Susanne Breit-Kessler, Foto: Elias Hassos
Wer mit seinem Partner über die Träume für übermorgen sinniert, verrät auch einiges über seine Wünsche von heute, sagt Susanne Breit-Keßler
14.02.2011

Sabine und Marcus leben in der Großstadt. Sie haben zwei Kinder im Alter von zwölf und vierzehn. Ihre Wohnung liegt günstig: Die Wege in die Schule und zu den Arbeitsstellen sind kurz. Kirche, Kino, Geschäfte – alles zu Fuß erreichbar. Die Familie genießt das Leben in der Stadt. Nach dem Geburtstag eines der Kinder, beim gemeinsamen Aufräumen, kommen ­Sabine und Marcus mit einem anderen Elternpaar ins Gespräch. Die vier überlegen: Was machen wir, wenn die Kinder mal aus dem Haus und wir im Ruhestand sind? Wo feiern wir unseren Siebzigsten, wo leben wir dann?

Sabine steht die Zukunft klar vor Augen: Sie möchte irgendwo in Mecklenburg sein. Ihr schwebt ein gut erhaltenes Bauernhaus vor, zu dem kein Vieh, keine Äcker und Weiden mehr gehören, aber ein Garten. Eigenes Gemüse und Salat – für sie ein Traum. „Um Himmels willen“, sagt Marcus, „doch nicht, wenn wir alt sind. Ich will da wohnen, wo eine U-Bahn fährt, wo es Theater gibt! Lokale, in die man bequem gehen kann! Nicht auch noch Gartenarbeit, ja nicht!“ Auf einmal herrscht Ruhe im Raum – so ein glückliches Paar und doch so verschiedene Vorstellungen vom Leben ...

Was wünscht er sich von ihr, was erhofft sie von ihrem Leben?

Sollen die beiden den Mantel des Schweigens über diesen ­Konflikt breiten? Besser nicht. In den Bildern, die das Ehepaar von der gemeinsamen Zukunft hat, wird viel deutlich von den eigenen Wünschen. Es kann gut sein, dass Sabine und Marcus manches von dem, was sie vom Alter erwarten, am liebsten jetzt schon verwirklichen würden. Marcus findet insgeheim, dass sie zu viel zu Hause hocken, statt die kulturellen Angebote der Stadt und ihre tollen Restaurants zu nutzen. Umgekehrt denkt Sabine, die für ihr Leben gern daheim kocht und isst, dass sie mehr Raum zum Aufatmen braucht.

Wer gemeinsam die Zukunft plant, erfährt, was in der Gegenwart wichtig ist. Dem Partner, der Partnerin Bilder aus der eigenen Seele anzuvertrauen hilft, Probleme rechtzeitig zu entdecken. Zu enthüllen, was eventuell im Alltag untergeht, was zurückgehalten oder voreinander versteckt wird. Anzuhören, nachzuempfinden, was dem anderen durch den Kopf geht und am Herzen liegt, das macht eine Beziehung richtig stark. Wenn man weiß und spürt, was der oder die andere heute braucht, dann lassen sich richtig gut gemeinsame Visionen entwickeln.

Ein Kompromiss für Marcus und Sabine wäre eine Kleinstadt mit viel Land drum herum, in der es ausreichend Möglichkeiten gibt, Kunst und Kultur zu genießen. Oder das Umfeld einer Großstadt, mit bester Anbindung ins Zentrum. Denn bei aller Vorliebe für die rosenumrankte Bank vor dem Haus: Sabine weiß, dass man als alter Mensch kurze Wege zum Arzt, in die Apotheke, zur Post, zu gesellschaftlichen Veranstaltungen und in die Kirche brauchen kann. Denn nicht überall, auch nicht auf dem Land, gibt es hilfsbereite Nachbarn, die einen chauffieren, wenn man selber nicht gehen oder fahren kann. Und die Kinder wohnen ja meist woanders...Marcus und Sabine wissen seit ihrem Gespräch, das bis in die frühen Morgenstunden gedauert hat, was sie sich voneinander wünschen und was sie von ihrem Leben erhoffen. Wichtig ist, dass sie miteinander im Gespräch bleiben und offen dafür, wie sie sich persönlich entwickeln oder verändern. Offen auch für Überraschungen – denn schon in der Bibel heißt es frohgemut, dass Gott vor einem hergeht und einem den Weg und den Ort zeigt, den man gehen und an dem man sich dann niederlassen soll (5. Mose 1,33). Und wer weiß, was er für den Ruhestand mit ­beiden vorhat. Könnte auch das Ausland sein. 

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