Foto: Thomas Meyer / Ostkreuz
Christoph Johannes MarkschiesThomas Meyer/OSTKREUZ
26.10.2014
Buss- und Bettag
. . . Und wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut. Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom Bösen! Lernet Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schaffet den Waisen Recht, führet der Witwen Sache!
Jesaja 1,10–17

Glücklicherweise gibt es seit einiger Zeit Bemühungen darum, die Qualität evangelischer Gottesdienste zu verbessern. Mit viel Fantasie und Kompetenz wird die Rhetorik von Pfarrerinnen und Pfarrern trainiert, Information zur Nutzung des Reichtums alter wie neuer Gottesdienstformen weitergegeben und danach gefragt, wie sich Gemeindeglieder eigentlich Gottesdienste wünschen.

Natürlich bin auch ich für einschlägige Hinweise dankbar. So sagte mir vor Jahren ein von mir sehr geschätzter Pfarrer, dass ich am Altar oft bekräftigend mit dem Oberkörper wackele, was doch sehr merkwürdig aussehe. Vermutlich war das auch vielen anderen aufgefallen, aber er sagte es und gab mir die Chance, es abzustellen.

Trotzdem frage ich mich, ob wir uns noch durch den Kopf gehen lassen, was der Gott, in dessen Namen wir unsere Gottesdienste feiern, eigentlich zu allem sagt. Wir erheben sehr präzise, ob gut ausgebildete Mittdreißiger mit Liedauswahl, Gebetssprache und Predigtlänge zufrieden sind. Aber wird noch ein Moment auf die Überlegung verschwendet, ob Gott mit unseren Gottesdiensten zufrieden ist? Meist nehmen wir doch getrost an, es werde ihm schon alles schmecken, er werde alles gern hören und über unsere Fehler und Versäumnisse gnädig hinwegsehen, weil er so grundgütig und barmherzig ist.

In solchen Fällen wünsche ich mir zumindest für mich selbst eine prophetische Donnerstimme, die mich in dieser Selbstgewissheit nachhaltig erschüttert. So, wie sie sich beim Propheten Jesaja findet. Ich mag zu Beginn und Ende eines Gottesdienstes norddeutschen Orgelbarock, am besten noch auf einem historischen Instrument. Wenn Gott nun aber, wie der Schweizer Theologe Karl Barth vermutete, Mozart mag? Wenn er die mitteltönige Stimmung norddeutscher Barockorgeln schlicht nicht ertragen kann?

Ich mag theologisch gut durchdachte und rhetorisch gekonnt vorgetragene Predigten. Wenn Gott nun aber alle eitle Selbstdarstellung, die mit solchen Predigten oft (und allzumal bei Professoren) einhergeht, unendlich ärgert? Wenn er stattdessen Schweigen und wortlose An­betung schätzt? Mich erfreut es, wenn der liturgische Kalender ernst genommen wird, wenn der Trinitatissonntag beispielsweise als Fest der Trinität gefeiert und nicht einfach irgendwie unter die üblichen Sonntage verrechnet wird. Wenn Gott aber unsere feierlichen Traditionen lächerlich und absurd findet, wenn er beispielsweise anstelle der kostbaren uralten Brustkreuze aus Gold und Juwelen in der Schatzkammer einfach nur ein verbeultes altes Blechkreuz aus Südamerika liebt?

Ich höre schon die Einwände: Man darf sich Gott nicht so menschlich vorstellen. Er hat keine Emotionen und sitzt nicht wütend oder vor Glück strahlend im Gottes­dienst. Darauf möchte ich antworten: Wenn es um die Qualität unserer Gottesdienste geht, haben wir Theologinnen und Theologen es perfekt hingekriegt, Gott zum Schweigen zu bringen. Es geht nur noch um unser religiöses Selbstbewusstsein und dessen Pflege. Evaluation als Vorwand dafür, das zu tun, was man immer schon tun wollte.

Glücklicherweise müssen wir nicht grübeln, ob Gott Mozart oder Buxtehude liebt, ob er lieber mit guten theologischen ­Gedanken oder im Schweigen angebetet und verherrlicht werden will. Er hat sich glücklicherweise selbst geäußert. „Tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom Bösen! Lernet Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schaffet den Waisen Recht, führet der
Witwen Sache!“

Mir scheint, dass man wenig Worte machen muss: Wer so zu leben versucht, weiß,  was im Gottesdienst gesagt werden muss und worüber man besser schweigt.

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Dringend gebrauchen wir eine neue Sprache bzw. eine neue Sprechweise bezüglich der Interpretation von Bibeltexten im Rahmen der Homiletik. Manche (vor allem junge Prediger) verbleiben entweder auf der Ebene der fachwissenschaftlichen bzw. fachtheologischen Ebene oder aber – und das ist noch schlimmer, denn es fehlt jede Art von erklärender Information – man benutzt eine ausschließlich ritualisierte, in Stein gehauene Formelsprache und Sprechweise, die niemanden erreicht und die so überflüssig wie ein Kropf ist. Theologische Phrasen und Floskeln lassen eine Sonntagspredigt zur Höchststrafe eines jeden Gottesdienstbesuchers werden.

„Es ist(jedoch) Aufgabe des ganzen Gottesvolkes, vor allem auch der Seelsorger und Theologen, unter dem Beistand des Heiligen Geistes auf die verschiedenen Sprachen unserer Zeit zu hören, sie zu unterscheiden, zu deuten und im Licht des Gotteswortes zu beurteilen, damit die geoffenbarte Wahrheit immer tiefer erfasst, besser verstanden und passender verkündet werden kann“ (GS Art. 44).

Der Jesuitenpater Henri Boulad beschreibt in einem Brief an den Papst die Sprache der Kirche wie folgt:

„Die Sprache der Kirche ist überholt, anachronistisch, langweilig, sich ständig wiederholend, moralisierend und völlig unzeitgemäß. Es geht keineswegs darum, mit dem Strom zu schwimmen und in Demagogie zu machen, denn die Botschaft des Evangeliums muss in seiner ganzen herausfordernden Anstößigkeit vorgestellt werden. Was vielmehr nötig ist, ist jene "neue Evangelisierung", zu der uns Johannes Paul II. eingeladen hat. Diese besteht jedoch im Gegensatz zu dem, was viele denken, keineswegs in der Wiederholung der alten, die nicht mehr zieht, sondern in der Erneuerung, in einer neuen Sprache, die den Glauben treffend und bedeutsam für die Menschen von heute ausspricht.“

Für mich gehört zu einer guten Sonntagspredigt nicht nur der theologisch erklärende Teil, sondern vor allem das In-Beziehung-Setzen der Frohen Botschaft zur Lebens- und Glaubenswelt der Gottesdienstbesucher. Die Frohe Botschaft berührt einen Menschen nur dann, wenn er neugierig gemacht (und vielleicht auch aufgerüttelt) werden kann, wenn es um die Folgen für die konkrete Gestaltung seines Lebens im Heute und Morgen geht. Alle Predigten, die die konkrete Lebenswirklichkeit von Menschen ausblenden und in universitärer Vorlesungsmanier abgehobene theologische Fragen erörtern, verwechseln den Kirchenraum mit einem Hörsaal an der Universität. Wenn Jesus die Menschen seiner Zeit auf diese Weise angesprochen hätte, gäbe es wahrscheinlich kein Christentum bzw. christliche Kirchen!

Folgende Fragen müssten zumindest eine Angebotsantwort bekommen:

• Wie lautet der Kern der Aussageabsicht der jeweiligen Bibelsequenz vor dem Hintergrund der damaligen Zeit?

• Welche Parallelen zur Glaubens- und Lebenswelt der Gegenwart bieten sich an? Welche Nöte, Sorgen und Ängste beschäftigen die Menschen heute ebenso wie vor 2000 Jahren?

• Wie müssten die heute gestellten Fragen lauten vor dem Hintergrund der biblischen Botschaft?

• Welches Angebot bietet der biblische Text zu einem durch Menschenwürde, Liebe, Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität gekennzeichneten Leben in der Gegenwart?

• Wie müssten sich bestimmte menschliche Verhaltensweisen heute nachhaltig verändern, um den Kern der biblischen Aussageabsicht nicht nur durch wirklichkeitsfremdes Reden in den luftleeren Raum zu stellen?

„Wir müssen also versuchen, tatsächlich die Substanz als solche zu sagen – aber sie neu zu sagen. Jürgen Habermas hat gemeint, es ist wichtig, dass Theologen da sind, die den Schatz, der in ihrem Glauben verwahrt ist, so zu übersetzen vermögen, dass er in der säkularen Welt ein Wort für diese Welt ist. Er wird es vielleicht etwas anders verstehen als wir, aber er hat darin Recht, dass der innere Überzeugungsvorgang der großen Worte in das Wort- und Denkbild unserer Zeit zwar im Anlaufen, aber noch nicht wirklich geglückt ist. Dies kann nur gelingen, wenn Menschen das Christentum vom Kommenden her leben. Erst dann können sie es auch aussagen. Die Aussage, die intellektuelle Übersetzung, setzt die existenzielle Übersetzung voraus. Insofern sind es die Heiligen, die Christsein gegenwärtig und künftig leben und aus deren Existenz heraus der kommende Christus auch übersetzbar wird, sodass ER im Verstehenshorizont der säkularen Welt gegenwärtig werden kann. Das ist der große Auftrag, vor dem wir stehen.“

Paul Haverkamp, Lingen

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Bei dem Prophten Amos lesen wir: "Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen (Gottesdienste) nicht riechen. Und wenn ihr mir auch Brandopfer und Speise opfert, so habe ich kein Gefallen daran und mag eure fetten Dankopfer nicht".(Amos 5, 21 u. 22. Altes Testament, Lutherbibel revidierte Fassung von 1984).
Das stellt auch mich infrage. -

Den Gottesdienst den ich besuche, ist sehr psychologisch ausgerichtet - das stört mich weniger. Aber die Verkündigung und der Aufruf zur ewigen Nächstenliebe geht mir langsam auf den Geist. Denn in solch einer Predigt vermisse ich die Botschaft der Erlösung. -

Die früheren Predigten mit viel Patos (besonders in Radiogottesdiensten) hört man zum Glück nicht mehr. -

Dennoch danke ich allen ausgebildeten TheologenInnen, fröhliche(n) ChorsängerInnen und allen talentierten Menschen in der Gemeinde, die einen Gottesdienst mitgestalten.

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Warum wird stets nur das Alte Testament vorgeführt?
Und auf landeskirchlichen Gemeindehomepages, die Losungen vom Alten Testament schriftlich vor Augen geführt?
Soll Jesus, als unser "Bruder" herabgekanzelt werden?
Anstatt dass Jesus angebetet wird, als unser Gott, Herr und Heilland?

Ob nun der Pfarrer als Naturbursche mit verbeulter Blechkreuz-Kette auftritt oder als smarter Dandy mit edlem Goldkreuz am Kragen oder als simpler Nachfolger der Apostel auftritt, die von Jesus einen Auftrag erhalten haben - das ist schon ein himmelweiter Unterschied.

Die Nachfolger der Apostel sollen völlig ohne Blasiertheit und Hochnäsigkeit und ohne wichtigem Getue auftreten. Das kann erreicht werden, indem das eigene Selbst zugedeckt wird und durch das Tragen von einen schwarzen Talar mit Beffchen. Zählen soll nur das Wort vom dreieinigen Gott.

Lieber nicht mit dem Kreuz angeben!

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