Claudia Michelsen
Schauspielerin Claudia Michelsen: "Manchmal liege ich abends im Bett und denke: Was war heute besonders?"
Lotterman and Fuentes
"Ich versuche, die Zeit zu meiner Freundin zu machen"
Im Umgang mit sich selbst will Claudia Michelsen wach bleiben. Und neugierig
Dirk von Nayhauß
20.04.2016

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Berührungen mit meinen Kindern sind Glück für mich, nackte Füße im Schnee, nackte Füße im Meer. Mich zieht es immer dahin, jedes Mal schafft es das Meer, mir all das zu nehmen, was mich festmacht und -hält. Da fühle ich mich lebendig, entschleunigt. Aber es gibt auch die kleinen Dinge des Lebens, jeden Tag, durch die ich versuche, mich zu spüren, immer wieder neu und anders. Das gelingt natürlich nicht immer. Dann habe ich das Gefühl, dass der Alltag und der Mangel an Zeit über mich bestimmen. Manchmal liege ich abends im Bett und denke: Was war heute besonders? Welcher Moment? Wofür bin ich dankbar? Dieser Tag ist vorbei. Habe ich ihn wirklich gelebt, lebendig, ­diesen Tag?

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Ich fühle mich begleitet. Gott ist für mich vieles, das kann ein kleiner Windhauch sein oder Rauschen in den Bäumen. Meine Götter nehmen auch immer andere Gestalt an. Aber Gott ist für mich auch der Raum, in dem ich mich befinde. Das kann überall sein, auch in Kirchen. Ich weiß nicht warum, aber das sind für mich geschützte Räume, in denen ich vielleicht mit meinem Gott, oder wie immer ich es benenne, ins Gespräch kommen kann.

Hat das Leben einen Sinn?

Jeder sollte sich diese Frage stellen. Ich empfinde mich als Geschichtenerzählerin. Trotzdem frage ich mich immer wieder: Ist das alles, was ich hier tun kann? Aber solange ich das Gefühl habe, die Leute fühlen sich berührt oder auch manchmal irritiert durch das Erzählte, glaube ich, dass es sinnvoll ist, was wir tun. Real und sichtbar ist es natürlich ganz anders in den Kinder- und Jugendhilfswerken der Arche. Ich bin Schirmherrin der Arche in Meißen. Alle Mitarbeiter in den 20 Archen in Deutschland sind meine Helden des Alltags. Sie wissen am Abend, was sie getan haben. Jeden Tag holen sie unser aller Kinder von den Straßen – mit warmem Essen, Hausaufgabenbetreuung, Zeit, Zuwendung und Liebe. All das, was die Eltern oft nicht mehr leisten können oder wollen.

Muss man den Tod fürchten?

Ich habe viele Menschen gehen sehen. Ich fürchte mich nicht vorm Tod, eher vorm Sterben. Und die Angst um meine Kinder treibt diese Furcht natürlich an. Ich versuche jeden Tag, es nicht als Selbstverständlichkeit zu nehmen, dass ich noch hier sein darf. Und gegenüber jedem guten Freund, der schon gehen ­musste, spüre ich eine Verpflichtung, mein Leben zu umarmen, immer wieder. Was immer du tun möchtest, Mut ist ein guter ­Begleiter. Ich bin mit vierundzwanzig nach Amerika und habe alles hinter mir gelassen. Natürlich fürchtet man sich in diesem Alter nicht so, aber ich versuche, mir die Furchtlosigkeit zu bewahren.

"Hat das Leben einen Sinn?“

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Welche Liebe macht Sie glücklich?

Die zu meiner Familie, sie ist die Basis für alles. Wenn die nicht wäre, dann wäre es ziemlich leer. Mit Familie meine ich meine ­Mutter, meine Großmutter, den Mann meiner Mutter, meine ­Kinder, meinen Partner, auch die Väter meiner Kinder. Die Liebe zu mir selbst war und ist ein Lernprozess.

Wie haben Sie sich verändert?

Es fällt mir schwer, das zu beschreiben. Vielleicht bin ich vor wenigen Jahren noch mit Zeit anders umgegangen. Ich sage immer: Ich versuche, die alte Dame Zeit zu meiner Freundin zu machen. Und ich halte mich nicht mehr mit Dingen auf, die mir nicht guttun. Aber auch da bin ich in einem beständigen Lernprozess. Ich versuche, wach zu bleiben im Umgang mit mir selbst – und neugierig.  

Wie gehen Sie mit Schuldgefühlen um?

Eigentlich langweilt mich Schuld und die daraus erwachsende Verurteilung. Ich meine natürlich nicht, wenn es um schwere ­Verletzungen welcher Art auch immer geht. Und natürlich ­mache auch ich Fehler, die gestehe ich mir und anderen zu, solange man im Dialog darüber bleibt und Probleme gemeinsam auflösen kann. 

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