schon gesagt, Sie hätten die freie Auswahl.

"Die Auferstehung soll ja auch Theologie sein. Was ist denn die Auferstehung?"

Diesbezüglich empfehle ich Ihnen, sich an einen Theologen wenden. Literatur dürfte es diesbezüglich auch reichlich geben. Ich mache mir jedenfalls keinen dicken Kopf.

"Diese Vorgehensweise des Metzgers müssten Sie mir noch erläutern."

Das ererciert doch die Forscherin die ganze Zeit über vor. In bester liberaler Manier versucht sie ihre vorgegeben politischen Dogmen mittels eines ersponnenen historischen Jesus zu bestätigen. - Sie verwurschelt hier Geschichte mit Theologie und Politik.
Betreffs Kirche und Theologie ist Ihr ganzer Beitrag, auf den ich Stellung bezogen, das beste Beispiel. Ich könnte gar keine einzelne Stelle herauspicken, so systhematisch ist das gemacht. Alle Achtung!

Ich habe das mit dem historischen Jesus spaßeshalber auch schon mal gemacht und es in der Tat nur eine Bestätigung meiner eigenen Vorgaben herausgekommen.

Hier ein Klassiker von Martin Kähler: "Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus".

https://glaubensstimme.de/doku.php?id=autoren:k:kaehler:jesus

Frau Merz gehört zu jenen Neoliberalen, die dies als Fehdehandschuh begreifen, den sie unbedingt aufheben müssen. - Unverbesserliche hat es schon immer und überall gegeben.

Dass eine Suchmaschine viele Treffer zum Begriff Auferstehung liefert, ist nicht überraschend. Die Gläubigen hatten sowohl zu Zeiten der berühmten Konzile wie auch heute unterschiedliche Vorstellungen dazu. Manche Theologen wollen etwas herausbekommen über einen Menschen, der mutmaßlich damals gelebt haben mag und von dem man nichts weiß. Sie hingegen wollen das nicht. Sie wollen ausschließlich über das in den Glaubensbekenntnissen vorstellig gemachte meschlich-göttliche Zwitterwesen mit der beeindruckenden transzendenten Karriere diskutieren.

Mit dem Herstellen von Wissen hat beides nichts zu tun.

Traugott Schweiger

Antwort auf von Traugott Schweiger (nicht registriert)

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Sie haben doch großkotzig die Wissenschaft verteufelt.

Der Artikel zur Auferstehung und der Vortrag Martin Kähler's wären aber Wissenschaft.
Und da muß man sich gar fürchterbar auf den Hosenboden hocken!

Wer vom Fleisch gewordenen Wort redet, macht Reklame für eine bestimmte Glaubensausprägung. Irgendeine Sorte von Wissen schafft er nicht. Wer sich fragt, was bei einer Sonnenfinsternis passiert, schafft Wissen, wenn er rauskriegt, dass die Sonne vom Mond verdeckt wird. Wer sich fragt, wer "uns den lebendigen Christus" verdeckt, sorgt sich um den rechten Glauben. Irgendein Wissen schafft er nicht, wenn er als Übeltäter den historischen Jesus der modernen Schriftsteller ausmacht.

Zitatquelle: Martin Kähler: Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus. In: Wilfried Härle (Hrsg.): Grundtexte der neueren evangelischen Theologie. 2. Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2012, S. 60.

Als Anregung und Warnhinweis für Ihre Hosenbodengymnastikpläne: Zu den Schülern von Herrn Prof. Dr. Martin Kähler und deren Schülern beiderlei Geschlechts und so weiter gehört auch die Theologin Frau Prof. Dr. Annette Merz. Also viel Spaß auf dem Hosenboden!

Traugott Schweiger

"Wer vom Fleisch gewordenen Wort redet, macht Reklame für eine bestimmte Glaubensausprägung. Irgendeine Sorte von Wissen schafft er nicht."

Worum sollte es sonst gehen in einer Religion außer um Glauben? Das träfe auch für alle andren Religionen genauso zu.

"Also deshalb treiben wir Verkehr mit dem Jesus unsrer Evangelien, weil wir da eben den Jesus kennen lernen, den unser Glaubensauge und unser Gebetswort zur Rechten Gottes antrifft; weil wir es mit Luther wissen, daß Gott sich nicht will finden lassen als in seinem lieben Sohne 15), weil er uns die Offenbarung ist; richtiger und ausdrücklich: weil er uns das Fleisch gewordene Wort, das Bild des unsichtbaren Gottes, weil er uns der offenbare Gott ist.

Das sucht der Glaubende. Das feiert die Gemeinde." (Kähler)

Kähler bestätigt damit den dritten Artikel des Apostolikum's: "Ich glaube an den heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, ..."
Aber damit scheinen weder Sie noch Frau Merz was anfangen zu können.

"Zu den Schülern von Herrn Prof. Dr. Martin Kähler und deren Schülern beiderlei Geschlechts und so weiter gehört auch die Theologin Frau Prof. Dr. Annette Merz."

Dann hätte Frau Merz ja bei einem Toten im Hörsaale hocken müssen. Selbst wenn, dann wäre sie haarklein das, was er nicht gewollt hätte.

"Worum sollte es sonst gehen in einer Religion außer um Glauben?" Richtig! Deswegen ist die Behauptung, Theologie sei eine Wissenschaft oder sollte zumindest eine sein, blanker Unfug. Sollten wir uns soweit einig sein, dann hätte unser Dialog erfreulich zur Klarstellung beigetragen.

"Kähler bestätigt damit den dritten Artikel des Apostolikum's: "Ich glaube an den heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, ..."
Aber damit scheinen weder Sie noch Frau Merz was anfangen zu können."

Ob und was Frau Merz zu §3 des Apostolikums zu sagen hat, weiß ich nicht. Ich kann durchaus etwas damit anfangen. Das Glaubensbekenntnis zeigt, mit welchen Vorstellungen und Sprüchen man über Jahrhunderte die Mannschaft an den imaginierten obersten Herrn und die realen Herren auf Erden binden kann.

"Dann hätte Frau Merz ja bei einem Toten im Hörsaale hocken müssen." Offenbar habe ich mich mit meiner saloppen Formulierung "und so weiter" nicht klar genug ausgedrückt. Ich habe die Fortstzung der Reihe Lehrer, Schüler, deren Schüler usw. gemeint. Karl Barth war Schüler von Martin Kähler. Und Annette Merz dürfte Karl Barth gelesen haben.

Also keine Toten im Hörsaal. Weder vor noch hinter dem Pult. Aber in den Vorlesungsskripten nie Gewesene, zur Hölle Niedergefahrene, Aufgefahrene, in Ewigkeit zur Rechten (rechts?) Sitzende in rauen Mengen.

Traugott Schweiger

"Deswegen ist die Behauptung, Theologie sei eine Wissenschaft oder sollte zumindest eine sein, blanker Unfug."

Hätten Sie überhaupt schon mal in ein Vorlesungsverzeichnis der Theologie geglotzt?

Oh, jetzt soll es das Vorlesungsverzeichnis sein, das entscheidet, ob die Berufsgläubigen bei ihrer Ausbildung mit Wissenschaft belästigt werden, obwohl es doch um den Glauben geht. Also gehen wir gleich zu derjenigen Universität, die von der Harmonie zwischen "faith and reason" durchseelt wird. Das ist das berühmte Angelicum, genauer die Päpstliche Universität Heiliger Thomas von Aquin.

Um Ihnen die Mühe zu ersparen, sich mit Google oder duckduckgo durchzukämpfen, hier ein jüngeres Vorlesungsverzeichnis:

https://docs.google.com/viewer?a=v&pid=sites&srcid=cHVzdC5pdHx0ZW9sb2dpYXxneDo3NjMxYjdjMzFkMzhkYjg

Was wollen Sie jetzt damit für die angebliche Wissenschaftlichkeit der Theologie gewinnen?

Traugott Schweiger

Der Link funktioniert bereits nicht mehr. Tut mir leid. Wer interessiert ist, muss eben selber Suchmaschinen anwerfen. Um Enttäuschungen vorzubeugen: Da steht nur der an theologischen Fakultäten übliche Kram. Und was der Kirchenvater sich eben so dachte.

Theologie kann in Deutschland studieren, wer die allgemeine Hochschulreife besitzt. Also mit Glanz und Gloria oder auch äußerst knapp das Abi hingewürgt hat. Wie in vielen anderen Studienfächern auch. Selbstverständlich gibt es auch hier Sonderwege. "Die xyz ist der Ort für alle, die Jesus das Beste geben wollen. Gott erkennen, sein Wort erforschen und in Deiner Persönlichkeit wachsen – genau das passiert an der xyz." Mit google wird xyz sofort entschlüsselt.

Traugott Schweiger

Antwort auf von Traugott Schweiger (nicht registriert)

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"Theologie kann in Deutschland studieren, wer die allgemeine Hochschulreife besitzt. Also mit Glanz und Gloria oder auch äußerst knapp das Abi hingewürgt hat."

Dann stünde es Ihnen doch frei, sich auf irgeneiner Universität einzuschreiben und sich selbst ein Bild vor Ort zu machen.

Antwort auf von Traugott Schweiger (nicht registriert)

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Was hätten eine evangelikale Bibelschule mit einer Fakultät evangelische Theologie einer Universität zu schaffen?

Evangelikale und Wissenschaft haben freilich noch nie beieinander gepaßt.

Von Gott soll man sich bekanntlich kein Bild machen. Vom Theologiestudium aber offenbar schon. Und zwar dadurch, dass man selber Theologie studiert. Nein, der Fehler, der darin besteht, die Verwandlung von Hobby- und Freizeitgläubigen in Berufsgläubige mit Wissenschaft zu verwechseln, wird nicht dadurch erkannt, dass man ihn schlichtweg praktiziert.

Dass die evangelikale Ausprägung des Glaubens und Wissenschaft nicht gut zusammengehen, wird von Nichtevangelikalen gerne eingeräumt. Dumm nur, dass der Gottesglaube unabhängig von seiner Ausprägung nichts mit dem Schaffen von Wissen zu tun hat, sondern eben Glaube ist.

Dazu passt, die theologische Fakultät der weniger geschätzten Glaubensbrüder mit der Formulierung "Bibelschule" abzuwatschen.

Traugott Schweiger

"Nein, der Fehler, der darin besteht, die Verwandlung von Hobby- und Freizeitgläubigen in Berufsgläubige mit Wissenschaft zu verwechseln, wird nicht dadurch erkannt, dass man ihn schlichtweg praktiziert."

Wollen Sie damit etwa behaupten, ein 100%iger Atheist mit Abitur könnte keine universitäre Theologie studieren?

"Dazu passt, die theologische Fakultät der weniger geschätzten Glaubensbrüder mit der Formulierung "Bibelschule" abzuwatschen."

Wie kommen Sie denn darauf, daß das meine Glaubensbrüder zu sein hätten?

Klar können Atheisten Theologie studieren. Das war sogar mal in gewissen Kreisen Mode. Als die Wehrpflicht in der BRD noch praktiziert wurde - sie ist übrigens auch heute nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt - gab es für diejenigen, die nicht gerne auf Befehl andere vom Leben zum Tode bringen und auch nicht gerne für das Vaterland den Heldentod sterben wollten, nur drei Wege. Erstens, zum Nachttopfleeren antreten, also Wehrdienstverweigerung. Zweitens, sich ein Leiden zuzulegen, das auch der Arzt bei der Musterung anerkennen musste. Das war ein ziemlich unsicherer Weg. Drittens, Theologie zu studieren und sich weiterhin seinen Teil zu denken. Ein Berufsleben lang dann unschuldige Kindlein mit Wassergüssen zu erschrecken und Leichen zu beweihräuchern war zwar auch kein Zuckerschlecken, aber manche haben es geschafft.

Auf den irrigen Einfall, man habe es bei der Theologie mit Wissenschaft zu tun, musste man nicht verfallen.

Und in der erzfreien Wahl, wen Sie als Ihre Glaubensbrüder bezeichnen, möchte ich Sie nicht beschränken.

Traugott Schweiger

Antwort auf von Traugott Schweiger (nicht registriert)

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"Als die Wehrpflicht in der BRD noch praktiziert wurde - sie ist übrigens auch heute nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt - gab es für diejenigen, die nicht gerne auf Befehl andere vom Leben zum Tode bringen und auch nicht gerne für das Vaterland den Heldentod sterben wollten, nur drei Wege."

Auf den Trichter, daß das auch Leute studierten aus reiner wissenschaftlicher Neugierde, scheinen Sie echt nicht zu kommen.

"Und in der erzfreien Wahl, wen Sie als Ihre Glaubensbrüder bezeichnen, möchte ich Sie nicht beschränken."

Da gibt es nichts zu begrenzen, da ich hinsichtlich irgendwelcher K-Gruppen nämlich überhaupt keine Glaubensbrüder habe.

"Auf den irrigen Einfall, man habe es bei der Theologie mit Wissenschaft zu tun, musste man nicht verfallen."

Wähnen Sie jetzt etwa auch noch allen Ernstes, ein Geisteswissenschaftler könnte eine andre Geisteswissenschaft nicht als Geisteswissenschaft erkennen?

Antwort auf von Count Dooku (nicht registriert)

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Ich kann Ihre schlimmsten Befürchtungen nicht nur bestätigen, ich kann sie sogar übertreffen. Ich wähne nicht nur, ich weiß positiv, dass auch manche Geisteswissenschaftler darauf reinfallen, die Theologie für eine Wissenschaft zu halten. Und nicht nur bekennende Anti-K-Geisteswirte, bei denen man über diesen Irrtum nicht sonderlich verwundert sein muss, sondern auch sich selbst als links verstehende Zeitgenossen mit mancherlei akademischer Würde, nicht nur rein weissenschaftlicher Neugierde.

Viel Spaß beim neugierdegetriebenem Theologiestudium!

Traugott Schweiger

"Ich wähne nicht nur, ich weiß positiv, dass auch manche Geisteswissenschaftler darauf reinfallen, die Theologie für eine Wissenschaft zu halten."

Da ich bei weitem nicht der einzige gewesen bin, bei dem Theologie ein Kollateralschaden gewesen ist, könnten wir ja bloß lauter verdummte, verblendete Bekloppte gewesen sein.

Wo wäre denn der große Unterschied, wenn ein Germanist das Nibelungenlied untersuchte und ein Theologe das Lukas Evangelium?

"Und nicht nur bekennende Anti-K-Geisteswirte, bei denen man über diesen Irrtum nicht sonderlich verwundert sein muss, sondern auch sich selbst als links verstehende Zeitgenossen mit mancherlei akademischer Würde, nicht nur rein weissenschaftlicher Neugierde."

Außer wissenschaftlicher Neugierde, habe ich mich noch nie sonderlich hervorgetan.

Mit der wissenschaftlichen Theologie am schwersten haben sich immer die Frömmler gehabt. Die haben sie für ein Werk des Teufels gehalten. Das hätte Satan höchstpersönlich erfunden, um ihren Glauben zu zerstören.

"bekennende Anti-K-Geisteswirte"

Betriebswirte und Volkswirte kenne ich. Aber diese Sorte nun wirklich nicht!

"nicht nur rein weissenschaftlicher Neugierde."

Das "nicht nur" hätten Sie sich sparen können!

"Wo wäre denn der große Unterschied, wenn ein Germanist das Nibelungenlied untersuchte und ein Theologe das Lukas Evangelium?"

Der wesentliche Unterschied ist der, dass einem Theologen das Lukas-Evangelium als Glaubenszeugnis dient, dem Germanisten das Nibelungenlied als Heldenepos. Dem Theologen geht es um den Glauben an Gott. Da soll nichts anbrennen und die Gläubigen sollen sich das Richtige hinter die Ohren oder in die Herzen schreiben. Und für diesen gründlichen Irrationalismus wendet er auch wissenschaftliche Verfahren an.

Das bekannteste dürfte die sogenannte historisch-kritische Methode (HKM) sein. Da wird unter anderem daran herumgetüftelt, wer von wem sicher oder wahrscheinlich abgeschrieben hat, was er warum weggelassen, verändert und zugefügt hat. Am Ende hat man dann einen Schwung Jesuszitate, die sicher gefälscht sind, einige fragliche und solche, die diesen Filter unbeschadet passiert haben. Also Grund dafür, den Gotteswirten Wissenschaftlichkeit zuzusprechen?

Vorsicht! Eine Wissenschaft würde sich mit dem Inhalt dieser Worte befassen, offensichtlichen Unsinn als solchen bezeichnen, moralische Aufträge darauf untersuchen, in wessen Interesse diese Moral ist. Das passiert nicht, sondern jetzt schlägt das der Theologie eigene Glaubensmanagement zu.

Also: Nicht überall, wo wissenschaftliches Vorgehen stattfindet, geht es um das Schaffen von Wissen.

"Da ich bei weitem nicht der einzige gewesen bin" Inhaltliche Differenzen muss man durch die Besprechung des Inhaltes weiter führen, nicht durch Abzählen, wer wieviele Mitstreiter auf seiner Seite hat.

"Mit der wissenschaftlichen Theologie am schwersten haben sich immer die Frömmler gehabt. Die haben sie für ein Werk des Teufels gehalten. Das hätte Satan höchstpersönlich erfunden, um ihren Glauben zu zerstören."

Tja, so ist das eben, wenn die "wissenschaftliche Theologie" den Satan erfindet oder adoptiert, ihm umfangreiche Werke widmet, ihn wieder halbherzig aus dem Verkehr zieht und er ihr dann im ungelegensten Moment bei den eigenen Schäfchen über den Weg läuft.

"bloß lauter verdummte, verblendete Bekloppte". Nicht jeder Irrtum muss mit solchen herzerwärmenden Ausdrücken bedacht werden. Aber da möchte ich niemandem Ausdrucks-Empfehlungen geben.

Traugott Schweiger

Da muss ich bitter enttäuschen, werter Herr Count Dooku. Ob Theologie Wissenschaft oder Glaubensveranstaltung ist, werden wir nicht darüber klären, ob ich von Herrn Hochwürden im zarten Jugendalter zu heiß gebadet wurde oder nicht.

Falls es einen Trost für Sie darstellen sollte: Die Theologie ist keineswegs die einzige und heutzutage nicht mal mehr die wichtigste Produktionsstätte von Ideologie im Gewande von Wissenschaft. Da hat die Märchenwelt der Psychologie bereits gleichgezogen und teilweise überholt. "Wer denkt, dass er denkt, wenn er denkt, denkt nur, dass er denkt. Deswegen klatschen wir ihn mit dem Gedankengebäude der Psychologie zu."

Bei den von Ihnen als Frömmler bezeichneten Gläubigen war Ihnen zu Recht etwas aufgefallen. Diese Sorte von Gläubigen weicht der Diskussion mit den nichtfrömmelnden Gläubigen aus. Statt zur Sache zu reden, wird unterstellt, dass im Nichtfrömmler selber, nicht in der von ihm vertretenen Auffassung, der Grund für eine Differenz liegen muss. Und prompt wird der Grund gefunden: Satan.

Statt Satan tritt eben eine Gestalt aus dem modernen Psychozirkus auf: Abwehrhaltung, Ersatzobjekt, Triebstörung, Übersprungshandlung, Konditionierung...

Traugott Schweiger

Ginge es Ihnen jetzt um Glauben = Religion oder Theologie = Wissenschaft? Oder wären das gar austauschbare und somit identische Begriffe?

"Da hat die Märchenwelt der Psychologie bereits gleichgezogen und teilweise überholt."

"Statt Satan tritt eben eine Gestalt aus dem modernen Psychozirkus auf: Abwehrhaltung, Ersatzobjekt, Triebstörung, Übersprungshandlung, Konditionierung..."

Wenn ich das recht verstanden hätte, dann hätten Sie auch ein gestörtes Verhältnis zur Psychologie?

Zur anständigen Bürgermeinung "Das Fach kann man studieren, also wird es im Großen und Ganzen doch wohl stimmen, was dort gelehrt wird." habe ich ein gestörtes Verhältnis.

Das Verhältnis von Gott, Glaube, Religion und Theologie wird gängigerweise so dargestellt: Gott kann man gar nicht recht begreifen. Aber soweit, dass er über jeden Zweifel gut und edel ist, darf man ihn dann schon begreifen. Deshalb ist der Glaube an ihn auch eine wunderbare Sache, wenngleich auch ein irregeführter Glaube manchmal die schöne Angelegenheit trübt. Religion hingegen hat viel mit den sündigen Erdenwürmern zu tun und kann deswegen bisweilen richtig igitt-baba sein. Und der Herr Theologieprofessor kann das alles genau erklären. Ersatzweise erledigt das auch der Religionslehrer. Oder die Tante aus dem Kindergottesdienst.

Traugott Schweiger

Antwort auf von Traugott Schweiger (nicht registriert)

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Diesen Kollateralschaden habe ich bereits hinter mir.

Allerdings ist mir da rein gar nichts von dem, was Sie behaupten, vermittelt worden. - Aber bei all Ihrer super Universitäts-Erfahrung wissen Sie es ja nun mal viel, viel, viel besser als ich selbst.
Oder anders ausgedrückt: "Was sind sein darf, das kein nicht sein!"

Den hätte ich. Das wäre schließlich meine eigene Fakultät!

Da ist jede Veranstaltung mit einem Stoßgebete eröffnet worden.
"Ich glaube an Gott, König, Joseph Stalin und Vaterland."

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