Turmkreuz der evangelischen Matthäuskirche vor Banken- und Bürogebäuden in Frankfurt am Main.
Foto: Thomas Lohnes / epd-bild
Freundlich bleiben
Der evangelische Unternehmer erlebt keinen Tag ohne Sünde – und ohne das Gefühl, gerecht gewesen zu sein
Lena Uphoff
17.08.2016

chrismon: Seit 50 Jahren gibt es den ­Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer. Sie sind stellvertretender Vorsitzender. Was bedeutet es für Christen, Unter­nehmer zu sein?

Friedhelm Wachs: Unternehmertum war Jesu natürliche Umgebung. Sein Vater, seine Jünger waren Unternehmer. Das Wort beschrieb ursprünglich die Tätigkeit des Handwerkers und Händlers: selbst etwas machen, aufgrund eigener Entscheidung, mit eigenem Risiko – nicht auf Anweisung eines Fürsten. In diesem Geist hat Jesus selbst gehandelt und uns geprägt: nicht verwalten, sondern etwas schaffen.

Was heißt es für einen Unternehmer, Christ zu sein?

Angstfrei aus der Geborgenheit in Gott ­und Christus das Richtige zu tun, heißt das. Menschenliebe als Maßstab zu haben. Es hilft einem, mit eigenen Unzulänglichkeiten oder mit denen anderer umzugehen und ­Vergebung zu üben. 

Was ist dabei evangelisch?

Die Freiheit eines Christenmenschen, nur Gott verantwortlich zu sein. Wir tragen die Verantwortung für unsere Entscheidungen. Punkt. Wir können sie nicht abschieben, ­weder auf andere noch in den Himmel. Das macht frei, das Richtige zu tun, und rela­tiviert irdische Machtkämpfe und Kritik.

Martin Luther schreibt, Menschen seien stets sowohl Sünder als auch Gerechte. Wann nehmen Sie sich selbst als Sünder wahr? Und wann als Gerechter?

Es gibt keinen Tag ohne Sünde und keinen Tag ohne das Bewusstsein, gerecht gewesen zu sein. Beides fordert mich zur Reflexion heraus. Ich vergleiche das tägliche Handeln gerne mit der Fliegerei. Ein Flugzeug fliegt nie einen geraden Kurs. Sein Pilot korrigiert wegen des Windes den Flug immer gegen die geplante Linie. Und so geht es mir auch.

"Nächstenliebe verschwindet aus unserem Alltag"

Sie beraten Unternehmen. Wie würde sich christliche Haltung zum Beispiel in einer Verhandlungssituation zeigen?

Zunächst einmal in dem, was wir nicht tun. Es gibt Unternehmen, die greifen in die Kiste der psychischen und physischen Folterin­strumente. Sie erzeugen Druck, zum Beispiel durch Kälte, Schlafentzug, Hitze, Flüssigkeitsverweigerung. Das ist das Gegenteil von Menschenliebe. Ich achte darauf, dass Mandanten sich von solchen Aktionen nicht beeindrucken lassen. Sie sollen ihre Bedürfnisse artikulieren, freundlich und bestimmt umsetzen oder Gespräche aussetzen, bis sich die Lage verändert hat.

Wo tanken Sie Kraft und Nächstenliebe für den Alltag?

Da gibt es für mich Orte wie die Thomas­kirche in Leipzig. Es gibt Begegnungen mit Kollegen und Freunden wie in unserem Arbeitskreis. Und dann halte ich auch mitten im Alltag mal inne und lasse mir den Wind durchs Gesicht streichen.

Wo würden Sie sich von Ihrer Kirche mehr, weniger oder anderes wünschen?

Ich wünsche mir von meiner evangelischen Kirche mehr öffentliche Theologie und we­niger Politik. Ich wünsche mir mehr Wirksamkeit im alltäglichen Leben. Das zentrale Gebot der Nächstenliebe verschwindet aus unserem Alltag auch deshalb, weil es die Kirche nicht mehr deutlich genug offenbart. Kirche soll Menschen schützen und Halt geben, gleich, wo sie herkommen. Das gilt auch für unternehmerisches Handeln in der Diakonie. Wenn die Kirche das spürbar wahrnimmt, wird sie auch wieder wachsen.

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Ein Mensch, der Gutes ahnen lässt.
"Ich wünsche mir von meiner evangelischen Kirche mehr öffentliche Theologie und weniger Politik. " Der ganze letze Abschnitt findet meine volle Zustimmung.
Dagegen aber fällt in dieser Zeitschrift vor allem auf, dass man verstört wird, weil vor allem die Luthersche Maxime, wonach der Mensch zugleich Sünder und Gerechter sei, eher zur Rechtfertigung, denn zu Reflexion dient, und somit nicht hilfreich ist.
Verstörung ist nie hilfreich. Und Unterhaltung und banale Information sind einfach anspruchsloser Mist.

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