Abschluss­jahrgang am  College für  Sekretaerinnen in Addis Abeba.
Abschluss­jahrgang am College für Sekretärinnen in Addis Abeba. Zumra ist die Zweite von links auf der Treppe
Katharina Borst mit einer Mail aus Äthiopien
11.03.2015

Zumra wirkt auf den ersten Blick schüchtern und unscheinbar. Wie viele Äthiopierinnen ist sie eher klein und sieht in ihrer Sekretärinnenuniform fast verloren aus. Ich kenne sie vom College, an dem ich als Freiwillige arbeite. Junge Mädchen können dort eine kostenlose Ausbildung zur Sekretärin machen, Zumra ist eine Absolventin. Wie die meisten Menschen vom Land kennt sie ihr genaues Alter nicht. Die gebeugte Haltung und die schlechte Haut verraten, dass sie schon einiges erlebt hat.

Katharina Borst

###drp|2gjWr0W9_OdJusMXGvZAqyXZ00092026|i-38||### Borst ist Mitarbeiterin der Organisation „Projekt E“ project-e.eu

Als Älteste von drei Geschwistern wuchs sie in Degolo auf, einem kleinen Dorf 260 Kilometer von Addis Abeba entfernt. Ihr Vater ist tot, Zumra arbeitete zur Unterstützung der Familie in einem kleinen Laden als Verkäuferin, bis sie vor drei Jahren nach Addis Abeba ging. Noch heute spricht sie mit großer Sehnsucht von ihrem Dorf, ihre Mutter, fehlt ihr sehr. Aber eine Chance wie diese hinterfragt man hier nicht: Ohne die normalerweise teure Ausbildung hat sie kaum Aussicht auf einen festen Job und müsste sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten, immer in der Angst, in Bettelei oder Pros­titution abzurutschen. Zumra bekam schon zwei Monate nach ihrem Diplom ­eine Anstellung bei einer Versicherung. Man sieht ihr an, dass sie stolz darauf ist.

Wovon sie träumt? Von einer kleinen Familie und sicherer Arbeit. Und sobald sie es sich leisten kann, möchte sie als Freiwillige in einem Hilfsprojekt arbeiten. Das wünschen sich in Äthiopien viele junge Leute. Wohl aus dem starken christlichen Glauben und der allgegenwärtigen Armut heraus herrscht hier eine große Hilfsbereitschaft. Jeder steckt einem Bettler Kleingeld zu, wenn er kann. Viele erfolgreiche Businessfrauen und -männer widmen sich mit großer Intensität sozialen Projekten.

Vom großen Geld in Europa oder den USA träumt Zumra nicht, anders als viele ihrer Freunde. Nicht nur, weil es fast unmöglich ist, eine entsprechende Aufenthaltsge­nehmigung zu bekommen, und weil die Flugkosten ein Jahreseinkommen weit übersteigen. Sondern auch, weil sie ihre Heimat nicht verlassen möchte. Aber, meint sie, irgendwann eine Auslandsreise, das wäre schön. Vielleicht in den Jemen – das ist das nächstgelegene nichtafrikanische Land. Oder doch mal nach Amerika.

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