Klaas Neumann
95 Thesen gegen - was eigentlich?
Wie alles begann, und worum es ursprünglich einmal ging
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
29.09.2017

Wer verbreitete erstmals, Martin Luther habe seine Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen?
A    Luther persönlich
B    Sein Sekretär Rörer im Jahr 1540
C    Sein Mitstreiter Melanchthon 1547
D    Kirchenhistoriker Loofs 1901

Richtig C: Melanchthon verbreitete es im Jahr 1547 in seiner Vorrede zum zweiten Band von Luthers Werkeausgabe von 1547 (erschienen im Jahr nach Luthers Tod). Ob Melanchthons Auskunft, Luther habe die Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen, historisch korrekt ist oder nicht, ist bis heute strittig. Denn schon 1961 war dem katholischen Kirchenhistoriker Erwin Iserloh aufgefallen, dass Martin Luther in keiner seiner Schriften ausdrücklich von einem Thesenanschlag am 31. Oktober 1517 spricht. 2006 entdeckte dann aber ein ein Mitarbeiter der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, dass Luthers Sekretär Georg Rörer (1492-1557) ganz am Ende seines Arbeitsexemplars zur Revision des Neuen Testaments von 1540 notiert hatte: „Am Vorabend des Allerheiligenfestes im Jahre des Herren 1517 sind von Doktor Martin Luther Thesen über den Ablass an die Türen der Wittenberger Kirchen angeschlagen worden." Diese Notiz legt die Historizität eines Thesenanschlags an die Tür der Schlosskirche durchaus wieder nahe. Nun muss man aber die Quizfrage genau lesen. Dort steht: "Wer verbreitete erstmals die Information über den Thesenanschlag?" Rörer hat sie nicht verbreitet, er hat sie nur für sich notiert. Verbreitet hat diese Information - nach allem was wir heute wissen: Philipp Melanchthon.

 

Was tat Luther ganz sicher mit den 95 Thesen?
A    Er gab sie in Cranachs Druckerei
B    Er sandte sie an den Mann, der die Ablassprediger beauftragt hatte
C    Er rahmte sie und hängte sie in die Arbeitsstube auf der Wartburg
D    Er ließ das Original bei Sotheby’s versteigern 

Richtig B: Am Vorabend zu Allerheiligen 1517, also am 31. Oktober, sandte Martin Luther einen Brief an Erzbischof Albrecht von Mainz, zugleich Erzbischof der Magdeburger Kirche und Markgraf zu Brandenburg. Dieser Brief ist noch heute erhalten. Davon, dass Luther seine Thesen selbst in Cranachs Druckerei vervielfältigen ließ, ist dagegen nichts bekannt. Der Adressat seines Briefes, Albrecht, war 1490 als zweiter Sohn des Kurfürsten von Brandenburg geboren worden. 1513, im Alter von 23 Jahren, war er Erzbischof von Magdeburg geworden, im Jahr darauf zudem Erzbischof und Kurfürst zu Mainz. Das war allerdings nicht erlaubt. Das Kirchenrecht verbot damals schon, dass eine Person mehr als einen Bischofssitz innehat. Um mit diesem Rechtsbruch beim Papst durchzukommen, bezahlte Albrecht teuer für das Doppelamt. Auch dies ist ein Verstoß gegen das Kirchenrecht, das den Kauf von Ämtern verbietet. Für den Ämterkauf nahm Albrecht ein Darlehen beim Augsburger Bankhaus Fugger auf. Diesen Kredit wollte er mit Einnahmen aus einem Ablass - den Papst Leo X. im Jahr 1517 verkündet hatte - zurückzahlen. Den Verkauf dieses Ablasses in den Bistümern Halberstadt und Magdeburg übernahm Ablassprediger Johann Tetzel, ein Dominikaner. Dessen unlautere Verkaufspraktiken veranlassten Luther wiederum, 95 Thesen gegen den Verkauf von Ablässen zu verfassen - und sie an den Urheber dieses Ablasses, Albrecht von Mainz, zu schicken. Der Brief ist noch erhalten. - Luther wusste allerdings nichts von Ämterkauf und Fugger-Darlehen und thematisiert daher auch all diese schmutzigen Geschäfte nicht in seinen Thesen.

 

Die erste der 95 Thesen beginnt so: Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht „Tut Buße“, hat er gewollt, . . .
A    dass wir Ablassbriefe kaufen
B    dass wir uns keinem Papst beugen
C    dass endlich reformiert wird
D    dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll

Richtig D: "Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: Tut Buße u.s.w. (Matth. 4,17), hat er gewollt, daß das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll." So lautet die erste der 95 Thesen von 1517.

Um die falschen Antwortmöglichkeiten auszuschließen, seien von den weiteren Thesen folgende vorgestellt: These 41: "Nur mit Vorsicht darf der apostolische Ablaß gepredigt werden, damit das Volk nicht fälschlicherweise meint, er sei anderen guten Werken der Liebe vorzuziehen." Das heißt: Luther wandte sich in seinen 95 Thesen nicht grundsätzlich gegen die damalige Ablasstheologie.

These 43: "Man soll den Christen lehren: Dem Armen zu geben oder dem Bedürftigen zu leihen ist besser, als Ablaß zu kaufen." Das heißt: Luther stand dem Kauf von Ablassbriefen grundsätzlich kritisch gegenüber.

These 47: "Man soll die Christen lehren: Der Kauf von Ablaß ist eine freiwillige Angelegenheit, nicht geboten." Das heißt: Luther war nicht vollständig gegen den Kauf von Ablässen.

These 50: "Man soll die Christen lehren: Wenn der Papst die Erpressungsmethoden der Ablaßprediger wüßte, sähe er lieber die Peterskirche in Asche sinken, als daß sie mit Haut, Fleisch und Knochen seiner Schafe erbaut würde." Das heißt: Luther Kritik richtet sich vor allem gegen die missbräuchlichen Praktiken der Ablassprediger.

These 61: "Selbstverständlich genügt die Gewalt des Papstes allein zum Erlaß von Strafen und zur Vergebung in besondern, ihm vorbehaltenen Fällen." Das heißt: In seinen Thesen Luther stellte nicht grundsätzlich das Amt des Papstes in Frage, im Gegenteil.

These 81: "Diese freche Ablaßpredigt macht es auch gelehrten Männern nicht leicht, das Ansehen des Papstes vor böswilliger Kritik oder sogar vor spitzfindigen Fragen der Laien zu schützen." Das heißt: Luther kritisierte das Verhalten der Päpste zu seiner Zeit. - Eine grundlegenden Kirchenreform war schon zwei Jahrhunderte vor Luthers Veröffentlichung seiner 95 Thesen in aller Munde. Schon in der Vorbereitung des Konzil von Vienne im Jahr 1311 war davon die Rede, die "Kirche Gottes zu korrigieren und reformieren, sowohl an Haupt als auch an Gliedern". Luther selbst präsentierte sein Programm einer Erneuerung der Kirche aber erst im Frühsommer 1520 - in seiner Schrift "An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung". Darin kritisiert er die klerikale Amtshierarchie, das Pfründensystem, das Mönchtum, der Zölibat, die Heiligenverehrung, die Messstiftungen, das Wallfahrtswesen sowie das alledem zugrundeliegende kanonische Rechtssystem.

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