Tim Wegner
21.03.2011

Hallo? Ist eigentlich noch einer hier drin? Oder sollen wir vorsichtshalber die Tür abschließen? Alle nehmen sie jetzt neuerdings eine Auszeit. Der Guru von Apple, Steven Jobs, nimmt eine Auszeit – kommt allerdings zwischendurch mal kurz rein und stellt seinen neuen flachen Computer vor. Freiherr zu Guttenberg muss sich von Sigmar Gabriel eine Auszeit verordnen lassen und den Rat, er solle sich dabei an Margot Käßmann orientieren. Und als wir die blutjunge Autorin anrufen wollen, mit der wir gerade ein Interview geführt haben, bedauert die Verlagslektorin, das gehe jetzt nicht. Die habe sich nach ihrem Bestsellererfolg erst mal eine Auszeit genommen.


Gegen die Idee ist ja nichts einzuwenden, und die ist auch nicht neu: Ab und zu sollte man ruhig sein Lebenstempo drosseln. Weil man, wie das junge Literaturtalent, genug Geld verdient hat und sich erst mal auf die faule Haut legt. Oder schwer krank ist wie der Apple-Chef. Oder einen Forschungsauftrag in den USA hat. Aber man sagt heute eben nicht: Ich bin faul, ich fahre weg oder ich bin krank. Man sagt: Ich nehme eine Auszeit. Der Begriff kommt aus dem American Football und klingt schon allein deshalb nach Schweiß, Tränen und viel Muskelaktivität. Auszeit, das klingt nach: Ich bin zwar weg, aber glaubt bloß nicht, dass ich da faul, sinnlos und zweckfrei auf dem Sofa rumhänge. So wie Homeoffice viel besser klingt als: Ich bleib morgen zu Hause. So wie Burn-out viel besser klingt als: Ich kann nicht mehr.

Irgendwann ist eben einfach Pause!


Aber was soll dieses Strebertum? Irgendwann ist Pause. Sechs Tage sollst du ackern, steht in der Bibel. Und am siebten? Eine Auszeit nehmen? Ach was. „Am siebten Tag sollst du feiern, auf dass dein Ochs und Esel ruhen und deiner Magd Sohn und der Fremdling sich erquicken“, so steht es in der Bibel. Wer das nicht schafft und immer noch so tut, als sei die Auszeit eine höchst effizient genutzte Zwischenphase – der hat wahrscheinlich die sechs Tage vorher schon was falsch gemacht. Und auf dessen Party möchte man als Fremdling gar nicht erst eingeladen werden.

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Sehr geehrte Frau Ott, herzlichen Glückwunsch, wenn Homeoffice für Sie nach einem faulen Tag zu Hause klingt! Für viele - meist Frauen - klingt Homeoffice nach einer Tag mit doppelter Belastung, Familie, Haushalt und Job, schreiende Kinder beruhigen, während gleichzeitig die Präsentation fertig werden muss. Arbeit die man sonst in Ruhe im Büro erledigen könnte. Arbeit, die man besser als die Kollegen im Büro erledigen muss, weil der Chef - bestärkt von einer gewissen Frau Ott - ohnehin glaubt, Mitarbeiter arbeiten zu Hause nicht. Zurück im Büro steht man dann noch unter Rechtfertigungsdruck und muss gute Miene zum bösen Spiel machen, Überzeugungsarbeit leisten, dass man eben nach wie vor voll dabei ist. Insgesamt ist Homeoffice nichts für Faule. Bei aller Zustimmung zu Ihrer Kolummne, aber nicht alles, was nach Auszeit klingt ist auch eine!

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