Foto: Sven Paustian
Lena Uphoff
10.06.2011

1979, ein paar Jahre nach dem Ende der Franco-Diktatur, war ich Mitglied einer Gruppe deutscher Journalisten, die das spanische Kulturministerium eingeladen hatte, sich selbst ein Bild vom kulturellen Neubeginn auf der iberischen Halbinsel zu machen.

Man reiste mit uns bis hinunter nach Andalusien, brachte uns mit jungen Intellektuellen zusammen, die sich um die Bewahrung des maurischen Erbes in Cordoba, Sevilla oder Granada kümmerten. Und natürlich fuhren unsere Begleiter mit der Gruppe auch nach Jerez, der Heimat des Sherry und der berühmten andalusischen Vollblutpferde.

Wir wohnten fürstlich im Gästehaus auf dem Anwesen eines der reichsten Sherry-Barone. Beim Aperitif machte uns der Mann darauf aufmerksam, dass er auch einen Golfplatz sein Eigen nenne: „Wer von Ihnen Golf spielt, ist herzlich eingeladen, den Kurs zu nutzen. Wir haben hier gerade einen spanischen Nachwuchsprofi zu Gast, der Sie gerne auf der Runde begleitet.“ Vermutlich nannte er auch dessen Namen, ich verstand ihn nicht.

Niemand reagierte auf die Einladung. Nur mich, gerade 22 ­Jahre alt und der Jüngste in der Gruppe, stach der Hafer. Ich hob den Finger. „Gut“, sagte der Gastgeber, „morgen früh um acht treffen Sie sich mit unserem jungen Freund am ersten Abschlag.“ Ich bekam ein bisschen Muffe. Golfspielen hatte ich nicht mal aus der Ferne beobachtet, geschweige denn diesen „Bonzensport“ je selbst ausgeübt. Aber ich war einfach zu neugierig, wollte es wenigstens einmal ausprobiert haben. Wird schon gutgehen, beruhigte ich mich. Schließlich war ich ein sportlicher Mensch, der mit fast jedem Ball auf Du und Du stand, von der Tennisfilzkugel bis zum Basketball.

Sevi hat mir in vielerlei Hinsicht eine Lektion erteilt

Als ich wie verabredet am Abschlag eins eintraf, begrüßte mich ein freundlicher Kerl, den ich ungefähr gleichaltrig einschätzte, auf Englisch, übergab mir eine Tasche mit Schlägern und fragte nach meinem Handicap. Hmm. Jetzt kam es darauf an, nichts Falsches zu sagen. „Zehn“, sagte ich, weil ich vermutete, das sei eine hohe Spielvorgabe. Die Golfspieler unter Ihnen wissen natür­lich, dass es anders ist. Handicap 10 bedeutet schlicht, auf 18 ­Löchern zehn Schläge mehr zu brauchen, als der perfekte Platzstandard es vorgibt. Das schaffen nur sehr gute Amateurspieler.

Ich nahm einen Schläger, legte einen Ball auf den Boden und spürte plötzlich die Hand meines neuen Partners auf dem Arm. „Hör mal, hombre“, sagte er mit breitem Grinsen, „gib zu, dass du noch nie einen Golfschläger in der Hand hattest!“ Okay! Ich nickte. Ja, stimmt. Mein Gegenüber grinste weiter: „Macht gar nichts. Gehen wir rüber zur Übungswiese. Ich zeig dir ein bisschen, wie das Spiel geht. Vielleicht findest du Spaß dran.“

Während er mir geduldig den Unterschied zwischen Hölzern und Eisen erklärte, den Neigungswinkel der Schlägerblätter er­läuterte und mich für halbwegs gelungene Schläge lobte, erzählte er mir ein bisschen von sich. Er komme aus kleinsten Verhält­nissen, sei der Sohn von Tagelöhnern und froh, dass ihn wohl­habende Leute unterstützten. Sein Ziel sei eine Profikarriere.

Als wir uns zum Mittagessen wieder mit meiner Gruppe trafen und der Gastgeber meinen Golflehrer fragte, wie es gewesen sei mit dem jungen alemán, grinste er wieder so unverschämt ­sympathisch: „Sehr schön, ein netter muchacho und sehr begabt für diesen Sport.“ Er verriet mich nicht. Ich wurde erdbeerrot.

Ein paar Wochen später lag ich Sonntagabend in meiner Bude vor dem Fernseher. Die Tagesschau lief. Der Sprecher teilte gegen Ende mit, ein junger Spanier, der 22-jährige Severiano Ballesteros, habe sensationell das traditionsreichste Golfturnier der Welt gewonnen, die British Open. Das Bild! Ich konnte es kaum fassen. Er also!

Vor wenigen Wochen starb Severiano Ballesteros, gerade 54 Jahre alt, an den Folgen eines Krebsleidens. Die Welt würdigte den ehemaligen Weltranglistenersten als fairen, sympathischen Sportsmann, ein Vorbild. Ich trauere um Sevi, einen muchacho, der mir mehr als nur eine Lektion erteilt hat.

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