Sollte unser täglich Brot mehr wertgeschätzt werden? Clemens Dirscherl und Jan Grossarth
Bernd Roselieb
Clemens Dirscherl und Jan Grossarth über das Agrarbusiness
Im Herzen der Bauer...
Aber vielleicht haben wir bald gar keine mehr! Landwirte sind aufs Business getrimmt, sagen der Reporter und der Agrarexperte
Portrait Anne Buhrfeind, chrismon stellvertretende ChefredakteurinLena Uphoff
17.08.2016
9Min

chrismon: Was wissen die Menschen heute noch von der Landwirtschaft?

Clemens Dirscherl: Sie wissen wenig über die Zwänge, mit denen die Bauern zurechtkommen müssen, aber sie fühlen viel für die Landwirtschaft.

Jan Grossarth: Die Leute aus den Metropolen sehen ja auch eine andere Landwirtschaft als diejenige, die sie größtenteils ernährt. Demeter-Bauernhöfe haben sich rund um Hamburg oder München angesiedelt. Davon lassen sie sich emotional ansprechen. Aber was es bei Rewe und Lidl gibt, kommt woanders her.

Dirscherl: Unser Ernährungsverhalten verrät viel über unsere Einstellung zur Landwirtschaft. Abends im Jazzclub werden Häppchen serviert. Niemand fragt, wo das Brot und die Leberwurst herkommen. Am Wochenende zelebrieren wir das Essen und diskutieren über Gentechnik und Bio. Montags auf dem Weg zur Arbeit gibt es ein Brötchen to go mit Salami. Oft höre ich: "Ich esse selten Fleisch. Aber wenn, dann gönne ich mir ein Filet." – Tja, und was ist mit dem Rest des Tieres? Wird es exportiert, heißt es, man zerstöre woanders lokale Märkte. Vom Bäuerlichen suchen wir uns aus, was uns behagt, womit wir uns wohlfühlen...

Foto: Bernd Roselieb

Clemens Dirscherl

Clemens Dirscherl, 1958 geboren, ist Agrarbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland und Geschäftsführer des Evangelischen ­Bauernwerks in Württemberg. Seine Doktorarbeit schrieb er über die vertikale Integration in der Landwirtschaft. Dirscherl vertritt die EKD in vielen Gremien, etwa im Beirat des Tierschutz-Labels.
Foto: Bernd Roselieb

Jan Grossarth

Jan Grossarth, Jahrgang 1981, ist Journalist, Autor und Volkswirt. Seit 2010 ist er Wirtschaftsredakteur bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, wo er häufig über landwirtschaftliche Themen schreibt.

Sollen wir den Putenstall mit Tausenden Tieren schön finden?

Dirscherl: Nein, aber man muss sich zwischendurch klarmachen, dass die Welt nicht nur aus dem Ponyhof besteht.

Grossarth: Ernährung ist komplex, da spielt vieles rein, Gesundheit, Tierhaltung, Klimaschutz, unsere bildlichen Vorstellungen von Landwirtschaft. Aber die Wahrnehmung der Verbraucher ist oft einseitig. Und die der Bauern auch. Über Jahrzehnte guckten sie auf Produktivität und Effizienz, weil Berater und Wissenschaft ihnen das so vermittelt haben.

Dirscherl: Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs galt in Europa: Nie wieder Hunger, Lebensmittel sollen günstig sein! Inzwischen sind die Preise sehr niedrig, es gibt Lachs beim ­Discounter und kaum noch ein Sozialgefälle bei Lebensmitteln. Irgendwann wuchsen die Butterberge und die Milchseen.

Grossarth: Die Übermengen gibt es seit den 80er Jahren. Trotzdem spricht man in der deutschen Landwirtschaft davon, dass wir die Welt ernähren müssen.

Dirscherl: Aber warum sagt man das? Nur aus Lust und Laune? Oder haben wir besonders günstige Standortbedingungen und "Made in Germany" ist ein Qualitätssiegel auf internationalen Märkten?

Grossarth: Vielleicht bietet es sich an, die wirtschaftlichen Interessen mit so einer Moral zu verbinden.

Dirscherl: Nein, Moral ist das nicht. Wir haben eine agrar­kulturelle Denkweise in der Gesellschaft, aber die Politik richtet sich aus aufs Agrarbusiness. Das Herz gehört der Agrarkultur, der Alltag, die Politik und die Wirtschaft sind aufs Business ­fixiert. Das knallt aufeinander. Den Bauern hat man gesagt, dass die ­Chinesen ihre Milch wollen. Dafür haben sich manche hoch verschuldet und neue Ställe gebaut. Und dafür werden sie dann kritisiert. Da werde ich zum Bauernversteher.

Grossarth: Die Landwirte sind nur ein Zahnrad in einem großen Getriebe. Sie denken auch nicht unternehmerisch im Sinne eines Dienstleisters für Endkunden. Sie sind dazu nie ermutigt worden.

Dirscherl: Ja, in der Landwirtschaft gibt es so was wie eine Ab­liefermentalität: Milch abliefern, Getreide abliefern – um den Rest kümmern sich die Genossenschaft und der Handel. Deshalb ist es jetzt so schwierig, mit der Krise umzugehen. Ich befürchte ja, dass die meisten Landwirte versteckte Lohnarbeiter werden, Scheinunternehmer.

Grossarth: Ein Rewe-Manager hat den Bauern kürzlich erklärt, sie müssten sich auf die vertikale Integration einlassen. Beim ­Geflügel sieht man, was das heißt. Wiesenhof kontrolliert alles – von der Kükengenetik bis zur Aufzucht. Die Handelskette Rewe, die sich grün präsentiert und in großen Märkten eine Ecke mit bäuerlichen Produkten hat, sagt: Vertikale Integration ist das Modell für die Tierhaltung. Der Bauer wird Vertragsmäster. Das heißt: Seine letzte Gestaltungsfreiheit geht verloren. Das ist unerhört.

Dirscherl: Und der Bauer trägt das Produktionsrisiko, das Wetter­risiko, das Gesundheitsrisiko. Ich habe mich auch sehr gewundert, dass der Bauernverband da nicht protestiert hat.

Grossarth: Die Landwirtschaft wird von ihren Funktionären als Kollektiv begriffen. Dabei ist die Branche total heterogen. Mit meiner Familie verbringe ich seit Jahren die Ferien bei einem Bioland-Milcherzeuger mit 50 Kühen im Vogelsberg. Der lehnt Pestizide ab. Und ist eben auch ein Landwirt. Ein Mensch, der in Beziehung mit Natur und Tieren ist. Und so will die Gesellschaft den Bauern ja auch sehen. Er soll etwas anderes sein als ein Ingenieur, der Schweine optimiert. Darum finden wir den Biolandwirt sympathischer. Er ist immer der Gewinner, selbst wenn er als Ökobetrieb Tausende Hektar bewirtschaftet. Das wurmt die anderen Landwirte unendlich. Sie können damit nicht umgehen.

"Vielleicht müssen wir weniger Eier essen"

Wie halten Tiermäster aus, was sie tun? Sie wissen doch wahrscheinlich, dass ihre Tierhaltung nicht in Ordnung ist.

Grossarth: Die Landwirte aus der Intensivtierhaltung würden nicht sagen, dass daran irgendwas nicht in Ordnung ist.

Dirscherl: Aus dem Evangelischen Bauernwerk kenne ich einen Legehennenhalter. Der hatte immer gedacht, die Käfighaltung sei das Beste für die Tiere. Nach dem Verbot der Legebatterien meinte er: "Ich muss scho’ sagen, dene Hühner geht’s so besser." Veränderung hin zu mehr Tierwohl ist also möglich, dazu müssen wir die Landwirtschaft ermutigen. Wir müssen auch wegkommen von der Hochleistungszucht, von der Turbokuh. Aber! Das muss bezahlt werden. Und der Handel kann nicht abwehren: Ja, bessere Tierhaltung, aber es darf den Verbraucher nicht mehr kosten.

Grossarth: Ich misstraue den Handelskonzernen. Die verstecken die besonderen Produkte vom Hof in einer Kuddelmuddel-­Bauernecke. Und ein Jahr später sagen sie wohl wieder, wir haben’s doch versucht, aber das ist den Leuten zu teuer. Manchmal habe ich den Eindruck, die lassen das bewusst gegen die Wand fahren. Stattdessen wird man in Supermärkten beschallt mit Sprüchen wie: "Wir haben die Plastiktüte abgeschafft!" Und der Spitzkohl liegt immer noch in Folie. Da fühle ich mich als Verbraucher veräppelt. Fotos aus dem Massenputenstall zu zeigen – das würde den Absatz der Alternativprodukte befördern. Wir müssen den Handel genauer betrachten, er ist mächtiger als die Bauern. Die sind in einer bemitleidenswerten Rolle. Leider machen sie den großen Fehler, vehement etwas abzuwehren, was für sie nützlich sein könnte: die Option, bäuerlich zu bleiben oder zu werden.

Dirscherl: Ich erlebe eine Art Paranoia in der Landwirtschaft. Der Bürgermeister ist blöd, der Landrat ist blöd, die Kirche, Brüssel, der Bauernverband, die Zeitung, der Lehrer – alle haben sich ­gegen uns verschworen. Es gibt, um es vorsichtig zu formulieren, einen extremen Individualismus...

Grossarth: Das geschlossene Auftreten nach außen klappt noch. Man erlebt aber auch, dass die Bauern nach einer Veranstaltung mit dem grünen schleswig-holsteinischen Landwirtschafts­minis­ter Robert Habeck sagen: Im Grunde hat er recht. Aber ­vorher waren sie mit der Trillerpfeife unterwegs! Merkwürdig.

Dirscherl: Es geht um das Bild, das von der Landwirtschaft vermittelt wird. Als ob alle Bauern profitgeil agieren würden, ohne Verantwortung. Solche Zerrbilder treffen das bäuerliche Selbst­bewusstsein ins Mark. Das tut weh.

Lesen Sie hier weitere Texte aus unserer Rubrik: Verschiedene Menschen, verschiedene Lebenswelten – eine Begegnung

Grossarth: Man spürt auch unter Landwirten eine aggressive Abwehrhaltung gegenüber Eliten und repräsentativer Demokratie. Viele sind überfordert, sie sollen sich fürs Klima verantwortlich fühlen, für komplexe Ökosysteme, den Boden, das können sie auch nicht leisten. Jetzt steht ein Buch über das Seelenleben der Tiere auf der Bestsellerliste – auch ein Indikator dafür, dass sich die Beziehung zum Tier ändert. Sehr schwierig für Tierhalter. Aber glauben Sie, die lesen das? Nein, die schimpfen auf die romantischen Klischees und die Emotionsindustrie. Sie könnten das ja lesen, aber ein Großteil der Bauern wird den leichteren Weg wählen und sich nicht damit befassen. Dabei hat eine erste Um­stellung bei den Hühnern ja funktioniert: Früher war die indus­trielle Eierproduktion aus Massenhennenhaltung ein Export­modell. Seit sechs Jahren sind Legebatterien verboten, gegen einen Riesenwiderstand, und was ist passiert? Es gibt eine saubere Kennzeichnung und einen Riesenmarktanteil für Bio und Freiland.

Dirscherl: Aber eine Freilandhaltung für alle Hühner, auch die, deren Eier die Industrie in Kuchen und Keksen verbackt, das ­würde nicht gehen. Da wäre der Flächenbedarf zu groß.

Grossarth: Genau. Wir müssen das realistisch sehen. Natürlich brauchen wir die Agrarindustrie. Wir sind sehr weit auf diesem Weg, wir können die Industrialisierung nicht rückgängig ­machen, sie bringt uns ja auch viel Gutes. Wir brauchen industrielle, aber ganzheitliche Lösungen, und vielleicht müssen wir auch weniger Eier essen.

 Bernd Roselieb

"Wir brauchen eine Tierwohlsteuer. Wer Billigfleisch will, muss mehr zahlen"

Zufriedenere Landwirte und bessere Lebensmittel – geht das?

Dirscherl: Der Verbraucher ist schizophren. Er will hundert­prozentige Hygienesicherheit – und bedauert gleichzeitig, dass alles so technisiert ist. Und: Wenn der Bauer umstellt, muss er 100 Prozent Öko machen – der Handel muss aber nur einen Bruchteil der Palette umstellen. Der Verbraucher kauft mal öko ein, mal geht er zu Lidl. Das verbittert die Landwirte. Mir fehlt da die Verbindlichkeit. Wir bräuchten einen Contract rurale, einen runden Tisch, an dem wir darüber sprechen, welche Landwirtschaft wir haben wollen. Den Anfang könnten die Kirchen machen, die ­öffentliche Verwaltung oder die Universitäten, indem sie regionale Produkte in ihren Kantinen anbieten. Und wir brauchen die Steuerschraube. Wer Billigfleisch kauft, aber über die Haltungsbedingungen motzt, muss das eben im Portemonnaie spüren.

Grossarth: Die Bundesregierung will, dass wir bis 2050 viel ­weniger Fleisch essen und Milchprodukte kaufen, um das Klima zu entlasten. Für die Produktion braucht man ja mehr Soja, Mais oder Weizen, als wenn der Mensch das direkt essen würde, und Rinder setzen Treibhausgase frei. Aber wie soll das gehen? Die ­Realität ist den Menschen gar nicht bewusst. 99 Prozent von ihnen nehmen tierische Produkte zu sich. Der Biofleischanteil liegt unter zwei Prozent. Die Leute sind schockiert, wenn sie das hören.

Dirscherl: Und das Tofuschnitzel ist fürchterlich, es wird durch Chemie und künstliche Panade zusammengehalten. Ist das die Verbesserung, die wir wollen?

Grossarth: Das ist ein kultureller Verlust, ja, und schmeckt genauso wunderbar oder entsetzlich wie ein richtiges Schnitzel. Wir essen das andauernd. Mein Sohn ist zwei und strenger Vegetarier.

Dirscherl: Reif für sein Alter!

Grossarth: Aber zurück zu den Lösungen. Wir brauchen für Fleisch und Wurst die transparente Kennzeichnung, gegen die sich der Handel immer wehrt. Dazu gehört auch eine komplette Kennzeichnung für Eier, auch in Keksen und Nudeln. Das ist unbedingt notwendig. Warum diskutieren wir das überhaupt noch? Zweitens brauchen wir realistische Bilder, die auf den Verpackungen zeigen, wie die Tierhaltung aussieht. Drittens müssen wir freie Bauernhöfe erhalten – also die EU-Agrar­subventionen so verteilen, dass Kleinbetriebe mehr bekommen und Großbetriebe weniger.

Wie viel Prozent des bäuerlichen Einkommens besteht aus ­Subventionen?

Grossarth: 40 bis 50 Prozent. Bei den Ackerbauern – bei Tier­haltern weniger, weil sie direkt für die Tierhaltung keine Subventionen bekommen. Es gibt noch 270 000 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland, aber pro Jahr hören fünf Prozent auf. Wir müssen den Strukturbruch stoppen. Schon damit unsere Kinder den Bezug zu Landwirtschaft und Lebensmitteln be­halten. Besser als überall Naturschutzgebiete auszuweisen, wäre es, eine multifunktionale Landwirtschaft zu erhalten, die nicht nur Lebensmittel erzeugt, sondern auch Kulturlandschaften, die Artenvielfalt und natürliche Ökosysteme erhält. Bei Steuern bin ich skeptisch. Wir haben schon die Subventionen, die etwa 40 Prozent des gesamten EU-Haushaltes ausmachen, damit kann man arbeiten. Zusätzliche Steuern...

Dirscherl: ...man kann es auch Tierwohlabgabe nennen!

"Machen Sie nicht mit bei dem zynischen Geschwätz auf der Party"

Und was ist mit den Kunden, die jeden Cent umdrehen müssen?

Dirscherl: Das darf man nicht vermischen. Sozialpolitik darf man nicht mit Tierwohlpolitik verknüpfen. Es ist besser, die Hartz-IV-Sätze anzuheben, als Lebensmittel immer billiger herzugeben.

Grossarth: Ich würde diese Abgabe höchstens als Ultima Ratio akzeptieren, wenn man die Kennzeichnung schon fünf Jahre ausprobiert hat.

Dirscherl: Wir zahlen gerade 11,2 Prozent des Haushaltsein­kommens für Lebensmittel. Darf nicht unser täglich Brot etwas mehr wertgeschätzt werden?

Was können denn der Leser und die Leserin richtig machen, wenn sie gleich einkaufen gehen?

Dirscherl: Sich informieren! Wo kommt die Milch her, wie werden die Kühe gefüttert? Und sich saisonal ernähren, nicht im März mit Spargel aus Peru und Erdbeeren aus Marokko. Auf Bauernmärkten einkaufen, beim Fleischer fragen, wo das Putenschnitzel herkommt. Der Handel muss merken, dass die Kunden ein Interesse an Veränderungen und Informationen haben.

Grossarth: Die Nähe zum Erzeuger suchen, selbst Erzeuger ­werden, mieten Sie sich ein Schwein. Sehen Sie mit der Webcam, wie es aufwächst...

Dirscherl: Echt?

Grossarth: Ja, das ist wunderbar. Dann verwerten Sie das Schwein, das nur um Ihretwillen geschlachtet wurde, das Sie mal besucht haben. Das schafft Bewusstsein, Sie gehen mit ­anderen Augen durch den Supermarkt. Machen Sie nicht mit bei dem abstrakten, zynischen Geschwätz, wenn die Leute auf der Party Lachs aus Massentierhaltung essen und morgen wollen sie wieder Vegetarier sein. Erleben Sie die Freude, Pflanzen beim Wachsen zuzusehen, auch das verändert das Konsumverhalten. Sorgen Sie sich nicht um die Nebensächlichkeiten – Rückstände von Pesti­ziden sind seit Jahrzehnten rückläufig. Glyphosat im Bier ist nicht relevant. Relevant ist, ob wir in Zukunft überhaupt noch Bauern haben, wie weit die Industrialisierung gehen darf – und wie wir mit den Tieren umgehen.

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Da unterhalten sich zwei, die über ihren Beruf mit Landwirten zu tun haben, aber selbst keine Landwirte sind, darüber, wie Landwirte sein sollen. Sie schwadronieren - für meinen Geschmack etwas zu sehr von oben herab - über den armen Bauern, der von den Ansprüchen der Gesellschaft zerrieben wird, und über das gemeine Volk, das den moralischen Ansprüchen der beiden Herren nicht gerecht wird. Um es kurz zu machen: Sie werden keine weitreichende Bewusstseinsänderung beim Verbraucher bewirken. Mit Brecht: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral", da können die Möchtegern-Moral-Eliten noch so rummäkeln. Umfragen geben keine handlungsrelevante Meinung wieder, sondern generieren manchmal erst in dem Moment der Frage eine ("Seul les actes decident de ce qu on a voulu." Sartre). Nun zu den Landwirten: Da ist nicht der Bauern-Depp da und die Elite woanders. Das Bildungsniveau hat sich in den letzten Jahren zusehends verbessert. Mehr als jeder zehnte selbstständige Landwirt hat ein abgeschlossenes Studium. Als mein Mann vor rund fünfzehn Jahren die Milchkühe abgeschafft hat, um auf Putenmast umzusteigen, war das eine unternehmerische Entscheidung, die die Zukunftsfähigkeit des Betriebes sichern sollte. Und das hat sie bis heute getan. Ehrlich: Wir empfinden diese intensiven Diskussionen um Tierwohl u. Landromantik als unangebracht, solange Menschen im Mittelmeer ertrinken. So schrieb die ZEIT Anfang 2016: "Die Antwort auf die drängenden Fragen dieser Zeit lautet nicht Weidemilch."

Antwort auf von Susanne Günther (nicht registriert)

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Es schwadroniere
über Tiere
nicht der Laie,
hoch moralisch.
-
Volkes Stimme
in diesem Sinne,
wär` in diesem Gebiete
zu hören - nicht die der Elite.
-
Aus der Vogelperspektive
wird dann gern auch übersehen
dass derweil im tiefen Meere
Menschen untergehen.
-
Die gerne eine Pute äßen
und dann auch lang studierten
um Bauer zu werden - um dann satt und klug
in Foren zu schwadronieren.

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Ach Herr Dirscherl, Herr Grossarth, ich finde es prima, dass Sie sich über die Zukunft der Dt. Landwirtschaft Gedanken machen. Die Landwirte haben längst bewiesen, dass sie veränderungsbereit sind, siehe die Über Zeichnung bei der Initiative Tierwohl, oder bei Demeter, Neuland und Bio. Den Kauf derartiger Produkte kann man leider nicht anordnen und so fristen diese Produkte ein Nieschendasein. Was nicht schlimm ist, denn nur so funktioniert Preissegmentierung. Unrühmlich in der Tat die Rolle des LEH, die alles wollen (siehe Edeka mit seinem 10-Punkteforderungskatalog), aber darüber nicht mit den Erzeugern spricht. Oder ein Handelskonzern, der sich für heimisches Soja und GVO-freie Fütterung einsetzt, gleichzeitig aber zu den größten Pauschalreiseanbietern gehört. DAS passt nicht zusammen.

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Mieten Sie ein Schwein – das schafft Bewusstsein! Sehr schöne Realsatire von Herrn Grossarth.

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»Der Fischverleih hat keine Zukunft – die Leute bringen den Fisch in einem Zustand zurück!« (Verleihnix)

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1. fehlt mir hier die Meinung eines waschechten Bauern, d.h. eines , der die Arbeit und seinen Lebensunterhalt als Bauer, verrichtet. Ich habe große Achtung vor diesen Menschen, sowohl dem Biobauern, als auch dem, der dies noch auf traditionelle Weise verrichtet.
Es ist ärgerlich, was hier geschrieben wird. Und es ist die Presse, die das verantwortet.
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Die Refeudalisierung trifft selbstverständlich auch die Bauern, wo nur noch Millioneninvestoren auf Kosten ihrer ehemaligen, jetzt aber abgehängten Berufskollegen, die von den großen globalen Kapitalströmen einfach mitleidlos weggespült werden, eine Chance zum Überleben haben. Der Niedergang der bäuerlichen Familienbetriebe mag in bestimmten agrarindustriellen Unternehmen die Bilanzen verbessern, insgesamt gesehen aber ist es eine kulturelle Verarmung.

Friedhelm Buchenhorst, Grafing

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Der BDM hat auf Veranstaltungen vor dem "Streik"2008 die Bauern aufgefordert,Druck auf Streikbrecher auszuüben. Die Grenze des Drucks wurde wie folgt formuliert:"Macht nichts was uns die Presse versaut". Da dieser Wunsch ständig auf der Kippe stand erinnerte BDM-Symphatisant Clemens Dirscherl während des Boykotts:
https://www.topagrar.com/news/Home-top-News-Keine-Gewalt-gegen-Streikbrecher-106070.html
Anzumerken habe ich noch, dass Journalisten von NDR,NOZ,FAZ und anderen durchaus von "ungeheuerlichen Druckmitteln" aus zahlreichen Quellen wussten. Ein Journalist der Bersenbrücker Zeitung begründete sein Schweigen mit: "Wir wollen einen Streikerfolg nicht gefährden". "Ein solcher Umgang unter Bauern scheint mir üblich" begründete hingegen ein Journalist der FAZ das Schweigen über Gewalt.
so sieht Pressefreiheit aus

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Herr Grossarth, selbst Teil einer Elite, beschreibt eine aggressive Abwehrhaltung der Landwirte gegenüber Eliten. Ein paar Antworten zuvor zeigt er auf, dass die Bauern über Jahrzehnte nur auf Produktivität und Effizienz guckten, da die Berater und Wissenschaft es ihnen so vermittelt haben, und dadurch in diese Krise gerutscht seien. Da die Wissenschaftler sich ebenfalls als Teil der Elite fühlen, ist es schon verständlich, wenn der Landwirt sich gegenüber den Eliten, die ihm immer wieder neu und anders vorschreiben was richtig und was falsch ist, skeptisch zeigt und nicht jedem Ratschlag sofort folgt.

Gruß vom Tannenberg,

Hubert Schroer.

 

Antwort auf von Leserbrief

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Der Bauer hatte schon immer seinen eigenen Willen ! Wurde mir zumindest so überliefert. Sollte ich mich da geirrt haben ?

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Herr Grossarth, über Bauern schrieben Sie "Über Jahrzehnte guckten sie auf Produktivität und Effizienz, weil Berater und Wissenschaft ihnen das so vermittelt haben."
Nein, nicht weil ihnen das Berater und Wissenschaft so vermittelt haben, sondern weil es gesetzmäßigkeiten unseres Handelns sind und zu den Eigenschaften eines landw. Betriebsleiters gehört ständig zu versuchen die Produktivität und Effizienz zu erhöhen!
D.h. nicht automatisch Wachsen oder Weichen, sondern erfolgreich die vorhanden Resourcen nutzen und ausschöpfen!
Das gilt für Bio oder konventionell wirtschaftende Betriebe gleichermaßen!
Wenn der Markt nur gleichbleibende oder sinkende Erlöse hergibt, aber auf der anderen Seite die Produktionskosten steigen - kann der Landwirt sein Einkommen - ohne Kapazitätserweiterung - nur durch Ausschöpfung der Produktivität und Steigerung der Effizienz halten bzw. erhöhen. Dies gilt insbesondere dann, wenn er auf seiner Scholle bleiben will und örtlich keine Möglichkeit zur Kapazitätserweiterung in der Fläche oder der Tierhaltung hat.

Ihr Verleger wird sicherlich ebenfalls ein Interesse haben seine Produktivität und Effizienz zu halten bzw. zu verbessern. Sonst gäbe es ihn in Zukunft vielleicht nicht mehr.

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