Umfrage Oktober 2016: Luther
Infografik: chrismon
16.09.2016
Erschienen in Heft

Jeder Generation bedeutete der Reformator etwas anderes. Und was sehen die Deutschen heute in ihm?

Auf ihn lassen die meisten nichts kommen! In den ersten DDR-Geschichtsbüchern wurde Luther als „Verräter an den revolutionären Bauern“ beschimpft, denn er rechtfertigte, dass die Fürsten deren Aufstände brutal niederwarfen. Heute kritisieren evangelische Kirchenführer seine schroff antijüdische Haltung, zu Recht! Doch fragt man die Deutschen, ist davon fast nichts zu hören. Sie behalten ihren Reformator lieber als Kirchenerneuerer und Bibelübersetzer in Erinnerung – was Luther zweifellos auch war.

Der Reformator bleibt im Gedächtnis: Man mag die Kirchenaustritte im Osten be­klagen. Aber eins lassen sich Mecklenburger, Brandenburger, Sachsen, Anhaltiner und Thüringer nicht nachsagen: dass sie ihren Luther vergessen hätten. Nur drei Prozent fiel nichts zum Reformator ein, im Westen hatten 13 von Hundert keine Ahnung. Noch erstaunlicher: die Jugend! 37 Prozent der 14- bis 29-Jährigen wissen, dass Luther die Bibel übersetzte, mehr als in jeder anderen Altersgruppe. Und wo wir doch dachten, Nationalkult sei von gestern: 18 Prozent der Jugendlichen halten den Mann für einen Nationalhelden, mehr als in jeder anderen Altersgruppe.

Quelle: EMNID-Institut im Auftrag von chrismon
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Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Text zur Umfrage bezüglich Luther in der aktuellen Chrismon plus hat mich aufgeregt. Er bestätigt leider sehr exemplarisch, welcher moralistische Zeitgeist in Kirche und Gesellschaft weht. Das Volk soll dementsprechend erzogen werden und man wundert sich, wenn es noch gar nicht völlig diesem Zeitgeist Genüge tut.

 

Was hat mich konkret erregt?

 

Da geben sich die Kirchenführung und Frau Käßmann in ihrer aktuellen Funktion so viel Mühe, Luthers Antisemitismus herauszuheben. Und dann sehen die meisten Deutschen ihn immer noch in erster Linie als Kirchenerneuerer! Man beachte Ihre Wortwahl: Zu Recht mit Ausrufezeichen ist Luther ein Antisemit, während er lediglich auch ein Kirchenerneuerer war, also quasi nachrangig. Gehen da bei Ihnen nicht die Prioritäten seiner Leistungen durcheinander? Seine historische Leistung waren doch Kirchenerneuerung und Bibelübersetzung. Das muss doch auch heute noch an erster Stelle stehen. Dass er sich judenfeindlich geäußert hat, darf und soll man durchaus kritisch benennen. Das muss allerdings einerseits im Kontext des damaligen Zeitgeistes gesehen werden und andererseits sind es ja nun gerade eben nicht seine antisemitischen Traktate, die die geschichtliche Entwicklung geprägt haben.

 

Und dann kommt es für Sie offenbar noch schlimmer: Sogar mehr als jeder Zehnte hält Luther für einen Nationalhelden! Igitt! Bzw. in Ihren Worten heißt das, Sie hätten gedacht, der "Nationalkult" sei längst überwunden. Was ist denn verwerflich daran, wenn Luther als großer Deutscher angesehen wird? Darf es überhaupt verehrungswürdige Deutsche geben? Wenn man Sie so liest, dann wohl eher nicht. Sie sollten vielleicht überlegen, dem "Mini-Luther in der Streichholzschachtel" im Chrismon-Shop einen Warnhinweis beizulegen: "Achtung Antisemit! Bitte nicht verehren!"

 

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Mehnert, Berlin

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