A staff worker logs in a business big data website in southwest China's Guizhou Province, May 16, 2017. The 2017 China international big data industry expo will be held in Guiyang at the end of May.
A staff worker logs in a business big data website in southwest China's Guizhou Province, May 16, 2017. The 2017 China international big data industry expo will be held in Guiyang at the end of May.
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Im Auto nicht angeschnallt? – Da droht der Pranger
Der chinesische Staat will eine Schreckensvision wahr machen, seine Bürger vollständig über­wachen und sogar ihr Verhalten beeinflussen. 
Eine Megadatenbank soll bis 2020 alle Datendes Landes zusammenführen. Einige Städte testen das System schon.
Portrait Manon Priebe, online-Redaktion chrismonLena Uphoff
25.10.2017


chrismon: Was will die chinesische Regierung mit dieser Bürgerbewertung erreichen?

Kristin Shi-Kupfer: Sie will „soziale Vertrauenswürdigkeit“ – so der Name des Systems – schaffen. Gemeint ist aber: Jeder soll sich regelkonform verhalten im Sinne des Staates. Im Westen handelt die Gesellschaft dagegen in freien Debatten aus, was Vertrauen ist und nach welchen Werten es sich richten soll.

Was bewertet denn der Staat genau?

Zum Beispiel, ob Menschen ihre Rechnungen pünktlich zahlen oder ob sie die Straßenverkehrsordnung einhalten. Menschen werden aber auch nach subjektiven Kategorien bewertet, etwa was sie in Onlinechats sagen. Wenn ein Staat das nach nicht transparenten Maßstäben bewertet, schüchtert er Menschen ein, ihre Meinung frei zu äußern.

Mao wollte, dass Kinder ihre Eltern ausspionieren.

Mit Hilfe von Big Data kann das Leben systematisierbar und noch umfassender durchleuchtet werden. Es wird Menschen unter einen permanenten Druck setzen, gut genug im Sinne des Staates zu sein. Man weiß nicht, was das genau heißt – in einem Land, das kein Rechtsstaat ist.

Sollen die IT-Firmen die Daten halt nicht weitergeben.

Dann könnte die Regierung sie massiv unter Druck setzen.

Also ist es an der Bevölkerung, zu protestieren.

Ich sehe kein großes Potenzial zum aktiven Widerstand. Dazu ist der Sicherheitsapparat zu abschreckend mächtig. Manche Chinesen werden versuchen, das System auszutricksen. Es gibt bereits T-Shirts, auf die ein Anschnallgurt gedruckt ist, um Sanktionen gegen Fahren ohne Anschnallen zu umgehen. Womöglich aber werden sie ihre Freundschaften danach ausrichten: Deine Punktzahl ist zu niedrig, das zieht mich auch runter.

Was passiert bei Regelverstößen?

Man bekommt etwa keinen Kredit oder einen schlechteren Studienplatz. Bilder und Daten von Menschen, die gegen diese Regeln verstoßen, werden auch ver­öffentlicht, als abschreckendes Beispiel. Wie ein Pranger.

Warum sollte uns in Deutschland das interessieren?

Populisten und Autokraten können das System kopieren. Außerdem erfasst das System auch Daten von Aus­ländern, die in China leben oder dorthin reisen.

Realistisch, dass die Megadatenbank 2020 steht?

Nein. Die technologischen Herausforderungen sind ­enorm. Viele chinesische Behörden und Staatsunter­nehmen, die Informationen liefern sollen, werden das ­hinauszögern. Auch für sie sind Daten Macht. Allerdings ist China so gut wie kein anderes Land dafür gewappnet, so ein System aufzubauen.

JAN SIEFKE

Dr. Kristin Shi-Kupfer

Kristin Shi-Kupferleitet den 
Forschungsbereich 
Politik, Gesellschaft und Medien des Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin. Sie ist Expertin für Medienpolitik, 
Zivilgesellschaft, Religionspolitik und Ideologie in China.
Portrait Manon Priebe, online-Redaktion chrismonLena Uphoff

Manon Priebe

Manon Priebe hat Sinologie studiert. Bei ihrem Aufenthalt kurz vor den Olympischen Spielen in Beijing hat sie selbst erfahren, wie viel Wert der Staat auf "Vertrauenswürdigkeit" legt: Frühmorgens stand die Polizei in der Wohnung, um alle Ausländer zu überprüfen.

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