Tara Wolff
Sie hat ihre Hochzeit abgesagt
Ihr Traum: früh heiraten, den Mann fürs Leben. Aber dann ließ die Freude bald nach
09.12.2013

Christine, 22:

Für mich war immer klar, dass ich früh heirate. Einen Mann fürs Leben finden, alles mit ihm teilen, bis der Tod uns scheidet – mit dieser Vorstellung bin ich groß geworden. Das hat sicher etwas mit meinem Glauben zu tun. Meine Familie geht in eine evangelische Freikirche. Die ist schon konservativer als andere. Aber es war nie ein Zwang zu Hause. Eine meiner Schwestern hat mit ihrem Mann ein Kind, ohne dass sie mit ihm verheiratet ist.

Ich wollte lieber warten, bis ich mir sicher bin: Der ist es. In der Schule konnte ich nicht mitreden, wenn meine Freundinnen über ihre ersten Erfahrungen mit Jungs sprachen. Aber das war mir egal. Was für ein Stress, dachte ich manchmal, dieses Hin und Her mit Beziehungen. Meine Freundinnen respektierten meine Haltung. Sie sagten: Das ist halt Chrisi. Einige fanden es auch cool, dass ich mein Ding durchziehe. An der Hochschule kenne ich inzwischen viele Studentinnen, die schon mit 21 geheiratet haben.

Und dann verliebte ich mich in einen Kommilitonen. Drei Monate später machte er mir einen Heiratsantrag. Ich war glücklich und zugleich panisch. Ich wusste, wenn ich jetzt Ja sage, dann sind die nächsten fünfzig Jahre vorherbestimmt. Aber wir liebten uns. Am gleichen Abend haben wir es allen erzählt: Wir heiraten.

60 Flaschen Sekt und ein wahnsinnig teures Brautkleid

Dann haben wir nur noch organisiert. Den Raum für die Feier gemietet, 140 Einladungskarten verschickt, Blumen bestellt, sechzig Sektflaschen gekauft. Eine meiner Schwestern machte den Tischschmuck und die Schleifchen für die Autos. Weil wir verschiedenen Konfessionen angehören, buchten wir zwei Pfarrer für die kirchliche Trauung, einen katholischen und einen protes­tantischen. Und ich kaufte mir ein Brautkleid, mit langer Schleppe. Wunderschön und wahnsinnig teuer.

Wir haben alles durchgeplant. Nicht nur die Hochzeit. Unser ganzes Leben. Wer wie lange zu Hause bleibt, wenn Kinder kommen. Wann Zeit für Reisen ist. Ich wollte auch noch was von der Welt sehen. Er sagte: Ich hab Flugangst. Ich: Dann machen wir zusammen einen Kurs, um die zu bewältigen. Das wollte er nicht.

Wir stritten uns jetzt häufiger. Im Rückblick würde ich sagen, ich hab das provoziert. Ich wollte lieber vor der Hochzeit klären, was nicht passt, als nachher. Irgendwann sagte er: Du lachst gar nicht mehr. Ja, ich war total angespannt. Nachts träumte ich davon zu fliehen. Tagsüber hatte ich Angst, ihn zu verlieren. Je mehr ich zweifelte, desto schuldiger fühlte ich mich.

Monatelang ging das so. Bis ich sagen konnte: Es geht nicht. Es ist vorbei. Feier also abgeblasen. Blumen abbestellt, Mails an alle Gäste verschickt, das Brautkleid im Geschäft abgeholt und tief in den Schrank geschoben. Meine Schwester war sauer. Meine Eltern ratlos. Mein Verlobter verletzt, später wütend. Auf Facebook kamen Kommentare, auch nicht so nette.

Dann fiel ich in ein Loch. Es gab nichts mehr zu planen

Dann fiel ich in ein Loch. Es gab nichts mehr zu planen, die Wochenenden waren leer. Ich wohne noch bei meinen Eltern und saß jetzt wieder in meinem Kinderzimmer. In dieser Phase rief eine gute Freundin an, die vor kurzem nach Hamburg gezogen ist. Komm doch in den Semesterferien nach Hamburg, sagte sie, du musst mal raus! Übers Internet habe ich mir ein Apartment besorgt. Eine Woche später stand ich mit einem viel zu schweren Koffer am Bahnhof von Pforzheim.

Ich bin noch nie länger allein weg gewesen. Und zu Hause ­waren wir immer viele, mit Oma und vier Geschwistern. Jetzt hatte ich eine Wohnung nur für mich. Ich habe das erste Mal nur für mich eingekauft und gekocht. Ich fühlte mich unglaublich frei. Als es mir zu einsam wurde, fragte ich beim Gemeindeorchester im Stadtteil, ob ich als Geigerin mitspielen kann. Klar, sagten die.

Es ist so, als hätte Hamburg eine Tür in mir geöffnet in ein ganz anderes Leben. Ich spürte mich hier viel mehr selbst als zu Hause, wo ich immer nur Schwester, Cousine oder Tochter bin. Ich möchte immer noch heiraten, aber ich will das lockerer an­gehen. Nicht so viel vorher planen, dem anderen und mir Freiheiten lassen. Man muss nicht alles gemeinsam machen, das ist mir klar geworden. Ich will jetzt erst mal das Studium fertig machen, zwischendurch verreisen. Ich muss herausfinden, was ich alles alleine kann. Dann kann die Liebe kommen.

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Liebe und Freiheit sind austauschbare Begriffe. ---- Bindung und Freiheit sind nicht Gegensätze, wenn es Liebe ist. ---- Liebe kennt keine Grade, nur verschiedene Ausdrucksformen. Liebe ist - oder nicht. --- Liebe ist keine Reaktion auf Umstände/Gegebenheiten, sondern immer eine Entscheidung. Wie die für glücklich sein.

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Erwartungen ruinieren Beziehungen

Anmerkung: Bitte bleiben Sie sachlich - dann veröffentlichen wir gerne auch den kompletten Kommentar
Die Redaktion

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Selbst Sein auch wenn dunkle Wolken einem begleiten. Respekt.

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Herzlichen Glückwunsch! Alles richtig gemacht!! Nun fangen Sie aber auch mal an, zu leben! Mäner sind einfach ganz anders als Frauen. Im Prinzip benötigt jeder Parter ein eigenes Badezimmer, ein eigenes Schlafzimmer, einen eigenen Fernseher, ein eigenes Auto, einen eigenen Freudeskreis, ein eigenes Hausstier, ein eigenes Bankkonto, eigene Ängste, einen eigeen Kühlschrank.......oder: die Bereitschaft sich dauerhaft mit dem Partner über eigene Vorlieben auszutauschen! Das muß man wissen, wenn man einen heiratet. Von daher halte ich die "Wilde Ehe" für eie ausgezeichnete Probehandlung! Und würde das auch wirklich jedem jungen Paar empfehlen!
In den freien evangelische Gemeinden werden Dinge von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen erwartet, die einfach nicht mehr in diese Zeit passen! Dies führt zu Lügen, Betrügereien und Mißtrauen.

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Hallo Christine, gute Entscheidung nicht so schnell zu heiraten ; Habe in meinem Leben (mittlwerweile über 50 Jahre ) auch schon eine Verlobung abgesagt(da war ich "schon"Mitte 30"), weil mir der Verlobungsring zunehmend "wie eine Schlinge um den Hals" vorkam , die mir die Luft zum Atmen nahm. Dieses schreckliche Gefühl war sofort vorbei nach meiner "Entlobuns -Tat".---- Gegen Heiraten ist aber meines Erachtens nichts einzuwenden und - wie Sie es versuchten - einiges vorher zu klären/anzusprechen , das halte ich mittlerweile für unverzichtbar. Gleichzeitig kann man nicht alles vorher "klären". Es gilt zunehmend seine eigene Beziehungswilligkeit und -fähigkeit zu prüfen und auszubauen. Viele Frauen wie Männer - nicht ert heutzutage - wollen sehr gerne "geliebt werden" ; Das es in einer gelingenden Ehe aber genauso darum geht - sich selbst zurückzunehmen (ohne sich zu verleugnen!!) um sich "anzustrengen"dem Anderen/die Andere zu lieben, das geht, als zu erstrebende Fähigkeit für eine gute Ehe , leider oft verloren bzw. wird zuwenig eingeübt.Das Einüben/trainieren von Beziehungs-und Liebesfähigkeit gilt auch für andere Formen des Zusammenlebens und geht am besten vor der Ehe in - für beide Seiten wertschätzenden und befriedigend gelebten- Freundschaften . ----Sie schreiben, dass sie zum 1.Mal von zuhause fort sind und alleine für sich leben : HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH! Das halte ich für eine zentrale Entscheidung : Mit sich selbst klarkomen , sich selbst kennenlernen, sich selbst aushaltenn, sich selbst liebhaben (auch und gerade als Christ!) all das halte ich für elementare Erfahrungen um sich dann wertschätzend-partnerschaftlich ----d.h. weder "buckelnd" noch dominierend ----in eine Ehe einzubringen. -----------Wenn Sie nicht nur "Besucherin" dieser Freikirche waren , sondern ganz ernst/echt ihr Leben Jesus Christus gaben , dann mache ich Ihnen Mut,"an IHM dran zu bleiben" trotz/obwohl/gerade wegen dieser besonderen Lebenssituation . Schütten sie Ihr Herz bei ihm aus , lassen Sie Ihren ganzen Frust(oder was auch immer an negativen Gefühlen und Gedanken in Ihrem Herzen ist ) bei IHM und erfahren Sie seine Nähe , seinen Trost, seine Auf-Er-Bau-ung, die er für Sie hat! Ich denke an Sie, Beate

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