Fotoalben der Familie August Kuhlmanns
Aus angeblich Wilden sollte er Untertanen des Kaisers machen, aus Heiden Christen, aus Fremden Vertraute. Fotoalben der Familie August Kuhlmanns
Archiv und Museumsstiftung der VEM
Zwischen den Fronten
Er sollte den Wilden christlichen Glauben und deutsches Wesen beibringen. Dann schlug sich der Missionar August Kuhlmann aber auf die Seite der Herero. Und wurde Zeuge, wie sie zu Tausenden deportiert und ermordet wurden
Marc Engelhardt, AutorPrivat
02.05.2016

Palmen in Schwarz-Weiß auf Barytpapier mit Wellenschnitt. Wie auf diesen Postkartenbildern, so wird sich der 26-jährige August Kuhlmann die Kolonie vorgestellt haben. Doch was für eine Enttäuschung, als sich das Schiff nach wochenlanger Seereise der Küste Deutsch-Südwestafrikas näherte und sich der Nebel lichtete.

„Sand, Sand, nichts als Sand erblickt das Auge; vergeblich sucht es auf den das Meer begrenzenden gelben Höhenzügen, die aus zusammengewehten Sandmassen bestehen, grüne Bäume oder Sträucher.“ So beschreibt Kuhlmanns Tagebucheintrag die Ankunft in dem Land, in dem er für die Rheinische Mission tätig sein sollte. In Swakopmund betritt der Missionar 1898 erstmals afrikanischen Boden.

Die Stadt geht heute noch als Kolo­nialstadt durch. Verschnörkelte Zucker­bäckerhäuschen, eine Art afrikanische Bäderarchitektur. Die Adlerapotheke, das Alte Amtsgericht, die Bismarckstraße. ­Dahinter der Sand. Abenteuerurlauber rasen heute auf ­Quads durch die Dünen, der Sand spritzt in Richtung Himmel. Hier trifft man noch Menschen, die sich an August Kuhlmann erinnern, als er schon alt und sie noch jung waren. ­Friedel Ganschow zum Beispiel, eine Ärztin. Als Pensionsschülerin, lange vor ihrem Studium, begleitete sie den Missionar zu Krankenbesuchen bei Afrikanern. Er kümmerte sich, sie beobachtete. August Kuhlmann habe ein gutes Verhältnis zu den Menschen gehabt, sagt sie.

Wer war August Kuhlmann? Wer die Puzzlestücke zusammenfügen will, die der Missionar hinterlassen hat, muss viel herumreisen. Ins heutige Namibia, wo die Nach­fahren der deutschen Kolonialisten leben – mitten unter den ver­arm­ten Nachfahren der Herero und Nama. Zum Archiv der Vereinten Evangelischen Mission, der Nachfolgerin von Kuhlmanns Rheinischer Mission, nach Wuppertal. Nach Hamburg und Dortmund, wo seine Enkelinnen wohnen.

Bei den Herero galt der Name August Kuhlmann viel

Barbara Kuhlmann, 70, ist die Enkelin in Hamburg. „Er war ein Kind seiner Zeit, aufgewachsen in sehr klaren Strukturen“, sagt sie. Am Weihnachtstag 1871 wurde August Kuhlmann geboren, als Sohn eines Maurers. Schon mit sechs musste er arbeiten. „Der Vater hatte einen Schlaganfall, und da waren Pflicht und Gehorsam entscheidend.“ Als er zwölf war, starb der Vater. Die Mutter erzog ihn in „Zucht und Vermahnung zum Herrn“, wie er selbst berichtete. Nur vier der 36 Enkelinnen und Enkel haben den Großvater noch kennengelernt. Barbara Kuhlmann wurde erst nach seinem Tod geboren. Und doch hat sein Leben das ­ihre geprägt.

Die Menschen, denen er Christentum, Sesshaftigkeit und die Herrschaft des Deutschen Reichs nahebringen sollte, ­waren Kuhlmann fremd. Sie seien ­„Wilde“ mit „leeren Augen“, die „wunderliche ­Laute“ ausstoßen, notierte er im Tagebuch. Die „einst keinen Sinn im Leben hatten“ und jetzt „zur Arbeit in unserm Sinne ­erzogen“ werden sollten. Dieses Zerrbild des minderwertigen Eingeborenen prägte die deutsche Kolonialpolitik. Der junge Kuhlmann stellte es nicht infrage.

Ende der 1940er Jahre zog die dreijährige Barbara Kuhlmann mit ihren Eltern nach Namibia. Bis zu ihrem 14. Geburtstag blieb sie dort. Ihre beste Zeit verbrachte sie bei Augusts Witwe, seiner zweiten Frau Elisabeth Kuhlmann. Sie war der Gegenpol zum schweigsamen, in sich gekehrten Ostwestfalen. Eine in Namibia geborene und aufgewachsene Missionarstochter, die nach dem Tod der ersten Frau 1903 zu Kuhlmann stieß. Sie war eine, die Herzen gewann. Vielleicht half sie ihrem Mann, sich den fremden Ureinwohnern anzunähern.

Man kann sie, die „Omali“, heute noch reden hören. Barbara Kuhlmann hat in ihrer Hamburger Wohnung Magnet­bänder gelagert, die ein Freund der ­Familie aufgezeichnet hat. Darauf erzählt die Großmutter von ihrem Treck mit dem Ochsenwagen bis in den Osten des Landes, wo August Kuhlmann seine Missions­station gründete. „Omali“ lachte viel. Und sie erzählte Anekdoten. Wie sie am Geburtstag ihrer Mutter unerwartet den Gouverneur zu Hause bewirten musste und erst er, dann sie die Gläser mit dem raren Wein umstießen. Die beiden mussten sich schließlich mit Wasser zuprosten. Da lebte „Omali“ schon im Missionshaus von Omaruru, wo sie alt wurde.

Barbara Kuhlmanns Eltern unterstützten im Apartheidsstaat Namibia die demokratische Opposition. „Das Haus war offen für alle, egal welcher Hautfarbe“, erinnert sie sich. Viele Herero waren darunter. ­Bei ihnen galt der Name August Kuhlmann viel. Ausgerechnet der Missionar, der ein Erfüllungsgehilfe der herrschenden Kolonialordnung sein sollte, der die Herero ans Deutschtum assimilieren sollte, ausgerechnet er gilt ihnen bis heute als Vertrauter, Freund und Verbündeter.

"Es ist eine traurige Zeit, in der wir leben"

Man muss sich die Widersprüche klar machen, wenn man die Zerrissenheit der jungen Missionare verstehen will. Bei den Häuptlingen erwarben sie sich früh den Ruf ehrlicher Vermittler. Aber die Kolonialverwaltungen missbrauchten sie als Übersetzer für ihre Zwecke; kein anderer Deutscher verstand die Sprachen der heimischen Völker. Die Rheinische Mission äußerte sich gelegentlich kritisch gegen das koloniale Herrschaftssystem. Aber gleichzeitig war sie ihr fester Bestandteil; als Oberhaupt der evangelischen Kirchen verstand der Kaiser die Unterwerfung afrikanischer Völker unter die deutsche Herrschaft als Gottesgebot.

Und so verkündete die Missionsgesellschaft: „Es ist ja selbstverständlich, dass wir die deutschen Kolonialbestrebungen auf unsern Missionsgebieten mit herzlicher Freude begrüßen, sonst müssten wir in der That keine guten Deutschen sein.“ Und der deutsche Gouverneur nutzte den Missionar Kuhlmann für seine Zwecke. Er ließ ihn in den Osten der jungen Kolonie entsenden, um den dort herrschenden ­Onkel des einflussreichen Hereroführers Samuel Maharero auf die Seite der Deutschen zu bringen.

Doch August Kuhlmann lernte die ­Herero und ihren Chef zu achten. Das zeigen seine Tagebucheintragungen: „Der Alte ist als der zweitreichste Häuptling ­bekannt. Er zeigt jedoch wenig Neigung, sein Vieh und Land zu verschleudern. Branntwein, der ihm angeboten wird, lehnt er ab, weil er seinen Körper damit nicht verderben will.“ In einem Streit mit deutschen Siedlern um das Land der ­Herero stellte sich Kuhlmann erstmals gegen die Kolonial­regierung: "Es ist eine traurige Zeit, in der wir leben, eine Zeit des Austausches ‚verbriefter Rechte‘ auf diese und jene Gebiete, die die Eingeborenen von ihren Vätern ererbt haben.“

Wenn es ­keine Arbeit gibt, verbringen die Bewohner ihre Tage mit Warten

Immer mehr Herero zogen auf Kuhl­manns Station, wo sie Ackerbau und andere Fertigkeiten lernten. Der ansonsten schweigsame, Pfeife rauchende Missionar tauschte sich mit den Herero aus. Er schrieb von „Forschungsreisen in das ­Innere der Schwarzen“. Die neuen Nachbarn werden ihm vertraut, die eigenen Landsleute ­immer fremder.

Der Osten Namibias ist noch heute ein karges Land. Wer hier Rinder züchtet, braucht Farmen so groß wie Luxemburg, um über die Runden zu kommen. Auf den Farmen der Weißen, viele auf Herero-Land errichtet, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Innen ist es düster, dicke Steinmauern und tiefe Dächer wehren Hitze und Licht der Sonne ab. Die Farmer sprechen deutsch, fahren am Sonntag zwei Stunden mit dem Landrover zum Gottesdienst. Ihren Besitz haben sie umzäunt, auch mit Stacheldraht.

Am Rande der Güter stehen einfache Hütten, mit Wellblech gedeckt oder mit platt getretenen Fässern. Wenn es ­keine Arbeit gibt, verbringen die schwarzen Bewohner ihre Tage mit Warten. Es ist, als wären die Befürchtungen derer, die den Missionaren mit Skepsis begegneten, eingetroffen. „Wenn einmal die Missionare hier sind, dann kommen auch bald andere Deutsche“, wird ein Häuptling zitiert. „Sind diese aber mal hier, dann kommen bald auch die deutschen Soldaten, und dann werde ich meine Herrschaft verlieren.“

Gewissensentscheidung - für die Herero

Tatsächlich eskalierte die Lage. 1904 begann Hereroführer Samuel Maharero den Krieg gegen die Deutschen, er ­endete im Völkermord. Deutsche Soldaten töte­ten Männer und Frauen. Sie schossen auf sie, trieben sie in die Wüste, wo sie verdurs­teten, ließen sie in Arbeitslagern elendig zugrunde gehen. Vor Kriegs­beginn schätzte man die Zahl der Herero auf 85 000 bis 100 000. Sieben Jahre später zählte man nur noch 15 130. Weitere zehntausend Nama kamen ums Leben.

Für Samuel Maharero waren es die kolonialen Händler, die die Herero zur Verzweiflungstat trieben. „Du weißt, wie viele Herero durch die weißen Leute, besonders Händler, mit Gewehren und in Gefängnissen getötet sind“, schrieb Maharero 1904 an den Gouverneur. Die Händler hätten den in Gelddingen unerfahrenen Herero Waren auf Pump verkauft und so in die Verschuldung getrieben.

„Nachdem sie so getan, raubten sie sie aus, bis sie soweit ­gingen, sich bezahlen zu lassen, indem sie für ein Pfund Sterling Schuld zwei oder drei Rinder gewaltsam wegnahmen. Diese Dinge sind es, die den Krieg in diesem Lande erregt haben.“ Der Zorn in der deutschen Fassung des Briefes ist August Kuhlmanns Zorn. Er hat den Brief für ­Maharero übersetzt.

Tagebucheintrag am 14. Januar 1904, als Kuhlmann Nachricht vom Aufstand der Herero erhielt: „Mein nächster Gedanke gilt meiner Gemeinde und meinem Stamme... Wie soll ich mich als Hirte zu meiner Gemeinde verhalten, die gewiss zum Kriegsrat nach der Häuptlingswerft gegangen ist?“ Kuhlmann entscheidet sich für die Herero. Wochenlang zieht er mit ihnen, bis sie ihm helfen, die sichere deutsche Festung zu erreichen.

"...und das gab den Herero das Recht zum Kriege"

Das Archiv der Rheinischen Mission, heute die „Vereinte Evangelische Mission“ (VEM), befindet sich in Wuppertal-Barmen. Was der Missionar über den Herero-Krieg berichtete, auch August Kuhlmanns Privatkorrespondenz, ist hier ordentlich in die Akten­ablagen einsortiert, katalogisiert, sogar Quittungen. Vielfach wurde die Archiv- und Museumsstiftung für ihre transparente und kritische Aufarbeitung der ­eigenen Geschichte gelobt.

Aber Tausende Fotos, säuberlich in Alben geklebt, sind noch nicht gesichtet. Eng beschriebene Luftpostblätter, seitenlange Traktate, Handschriften, für deren Transkription man Erfahrung braucht, eine mühsame Aufgabe. Das Leben August Kuhlmanns, minutiös erfasst, tritt erst nach und nach ans Tageslicht.

Da ist der Brief an einen Missions­inspektor, in dem Kuhlmann mitten im Krieg offen Partei für die Herero ergriff: „Die Herero haben bis vor dem Aufstand nie die Verträge gebrochen, wohl aber die deutsche Regierung. Und das gab den ­Herero das Recht zum Kriege.“ In der Heimat kam das nicht gut an. In Barmen musste sich die Mission gegen Vorwürfe wehren, sie sei unpatriotisch. In einem Hirtenbrief gab sie den Herero die Schuld am Krieg.

Kuhlmann weigerte sich, den Brief unter den Herero zu verbreiten. „Alle waren der Meinung, dass die Herero ungerecht beurteilt würden, wenn man sie... in jeder Beziehung schuldig spreche, wie es das Schreiben tut.“ Die Gewalt und Willkür des Krieges festigte seine Kritik an den Deutschen.

Nicht gottlos, sondern beseelt von eigener Moral

Sieglinde Kayss, 75, lebt in einem Reihenhaus in Dortmund. Draußen Vorgärten, gepflegte Nachkriegs­architektur, blitzende Autos. Drinnen Kunst aus Bali, der Türkei, Namibia. Kayss ist die Tochter von August Kuhlmanns Sohn Werner, der in den Wirren des Herero-­Kriegs geboren wurde. In ihrem Obergeschoss lagert ein weiteres Archiv. Briefe, Aufzeichnungen, Tagebücher in Sütterlin, mühsam abgetippt. Kopierte ­Artikel aus der Allgemeinen Zeitung, Jahrgang 1904. Anzeigen, Nachrufe, Aufsätze. „Mein Großvater hat zum Beispiel einen langen Text über den Geister- und Götterglauben der Herero geschrieben.“ Da nahm August Kuhlmann das Volk nicht mehr als gottlos wahr, sondern als beseelt von ­eigener Moral.

Zeugnisse aus der Zeit ihres Großvaters scheinen über die weiten Verzweigungen der Familie immer irgendwie den Weg nach Dortmund geschafft zu haben. Eine große Holztruhe, „von der Art, wie man sie damals im Ochsenwagen transportierte, der ist damals von Deutschland nach Afrika gebracht worden und jetzt wieder zurück.“ Sieglinde Kayss ordnet und ver­waltet den Nachlass.

Das Buch über ihre Großmutter, die auch sie (wie ihre Kusine Barbara) ver­ehrte, hat sie nie geschrieben. Ihr fehlte die Zeit. Stattdessen zog sie um die Welt, als Stewardess und Frau eines Ingenieurs. „Südafrika und Namibia sind immer meine Heimat geblieben. Dahin hat es mich immer wieder gezogen.“ Vor zwei Jahren hat sie die Geburtsstätte ihrer Großmutter besucht, auch das alte Missionshaus.

Wer nicht verdurstete, suchte Unterschlupf im Busch

Kuhlmanns Missionshaus in Omaruru ist heute ein Museum. Gegenüber die alte Kirche, daneben der Friedhof der Herero-Häuptlinge. Enkelin Barbara Kuhlmann hat die Renovierung vorangetrieben. Kaufen durften die Kuhl­manns das Gebäude nicht. Kameldornbäume überschatten die nahe Hauptstraße. Heißer Wind pfeift um die weiß gekalkte Wand. Wer eintritt, muss sich bücken. 1,75 Meter Deckenhöhe, früher reichte das. Es ist eng, man kann sich die Bürde des Lebens mit lauter Kindern vorstellen.

Der Autor

###drp|LHKT1PzL28g04PE8TGkqCHJr00144764|i-43|Foto: Privat|###Marc Engelhardt reist seit Jahren immer wieder nach Namibia, wo der Einfluss von Missionaren wie Kuhlmann bis heute spürbar ist.

Der Waterberg ist gut drei Auto­stunden von Omaruru entfernt. Die Region rund um den rötlichen Tafelberg ist heute Naturreservat. Akazien rauschen, Vögel singen, irgendwo kreischt ein Affe. Touristen genießen die Idylle von schattigen Aussichtsplattformen aus.

Als die Herero hier am 11. August 1904 vor den deutschen Truppen in die Wüste flohen, schien die Sonne unbarmherzig vom Himmel. Die Deutschen riegelten die Wege ab, Tausende Herero verdurs­teten. Wer nicht verdurstete, suchte Unterschlupf im Busch. Ausgerechnet von dort sollten Missionare wie Kuhlmann sie ­herausholen, in Lager schaffen.

18 Seiten Anklageschrift ohne Folgen

Kuhlmann schrieb an die Heeresführung, flehte um Amnestie. In einem Brief an die Vorgesetzten in Barmen wetterte er: „Und nun sollen die im Feld herum­irrenden Herero noch Mut und Vertrauen haben, sich zu ergeben! Das ist wahrlich der reinste Hohn!“ Das Kolonialregime wies den Missionar brüsk ab. Kuhlmann musste irgendetwas tun. Mit Versprechungen holte er fast 800 Herero ins ­Lager nach Omaruru.

Als er merkte, dass er seine Versprechungen nicht halten konnte, verweigerte er sich wieder. „Dass er den ­Herero Versprechungen machte, die später von der Kolonialverwaltung nicht gehalten wurden, darüber ist er nie hinweggekommen“, sagt die Enkelin Sieglinde Kayss.

Kuhlmann reiste auf die ­Haifischinsel, rund 400 Kilometer Luftlinie südlich von Swakopmund, wo die Deutschen ein Konzentrationslager betrieben, wo Pocken­kranke auf kargen, vom Meer umspülten Felsen verdursteten. Eine Decke für ein Dutzend Menschen! Der Missionar schrieb sich alles von der Seele, 18 Seiten auf dünnem Papier, dicht bekritzelt bis an die Ränder, eine Anklageschrift. Folgenlos. Kuhlmann blieb mit seiner Empörung weitgehend ­allein. Ein Jahrhundert später macht sich der deutsche Staat seine Haltung zu eigen. Doch bis heute erinnert kein Mahnmal auf der Haifischinsel an das Los der Herero.

Fünf Jahre lang übersetzte er das Alte Testament in die Herero-Sprache

Kuhlmann brach mit der alten Heimat. Selten kehrte er noch nach Deutschland zurück, in ein Land, das er nicht mehr verstand. Über die Herero schrieb er, sie seien „nun einmal dies Volk ... das mir durch manche Umstände ans Herz gewachsen ist; auch kann ich es ihm nicht vergessen, dass es mich, von wenigen Heiden ab­gesehen, im wildesten Kriegsgetümmel stets mit Ehrerbietung behandelte.“

Im Zentrum seiner zweiten Lebenshälfte stand die Familie. Vieles spricht ­dafür, dass er nur weiter arbeitete, um ­seine zehn überlebenden Kinder versorgen zu können. Er habe mit dem Gedanken gespielt, die Mission aufzugeben und Bücher zu schreiben, berichtete Kuhlmann später seinem Sohn Helmut, der auch Pfarrer wurde. Doch dafür reichte das Geld nicht.

Er übersetzte das Alte Testament in die Herero-Sprache, fünf Jahre lang. Vor seinem Tod sei Kuhlmann dement geworden, habe niemanden mehr erkannt, erinnert sich Friedel Ganschow, die Ärztin aus ­Swakopmund. 1945, auf dem Totenbett, sang er ein deutsches Kirchenlied mit allen Strophen. Dann war Stille.

Als Barbara Kuhlmann 2007 nach Namibia flog, kaufte sie eine Stereo­anlage. Der damalige Herero-­Pfarrer in Omaruru hatte für seine Gemeinde ­darum gebeten. „Noch abends haben wir die Anlage aufgebaut und einen sehr be­wegenden Gottesdienst erlebt.“ Namibia, die Herero, sie lassen auch die jüngere Kuhlmann-Enkelin nicht los. „Über die Jahrzehnte habe ich gemerkt, dass es ein Echo hervorruft, wenn ich sage, wer ich bin.“ 

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