Deutscher Katholikentag
Warten auf den Abschlussgottesdienst 2014 in Regensburg
ddp images/Pacific Press
Brauchen Frauen etwa ein Stimmrecht?
Mit Emanzipationsbewegungen tat sich die katholische Kirche oft schwer. Und heute? In diesem Jahr lädt der Katholikentag nach Leipzig ein. Es ist der einhundertste. Im Revolutionsjahr 1848 hatte man sich zum ersten Mal getroffen
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
30.04.2016

Das Ideal sieht irgendwie anders aus. Zum Beispiel so: Mutig setzt sich die Kirche für die Menschenrechte ein; sie lässt sich von Regierungen und Parteien nicht einspannen; sie ist mit ihren politischen Zielen der Demokratie­entwicklung weit voraus; und sie ist die Erste, die gegen Kriege und Diktaturen Position bezieht.

Ende Mai trifft sich der Deutsche Katholikentag zum einhundertsten Mal seit 1848. Wer das politische Profil der 100 Katholikentage Revue passieren lässt, dem fällt so einiges auf zu den Stichworten Mut und Demokratie. Aufschlussreich ist vor allem, wie Kirche und politische Macht in Deutschland mal gegeneinander agieren, mal einander unterstützen. Und wie die deutschen Katholiken gegenüber der päpstlichen Zentralmacht lavieren.

Für die bürgerliche Revolution von 1848 hatten die Katholiken wenig Sympathie. Päpste hatten die Menschenrechte mehrfach scharf verurteilt. Das neu zugestandene Recht auf Versammlungsfreiheit bot den Katholiken allerdings Vorteile. Sie hofften dadurch, politisch und gesellschaftlich wieder die Bedeutung zu erlangen, die sie unter Napoleon verloren hatten. Katholische Vereine schossen 1848 wie Pilze aus dem Boden, darunter rund ­400 „Pius-Vereine für religiöse Freiheit“ mit mehr als 100 000 Mitgliedern. Mehr als 1100 Petitionen richteten die Katholiken an die Frankfurter Nationalversammlung. Der neue, der erste Katholikentag im Oktober 1848 sollte diese Bestrebungen bündeln.

Ohne die Katholikentage hätte die Kirche wohl noch größeren Schaden genommen

83 Vereinsdelegierte kamen damals in Mainz zusammen. Den öffentlichen Reden lauschten weit über tausend Menschen. Zwar setzte sich erst 1948 die Bezeichnung „Deutscher Katholikentag“ durch, aber bei einem Strukturmerkmal ist es bis heute geblieben: Die zahlreichen katholischen Vereine, die es in solcher Größe und Vielfalt in der evangelischen Kirche bis heute nicht gibt, sind von Anfang an die wichtigsten Stützen der Katholikentage.

###autor###Katholikentage entwickelten im Deutschen Reich machtvolle Gegenpositionen gegen die protes­tantische Mehrheit. Sie halfen der Kirche, sich im „Kulturkampf“ des Reichskanzlers Otto von Bismarck zu behaupten, die „Soziale Frage“ anzugehen, für konfessionelle Schulen und Hochschulen zu kämpfen. Erst trafen sich die Katholiken jährlich, ab 1950 alle zwei Jahre. Nur ab Kriegsbeginn 1914 sowie während der NS-Jahre setzten die Katholikentage für längere Zeit aus. Auf ihren Treffen klärte die Kirche – nicht immer nach biblischen Prinzipien – ihre Haltung zum Ersten Weltkrieg und zur Nazidiktatur, später zum Zweiten Weltkrieg und zum Kalten Krieg. Innerkirchlich brach auf Katholikentagen mancher Autoritätskonflikt auf: so nach dem päpstlichen Unfehlbarkeitsdogma 1870 und nach dem „Pillenverbot“ 1968.

Der Katholikentag war lange Jahrzehnte nicht zögerlich, dem Staat mit einer Kriegstheologie zu dienen. 1864 begrüßte die Versammlung „mit innigstem Dank gegen Gott die Siege der deutschen Waffen, welche einen bedrängten Stamm dem gemeinsamen Vaterland wiedergewonnen haben“ – gemeint war die Eroberung des Herzogtums Schleswig durch Preußen und Österreicher im Deutsch-Dänischen Krieg.

Rund 16 Jahre, von 1871 bis 1887, dauerte Bismarcks protes­tantischer „Kulturkampf“ gegen die katholische Kirche. Ohne die Katholikentage hätte die Kirche wohl noch größeren Schaden genommen. Bischöfe mussten damals ins Exil, Pfarrstellen blieben unbesetzt, etwa 1800 Geistliche wurden inhaftiert oder gingen ins Ausland. Das katholische Gemeindeleben kam vielerorts zum Erliegen. Ein „Kanzelparagraf“ untersagte politische Äußerungen der Pfarrer. Ein Polizeikommissär observierte Veranstaltungen des Katholikentags 1876.

Das Verhältnis von Katholizismus zu Nationalsozialismus

Waren die ersten Katholikentage Arbeitstagungen von katholischen Vereins- und Verbandsvertretern, konnte seit 1871 jeder reichsdeutsche katholische Mann antrags- und stimmberechtigtes Mitglied werden. Bei der Emanzipation der Frauen hatte der Katholikentag lange auf der Bremse gestanden. 1848 hatte die erste Versammlung beschlossen, nur Männer könnten Mitglieder werden, da „in dem Vereine, als einem Vereine der Tat, das ­Frauengeschlecht seine rechte Stellung und Tätigkeit nicht finde“. Ein Jahr später wurde Frauen immerhin erlaubt, „als Hörende und abgesondert von den Männern“ teilzunehmen. Sie saßen fortan auf den Emporen. Etliche Anträge, Frauen ein Rede- und Stimmrecht einzuräumen, wurden blockiert. Bischöfe drohten, den ­Katholikentag zu boykottieren, sollte man den Frauen Zugeständnisse machen. Erst ab 1921 durften Frauen reden und abstimmen.

1910 gab es wieder einmal einen ökumenischen Tiefpunkt. Papst Pius X. bezeichnete die Reformatoren als „hochmütige und aufrührerische Männer“, als „Menschen von irdischer Gesinnung, deren Gott der Bauch ist“. Der Kaiser war beleidigt, Politiker erhitzten sich. Der Präsident des Katholikentages ruderte prompt zurück und sagte, das sei alles nur ein Missverständnis.

Warnte der Katholikentag vor den Gefahren der Kriege? Es fällt auf, dass Präsident Alois zu Löwenstein zwar von der „Friedensarbeit“ der Katholikentage sprach, sich aber selbst als Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg meldete. Zwanzig Jahre später erneutes politisches Versagen: Das Christentreffen trat dem Rassenwahn der Nationalsozialisten nicht entschlossen entgegen. „Der grassierende Antisemitismus ist kein zentrales Thema auf den Katholikentagen“, schreiben Holger Arning und Hubert Wolf in der umfassenden Dokumentation „Hundert Katholikentage“. Nach Krieg und Shoah vertrat der Mainzer Katholikentag 1948 die Linie: Die Kirche als Ganze hat sich nichts zuschulden kommen lassen, allenfalls ihre Mitglieder.

Der Verleger Theophil Herder-Dorneich, Präsident des Katholikentags, erklärte geradeheraus: „Die Kirche als der fortlebende Christus kann als solche nicht schuldig sein.“ Eine Botschaft an alle Welt beklagt „aufrichtig das Unrecht“, das geschehen ist, enthält aber auch die Sätze: ­„Unser katholisches Volk hat die Gewalttaten und Verfolgungen, den entsetzlichen Krieg und seine Gräuel nicht gewollt. Aber alle die starken Widerstandskräfte konnten sich nicht durchsetzen.“ Arnings und Wolfs Dokumentation zeichnet ein anderes Bild: „1933 kapituliert der politische und soziale Katholizismus letztlich ohne großen Widerstand vor dem Nationalsozialismus.“ 

Bis heute verweigert sich die katholische Amtskirche dem gemeinsamen Abendmahl

Als langjähriger Gefährte der Zentrumspartei hatte der Katho­likentag so seine Probleme mit der Sozialdemokratie. 1957 verneint der Münsteraner Bischof Michael Keller die Frage, ob es ein gläubiger Katholik vor seinem Gewissen verantworten ­könne, sozialdemokratisch zu wählen. So viel Gewissen sollte dann doch nicht sein. Und der Aachener Bischof Johannes Pohlschneider wetterte noch 1964 gegen die „alte sozialistische Idee von der Einheitsschule“, stand damit aber auf verlorenem Posten.

Ihre Gewissensfreiheit ließen sich die Katholiken bald nicht mehr absprechen. Aufgrund der Pillenenzyklika kündigten sie Papst Paul VI. in einer Resolution den Gehorsam auf. Geschichte schrieben der Katholikentag und Vertreterinnen seines Zentralkomitees auch, als sie die vom Papst und den deutschen Bischöfen verbotene Schwangerenkonfliktberatung unter einem eigenen Dach ab 1999 weiterführten, im Verein „Donum Vitae“. Sie wollten die hilfsbedürftigen Frauen nicht im Regen stehen lassen.

1971 beim „Ökumenischen Pfingsttreffen“ in Augsburg, gemeinsam mit dem Evangelischen Kirchentag veranstaltet, forderten viele Teilnehmer das gemeinsame Abendmahl. „Interkommunion jetzt“ stand auf Transparenten und „In Zukunft nur noch gemeinsam“. Bis heute verweigert sich die katholische Amtskirche dem gemeinsamen Abendmahl von Protestanten und Katholiken.

Ob der neue Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, eine theologische und politische Profilierung der Katholikentage bewirken wird, ist noch unklar. „Es gehört zum Katholikentag, miteinander Themen auszuloten und Lösungsversuche zu besprechen, ohne fertige Rezepte präsentieren zu können“, schreibt er übervorsichtig im Jubiläumsbuch „Hundert Katholikentage“. Die Treffen nennt er „eine Art ‚Fortbildung‘“. Nur eine vorsorgliche taktische Absicherung gegen päpstliche Einflussnahme? Oder steht dahinter eine Angst, sich politisch festzulegen? In Zeiten von AfD und Ausländerhass sind Mut und Klarheit bitter nötig.

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