Was erlauben die sich!
Recep Tayyip Erdoğan redet respektlos über deutsche Abgeordnete
Lena Uphoff
20.06.2016

Als „ersten Genozid des 20. Jahrhunderts“ hatte Papst Franzis­kus die Massaker im Osmanischen Reich gegen christliche Armenier bezeichnet, denen mehr als 1,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen. „Genozid“ heißt: Völkermord. Gut, dass der Bundestag der massenhaften Tötungen, die im April 1915 begannen, in einer Resolution gedacht hat – nahezu einstimmig. Denn die treuesten Partner des damaligen „Jungtürken“-­Regimes waren die sogenannten Mittelmächte des Ersten Weltkrieges: das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn. Wichtig und richtig, dass die Erklärung des Parlaments die deutsche Mitschuld an den Verbrechen eindeutig benannte.

Zu erwarten und dennoch in Form und Sprache unglaublich war die Reaktion des türkischen Präsidenten Erdoğan, vor allem gegen das Dutzend Bundestagsabgeordneter türkischer Herkunft. Die Beschimpften seien der „verlängerte Arm“ der kurdischen Terrororganisation PKK. Historisch schwachsinnig: Denn die Gewalt vor 100 Jahren resultierte aus kurdisch-armenischen Konflikten. In Sprache und Denkweise katastrophal: „Sie haben nichts mit Türkentum gemein. Ihr Blut ist schließlich verdorben.“

Lammert und Schulz haben richtig gehandelt

Es gibt für einen Bundesbürger nicht so oft Anlass, dankbar für ein öffentliches Statement zu sein, wie nach der Antwort von Bundestagspräsident Norbert Lammert auf Erdoğan. Lammerts Wort, wer einzelne Abgeordnete in dieser Weise beleidige und herabwürdige, treffe das gesamte Parlament, war symbolhaft für bundesdeutsche Identität. Deutschland ist ein Rechtsstaat in Freiheit und Vielfalt. Und er ruht auf einem Grundsatz, der im Gehirn eines Erdoğan nicht existiert: Gewaltenteilung zwischen Legislative (Parlament), Exekutive (Regierung) und Judikative (Rechtsprechung).

Genau dies alles hält der türkische Präsident für west­lich-dekadenten Blödsinn, den es abzuwehren gilt. Und im Umgang mit dem Parlament im eigenen Staat hat er die Worte längst mit Taten unterfüttert. Europa darf dies nicht hin­nehmen. Wie Lammert hat dies, Gott sei Dank, auch Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments, deutlich gemacht – in einem Brief an Erdoğan. Richtig, selbst wenn der Empfänger den Brief in die Tonne wirft.

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