Religion für Einsteiger, Gott der Herr
Religion für Einsteiger, Gott der Herr
Lisa Rienermann
Herrscht Gott etwa wie ein Monarch?
Seit Jahrhunderten feiern Christen Gott als Anführer einer himmlischen Hierarchie. Zur Frohen Botschaft der Bibel passt das kaum
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
23.11.2017

 Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen, lass dir die matten Gesänge gefallen, wenn dich dein Zion mit Psalmen erhöht.“ So beginnt die dritte Kantate von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium. Nach dem Eingangs­chor beschließen die Hirten, gen Bethlehem zu gehen und die Geschichte zu sehen, „die uns der Herr kundgetan hat“. Ein Sopran und ein Bass kommentieren: „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen tröstet uns und macht uns frei.“

Gott, der himmlische Souverän, gewährt dem lallenden Volk seine Gnade. Indem Bach Solisten mit der höchsten und mit der tiefsten Stimme singen lässt, zeigt er das tiefe Gefälle zwischen Gott und Mensch. Die ­Musik ist wunderschön und hörenswert. 
Die Botschaft von oben und unten weniger.

Jahrhundertelang feierten Christen Gott als Höchsten und Mächtigsten, als die Spitze einer himmlischen Hie­rarchie – was sich dann in irdischen Verhältnissen widerspiegeln sollte, in weltlicher und kirchlicher Obrigkeit. Man legitimierte den autoritären Staat. Und in den Kirchen machte sich – vielfach bis heute – ein Ämterkult breit, mit prächtigen Ornaten, prunkvollen Riten und einstudierten Ges­ten. Bei den Protestanten schafft der Lutherrock Distanz zur Gemeinde. Und je größer das Kreuz auf der Brust, desto höher der kirchliche Rang.

Das Geld kann der Kaiser haben, die Seele nicht!

Die bürgerliche Gesellschaft ist da schon weiter. Den „Herrn“, einst mit Kommandogewalt über den Knecht ausgestattet, hat sie zum kultivierten Bürger umetikettiert. „Herr“ ist heute nichts mehr als eine freundliche Anrede. Damit niemand den Herrn ­Jesus Christus als lieben Nachbarn von ­nebenan missversteht, rollen manche Pfarrer salbungsvoll das „r“ in „Herrr“. Das Anliegen der ersten Christen ist so in sein Gegenteil verkehrt. Zur Zeit Jesu mieden Juden jeden Vergleich Gottes mit irdischen Hierarchen. Der jüdische Philosoph Philo von Alexandrien, ein Zeitgenosse Jesu, nannte Gott nie den Höchsten. Für ihn war der Schöpfer nicht mit Fürsten und Königen vergleichbar. 

Auch Jesus lehnte es ab, irdische Autorität aus dem Gottesverhältnis abzuleiten. Ein Mensch könne nicht zwei Herren gleichzeitig dienen, sagte er (Matthäus 6,24). Mit anderen Worten: „Entweder du glaubst an Gott, oder du beugst dich der weltlichen Obrigkeit.“ Als man ihn fragte, ob Gläubige dem Kaiser Steuern schuldig seien, zeigte er auf eine Münze mit einem Kaiserbild. „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“, sagte er. Das Ebenbild Gottes aber, der Mensch, gehöre Gott allein (Markus 12,17). Mit anderen Worten: Das Geld kann er haben, die Seele nicht.

„ . . . wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein“, sagte Jesus (Markus 10,43). Für den Apos­tel Paulus war auch deshalb er „der Herr“: Jesus, den irdische Machthaber zu Unrecht als Verbrecher hingerichtet hatten, den Gott aber von den Toten auferweckt und so wieder ins Recht gesetzt hatte, und den alle Gläubigen als Heiland, als Christus bekennen. „Mein Herr und mein Gott“, sagt der ungläubige Thomas, als er den Auferstandenen sehen und berühren darf (Johannes 20,28). Das Bekenntnis wurde just zu der Zeit ins Evangelium hineingeschrieben, als sich auch Kaiser Domitian als „Herr und Gott“ titulieren ließ.

Versierte Theologen statt selbstgefällige Patriarchen

Die Reformatoren belebten die ­autoritätskritische Tradition aufs Neue. Luther sprach vom „Priestertum aller Gläubigen“: Fachlich versierte Theologen sollten die Gemeinden leiten, nicht aber selbstgefällige Patriarchen.

Nikolaus Herman, langjähriger Rektor der böhmischen Latein­schule St. Joachimsthal, dichtete 1560 das Lied „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich, in seinem höchs­ten Thron.“ Was sich zunächst als Loblied auf einen Königgott anlässt, kehrt plötzlich ins Gegenteil: „Er äußert sich all seiner G’walt, wird niedrig und gering und nimmt an eines Knechts Gestalt, der Schöpfer aller Ding.“ Der Päda­goge dichtete in Anlehnung an einen Hymnus aus dem Philipperbrief, Kapitel 2. Die Botschaft soll Menschen aufrichten: „Er wird ein Knecht und ich ein Herr; das mag ein Wechsel sein! Wie könnt es doch sein freundlicher, das herze Jesulein.“

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