Lena Uphoff
15.11.2010

"Bedaure ­ Ostern sind wir wieder im Harz." Paul pickt mit dem schwarzen Griffel auf der Scheibe seines elektronischen Terminplaners herum. Und Ende April? "Nee, geht nicht. Da nutzen wir den Brückentag und fahren nach Hamburg. Konfirmation von Gerdis Patenkind." Und am Wochenende drauf? "Handballturnier von Michi in Gera. Da fahren wir mit und besuchen Albert. Haben wir an Gerdis Geburtstag ausgemacht." 26. Mai? "Konzertabo in der Stadthalle, Bamberger Philharmoniker." Paul bearbeitet die kleine Glasscheibe in raschem Takt. "Mhmm, das haben wir gleich. Wäre doch gelacht. 16. Juni, 80. von Tante Minchen. Dann Urlaub. Mhmm. Da! Sonntag, 16. September ist noch frei..."

Das gemeinsame Wochenende, das wir uns seit dem Klassentreffen 1991 vornehmen

Wir sind alte Freunde, Paul und ich. Schulfreunde. Wir haben uns nie aus den Augen verloren. Er schreibt mir zum Geburtstag und ich rufe ihn wenigstens an. Aber das gemeinsame Wochenende, das wir uns mindestens seit dem Klassentreffen 1991 vornehmen, wird vermutlich auch in diesem Jahr nicht zustande kommen. Dazu ist Paul einfach zu ordentlich, zu beschäftigt und deshalb ständig verplant. Meine ich wenigstens.

Paul würde das vermutlich ganz anders erklären. "Der Arnd", würde er sagen und dabei über die Ränder seiner Lesebrille wegblinzeln, "ist ein lieber Kerl, aber leider ein totaler Chaot." Das liegt daran, dass ich mich weigere, private Termine lange im Voraus festzulegen. Ich bin in meinem Arbeitsleben terminlich dermaßen eingespannt. Deshalb möchte ich meine freie Zeit möglichst spontan genießen.

"Wir haben schon für die nächsten drei Jahre reserviert"

Urlaub? Für Paul steht bereits fest, wo er die Sommerferien verbringt. 2008! "Wir haben da so ein schnuckeliges Hotel im Salzkammergut gefunden. Das hat uns so gut gefallen. Wir haben schon für die nächsten drei Jahre reserviert. Immer die mittleren beiden Juliwochen." Da siehs-te ­ sagt der Blick meiner Frau ­ so kann man das auch machen! Als wir wieder im Auto sitzen und nach Hause fahren, sagt sie: "Heute Abend machen wir auch Jahresplanung. Für 2007." Mhm. Es ist mir nicht so ganz recht. Das neue Jahr hat doch gerade erst angefangen. Schon wieder alles blockieren, festlegen, reservieren, zusagen.

"Du hast doch dieses Jahr einen runden Geburtstag", hatte Paul mich zum Abschied gefragt, "feierst du?" Weiß nicht. Vielleicht. Mal sehen. Liegt auf einem Wochentag. "Also für den Samstag danach, falls du da was organisieren willst, muss ich leider absagen. Und Manni und Isolde können wahrscheinlich auch nicht. Haben wir schon in Dresden gebucht. Und bezahlt. Storno wäre teuer." Naja, wahrscheinlich feiere ich sowieso nicht.

"Du musst das jetzt endlich klarmachen", redet mir meine Frau zu, als wir in unsere Straße einbiegen, "sonst haben deine besten Freunde alle schon was anderes vor." Und? "Und! Soll ich das in die Hand nehmen? Mache ich gerne für dich, mein Schatz." Schon gut, lass mal. "Dir fällt das dann wieder drei Wochen vorher ein, wie vor fünf Jahren. Und dann ist der 'Adler' schon längst ausgebucht. Und der Gemeindesaal und der 'Grüne Baum' sind auch schon weg."

Mein schönster runder Geburtstag war der Vierzigste. Wir haben nichts geplant. Gar nichts. Wir haben die Fahrräder genommen und sind zum alten Segelflugplatz rausgeradelt. Am Kiosk habe ich zwei Piccolos gekauft. Wir haben uns ins Gras gesetzt und dabei zugeschaut, wie die Segelflugzeuge von einer Seilwinde an einem lärmenden, stinkenden Dieselmotor in die Höhe befördert wurden. Dann sind wir wieder nach Hause gefahren. Diverse Leute haben angerufen. Zwei Nachbarn sind zum Gratulieren vorbeigekommen und wir haben ein paar Fläschchen Spätburgunder entkorkt. "Wenn dir das diesmal auch genügt!" Weiß nicht. Aber es macht mir weniger aus, als wenn ich mich jetzt schon festlegen müsste. Das Jahr ist noch so jung!

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