Christoph Blumhardt
Marco Wagner
Nicht nur ans eigene Wohl denken!
Wie der württembergische Pfarrer Christoph Blumhardt gegen Ausbeutung und Nationalismus predigte – und Politiker wurde
Lena Uphoff
01.02.2017

Mit 38 Jahren tritt Christoph Blumhardt in die Fußstapfen seines verstorbenen Vaters. 1842 war er als Sohn des Pfarrers Johann Christoph Blumhardt im schwäbischen Möttlingen geboren. Als Junge erlebte er mit, wie sein Vater Kranke begleitete und als Erweckungsprediger Aufsehen durch angebliche Gebetsheilungen erregte.

Wie der Vater studierte Christoph Theo­logie. Mit 27 Jahren wird er als Assistent in Boll tätig. Neben dem Papa wirkt der junge Mann unscheinbar. Als er 1880 in die Chefrolle wechseln soll, gehen selbst wohlmeinende Freunde fest davon aus: Lange wird das nicht gutgehen. 

Die Frommen - allesamt Egoisten!

Für Christoph Blumhardt steht fest: Es soll gutgehen, soll weitergehen – aber ganz anders. Die frommen, wohlhabenden ­Patienten im Kurhaus sind ihm zu sehr auf das eigene Wohl fixiert. Wie es den Armen und Notleidenden, den ausgebeuteten ­Arbeitern geht, wird zum Thema seiner herausfordernden Predigten.

Nicht böse Mächte verhinderten das Kommen Jesu Christi, predigt er. Nein! Es seien die Frommen selbst, allesamt geist­liche Egoisten. Die dankten Gott im Gebet, dass es ihnen gutgehe, anstatt sich in die Spur Jesu zu begeben und etwas für andere zu tun: „Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“ 

Blumhardt verlässt die gesicherte Welt am 19. Juni 1899. Im Reichstag zu Berlin wird auf Drängen des Kaisers ein Gesetz beraten, das Arbeiter mit Zuchthaus bestrafen soll, wenn sie Streikbrecher daran hindern, das Firmengelände zu betreten. Als der Pfarrer das hört, fährt er sofort in die Industriestadt Göppingen zu einer Protestkundgebung der Sozialdemokraten. Die Arbeiter begrüßen ihn freundlich, und er gibt eine Sympathieerklärung ab, in der er das Gesetz als „Verbrechen an der Gerechtigkeit“ bezeichnet.

Selbst die Gegner sind beeindruckt

Ein Sturm bricht los. Die konservative Göppinger Lokalzeitung „Hohen­staufen“: „Darüber müssen wir uns klar sein, dass ein Mann, der berufen ist zum Verkündiger des Wortes des Allmächtigen, nie und nimmer Sozialdemokrat sein kann.“ Was ihm die Monarchisten zusätzlich übelnehmen: seinen „Internationalismus“. Blumhardt wirbt für Frieden und Freundschaft mit Frankreich. Christ-sein heiße Mensch-sein und nicht Nationalismus.

Die SPD fragt Blumhardt, ob er für den Landtag kandidiere. Er sagt Ja, tritt in die Partei ein und beginnt den Wahlkampf. Selbst seine Gegner sind beeindruckt. Der „Hohenstaufen“: „Ungeheurer Beifall folgt Blumhardts Ausführungen. Es war sichtbar, dass er nicht nur auf die Anhänger der Sozialdemokratie, sondern auch auf die Angehörigen anderer Parteien einen tiefen Eindruck gemacht hat.“

Christoph Blumhardt wird im Dezember 1900 mit 65 Prozent der Stimmen im Wahlkreis Göppingen direkt in den Landtag gewählt. Auf Druck der württem­bergischen Kirchenleitung gibt er sofort sein Pfarramt auf. Nur im Kurhaus Boll wirkt er noch als Seelsorger und Prediger. 1906 tritt er, weil gesundheitlich schwer angeschlagen, nicht mehr zur Wahl an. Er führt mehr und mehr ein zurück­gezogenes Leben. Dennoch nimmt er Anteil am Zeitgeschehen, hält auch während des Ersten Weltkrieges an seiner antimilitaristischen Position fest. Im Oktober 1917 erleidet er einen Schlaganfall und stirbt an dessen Folgen 1919.

Wie kaum ein anderer beeinflusste Chris­toph Blumhardt mit seiner Reich-Gottes-Erwartung und der damit verbundenen Ablehnung von Krieg und sozialer Ungleichheit die folgende Generation aufgeklärter Theologen wie Karl Barth und Paul Tillich.

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