Foto: Monika Höfler, iStockphoto
Patriotisch, aber friedlich
Jubeln in Schwarz-Rot-Gold - sieht die Grüne Jugend Berlin gar nicht gerne. Susanne Breit-Keßler ist gerne "Party-Patriotin"
24.06.2016

Ich bewundere die schwarz-weißen National-Retro-Shirts unserer Nachbarn. Die beiden sehen so aus, wie früher Fußballer gekleidet waren. Außer, dass sie ein gemischtes Team sind und fetzige Jeans dazu tragen. Sie schauen dafür auf meine Deutschlandfahne. Und ich zeige potzstolz das schwarz-rot-golden geflochtene Armband vor, das mir Florentina gemacht hat. Florentina geht in die erste Klasse und weiß um meine Fußballleidenschaft. Kluges Kind.

Die Nachbarn stellen fest, dass ich es nicht mit der Grünen Jugend Berlin und Rheinland-Pfalz halte. Die haben zwar angeblich Spaß am Fußball. Aber sie behaupten: "Patriotismus ist Nationalismus." Und fordern: "Fußballfans Fahnen runter!" Den Kommando-Ton haben sie drauf. Die kleinen Grünen schimpfen, dass "das nationale Kollektiv betont und von anderen abgegrenzt wird". Sie zetern über "Party-Patrioten".

Wahre Patrioten grenzen Andere nicht aus

Mit ihrer Fanschelte hat die Grüne Jugend sich Kritik vom Landesverband eingefangen. Zu Recht. Und einen Shitstorm. Daneben. Denn einem gedanklichen Tiefflug muss man mit Argumenten kommen, nicht mit Beschimpfungen. Und natürlich hat die Grüne Jugend recht, wenn sie auf Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in unserem Land verweist. Den Antisemitismus haben die jungen Leute übrigens vergessen, zu erwähnen...

Wahre Patrioten grenzen Andere gerade nicht aus. Umgekehrt: Wer um seine Heimat weiß, wer seine Identität kennt, muss sich nicht ängstlich abschotten. Nur wer seiner selbst nicht gewiss ist, so, wie die alten und neuen Rechtsextremisten, der steht in Gefahr, andere zu bekämpfen. In meiner Freude, eine Deutsche und in Bayern daheim zu sein, habe ich Lust an kultureller Vielfalt.

Der Heilige Rasen

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Alle Folgen der EM-Kolumne von Regionalbischöfin und Schiedsrichtertochter Susanne Breit-Keßler lesen: chrismon.de/heiliger-rasen

Und: Warum sollte man sich für ein Gemeinwesen engagieren, wenn es nichts gibt, was die Menschen im Land zusammenhält? Klar: Werte verbinden. Es schadet aber nichts, wenn Gemeinsames symbolisiert wird. Ich finde es gut, wenn Spieler die Nationalhymne mitsingen, bevor sie übers Feld flitzen. Im Übrigen hilft auch Geschichtskenntnis weiter: Die Idee eines vereinten Europa ist von Patrioten vorangetrieben worden. Von Menschen mit Vater- und Mutterlandsliebe, die dem Frieden dienen wollten.

Schließlich: Der vergnügte Patriotismus der Fans sorgt dafür, dass Deutsche wie Boateng, Can, Gomez, Khedira, Mustafi, Özil, Podolski, Sane und Tah von Fahnen und Armbändern umjubelt spielen. Florentina ist ein kluges Kind, ich sagte es schon. Und sie zeigt sich weltoffener als mancher Jugendlicher, der noch ein rechter Grünschnabel ist.

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Gehe ich zum Spiel "meiner" Mann(- oder Frau)schaft, trage ich deren Farben. Gehe ich zu einem Spiel der deutschen Nationalmannschaft, dann ist schwarz-rot-gold dran. Und weil ich die Fans aller anderen deutschen Fußball-Vereine nicht verhaue, auch nicht wenn "wir" absteigen, so verhaue ich keine Menschen, die keinen deutschen Pass haben. - Übrigens: Falls Florentina ein Bändchen übrig hätte ... Grüße nach Bayern!

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