Martin Leissl/Martin Leissl
Zum ersten Mal hat der badische Landesbischof und Verwaltungsratvorsitzende des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP) Ulrich Fischer die Frankfurter Buchmesse in seiner Funktion als EKD-Medienbischof besucht. Und stellt fest: Die Nachfrage nach Büchern zu den Themen Glaube und Religion steigt.
10.10.2012

"Herr Fischer, welche Fragen bewegen Sie denn als Bischof am meisten?" Manuel Herder, Geschäftsführer des Herder Verlags, steht in Halle 3.1. am Stand seines Verlags auf der Buchmesse und blickt erwartungsvoll zum badischen Landesbischof und Verwaltungsratvorsitzenden des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP) Ulrich Fischer. Der deutet auf ein Buch in einer der Buchleisten an der Rückwand des Standes. Es trägt den Titel "Jetzt ist die Zeit für den Wandel" von Abtprimas Notker Wolf. "Fragen der Nachhaltigkeit beschäftigen mich", antwortet Fischer. "Im Bereich der Umwelt, der Bildung und der Sozialsysteme, aber auch im Bereich des Glaubens: Wie kann Glaube heute vermittelt werden?"

Dass es eine große Nachfrage nach den Themen Glaube und Religion gibt, beweist die Frankfurter Buchmesse. Davon konnte sich der Medienbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Mittwoch in Gesprächen mit Verlagsleitern und Geschäftsführern von christlichen und weltlichen Verlagen auf seinem dreistündigen Rundgang überzeugen. Beispiel "Zwei Leben" von Samuel Koch: Die Autobiografie des Sportlers erschien im Frühjahr 2012 beim christlichen Verlag adeo und schaffte es innerhalb weniger Wochen auf Platz 1 der Sachbuchcharts. In dem Buch schildert Koch gemeinsam mit Autor Christoph Fasel die schwierige Zeit der Reha nach seinem Unfall in der Sendung "Wetten, dass…?" im Dezember 2010.

Samuel Koch über seinen Glauben, Zweifel und Zuversicht

Bei dem Versuch, mit Sprungfedern an den Füßen fahrende Autos zu überwinden, stürzte er und ist seitdem von den Schultern abwärts gelähmt. Samuel Koch spricht in dem Buch auch über seinen Glauben, seine Zweifel und seine Zuversicht. Dass die Autobiografie ein so breites Publikum anspricht, liege auch an der "Übersetzung", meint Verlagsleiter Ralf Markmeier. "Samuel Koch hat einen freikirchlichen Hintergrund. Sein Vokabular mussten wir übersetzen, um seine Erfahrungen und Überzeugungen einem breiten Publikum zugänglich zu machen."

Eine solche Transferleistung schaffe auch chrismon, meint Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT. "Auf dem Markt der kirchlichen Zeitschriften ist chrismon am lesbarsten gemacht". Mit ihm sitzt der Landesbischof Fischer Schulter an Schulter in einer winzigen Kabine an der Rückseite des Zeit-Standes in Halle 3.1. und spricht über den Wandel der Gesellschaft in Fragen des Glaubens.

Das Publikum für religöse Themen wird breiter

"Religion war früher ein heikles Thema in der liberalen ZEIT", erzählt di Lorenzo. "Als wir 2010 das Ressort ‚Glaube und Zweifel’ einführten, war das für einige Leser sehr schwierig. Wir haben sogar Pakete mit Fäkalien erhalten." Heute sei ‚Glaube und Zweifel’, das Vorstellungen von Religion, Ethik und Werten in säkularisierten Gesellschaften behandelt, ein wichtiger Bezugspunkt für die Leser der ZEIT geworden.

Dass religiöse Themen ein breiter werdendes Publikum ansprechen, bestätigt auch Michael Krüger, Geschäftsführer des weltlichen Literatur- und Fachbuchverlags Carl Hanser. "2013 wird es vermehrt Bücher zum Thema Glauben und Religion geben." Darunter seien auch Werke von Autoren, die der Religion früher ablehnend gegenüber standen, wie beispielsweise Jürgen Habermas und Martin Walser.

Gesangbuch statt Bibel

"Bücher sind ein wichtiges Medium, um Menschen in religiösen Fragen anzuleiten", betont Medienbischof Fischer. Im Gespräch mit chrismon-Chefredakteur Arnd Brummer erzählt er, wie sehr ihn die Schriften des protestantischen Theologen Friedrich Schleiermacher prägten: "Obwohl ich ihn bis heute nicht ganz verstanden habe", gesteht er schmunzelnd. Und auf eine einsame Insel würde er ein Gesangbuch anstatt einer Bibel mitnehmen: "Gesangbücher vereinen Glaubensüberzeugungen und Melodien – beide sind mir sehr wichtig." Auf die Frage, ob er sich in Zeiten der Digitalisierung Sorgen um die Zukunft des Buches mache, reagiert er gelassen: "In Deutschland gibt es eine hohe Affinität zum Buch. Das wird sich nicht so schnell ändern."

Im abschließenden Pressegespräch wird Fischer nachdenklich. Die Nachfrage nach religiösen Büchern steige – doch der Institution Kirche komme dieser Wandel nicht zu Gute. „Sinnfragen und Kirche gehören für die Menschen nicht mehr selbstverständlich zueinander." Wie die evangelische Kirche darauf reagieren könne, werde er im Rat der EKD besprechen.

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Ohne Kenntnis und stete Übung diverser Wissensgebiete wäre die Gemeinde, der Christ zur Apologie ihres, seines Glaubens (1Petr 3,15) schlicht unfähig. Bildungsarbeit ist für den Glaubenden konstitutiv, in ihrer Bedeutung als Ausformung der ihm eingestifteten Sprachvernunft freilich erst im Zusammenhang mit der akt- wie gnadenhaften Konstitution seines Theologe-Seins zu ermessen. Wenngleich zu differenzieren, sind Glaube und Wissen mithin nicht zu separieren, in ihrer gegenseitigen Zuordnung gar zu ignorieren. Gewiß, die Nachfrage religiöser Literatur besteht, nicht zuletzt hinsichtlich der sich aus den eingangs genannten Bereichen ergebenden Fragestellungen. Indes - womöglich infolge einer insgesamt ungenügenden Bearbeitung dieser Fragen seitens der Kirchen? Und damit einer nur defizitären Kenntnisnahme besagter Verantwortung ihres Glaubens - ja seiner biblischen wie deshalb unerläßlichen Norm?

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