Hand mit Streichholz, brennende Wunderkerzen
Lisa Reinermann
Kirchen des Geistes
Für Menschen in armen Länder ist das eine zündende Idee: Der Heilige Geist macht reich! Doch das erklärt den Erfolg nicht ganz
Portrait Burkhard Weitz, verantwortlicher Redakteur für chrismon plusLena Uphoff
05.05.2015

„Ich bin vor den Herrn getreten und habe gebetet, dass mein Antrag auf eine Operation weitergeleitet wird. Ich ­hatte ja kein Geld. Gott hat mein Gebet gehört. Ich wurde gesund. Hier bin ich, um Zeugnis abzulegen von dem großen Wunder in meinem Leben. Ich wäre im Operationssaal fast gestorben. Aber Gott hielt seine Hand über mich und segnete mich.“

So äußerte sich Edna Pereira in einer österreichischen Fernsehsendung von 2014 über brasilianische Pfingstkirchen. Edna Pereira wird als Näherin aus armen Verhältnissen vorgestellt. Heute lebt sie in einem mittelständischen Vorort von Goiânia, einer Millionenstadt in Brasilien.

Jeder fünfte Christ gehört einer Pfingstgemeinde an. Auf 400 Millionen schätzen Experten im Vatikan ihre Zahl weltweit. Dabei ist die Pfingstbewegung, die sich weder zur katholischen noch zu den alten evangelischen Kirchen zurechnet, gerade 100 Jahre alt. Vor allem in China, Afrika und Lateinamerika wachsen ihre Gemeinden rasant. Geht es so weiter, könnte Bra­silien noch im 21. Jahrhundert seine katholische Mehrheit verlieren.

Pfingstkirchen sind - nicht nur in Deutschland - enorm beliebt. Pastor Henning Kiene vom Kirchenamt der EKD erklärt, welche Rolle die Pfingstkirchen spielen und wofür die Pfingstler kritisiert werden.

Pfingstchristen selbst schreiben den Erfolg dem Heiligen Geist zu. Er wirke wie in der biblischen Pfingstgeschichte: Die Jünger versammeln sich in einem Raum, der Heilige Geist fährt auf sie herab, sie reden in fremden Sprachen und leben fortan tugend­haft, teilen alles untereinander, heilen Kranke und verkünden das Reich Gottes.

Religionssoziologen sagen: Der wirtschaftliche Erfolg ihrer Mitglieder mache die Pfingstkirchen attraktiv. Auch Ednas Mann Eli Pereira hat den Aufstieg aus der Armut geschafft. „Mit 18 nahm ich Drogen, Alkohol. Da hatte ich einen Unfall. Durch ihn habe ich Jesus kennengelernt. Ich zog zu meinen Tanten. Sie waren in der Pfingstkirche. Ich wurde bekehrt. Ich habe mich von meinen Drogenfreunden dis­tanziert. Alles in meinem Leben wurde besser.“ Heute ist Eli Pereira Kleinunternehmer und importiert Stoffe.

Tanz, Ekstase, Begeisterung

Der soziale Aufstieg der Pereiras ist ­typisch für Pfingstchristen in ärmeren Ländern. Vor allem junge Frauen treten den Gemeinden bei. Man hilft sich mit ­Einkäufen, bei der Kinderbetreuung, wenn jemand krank wird. Die Frauen stellen ihre Männer oft vor die Wahl: Konversion oder Trennung. Konvertiert der Mann, darf er das Geld nicht mehr versaufen, verspielen oder verhuren. Er soll sich um die Familie kümmern. Die soziale Kontrolle ist groß, aber auch die gegenseitige Hilfe. Man trifft sich wöchentlich mit zehn bis zwölf anderen Pfingstchristen in Hauskreisen. Wer Arbeit hat, empfiehlt andere aus der Gemeinde in seiner Firma: „Ich kenne jemanden, der ist sehr zuverlässig.“ 

Für die Pfingstchristen zählt aber nicht das protestantische Arbeitsethos, sondern das Geist-Erlebnis: leidenschaftliche Gebete, emotionale Predigten, mitreißende Bekenntnisse. Für sie ist die Bibel wörtlich inspiriert, sie sprechen in einfachen Bildern von Himmel und Hölle, von Sünde und Buße. Fundamentalisten sind sie dennoch nicht. Streitgespräche über Glaubensfragen passen nicht zu ihnen. Wer nicht glaubt, der hat den Geist noch nicht erlebt.

Haben Sie religiöse Fragen?

Schreiben Sie (bitte mit vollständiger Anschrift) an:

chrismon, Stichwort: Religion für Einsteiger, Postfach 50 05 50, 60394 Frankfurt am Main, oder per E-Mail: religion-fuer-einsteiger@chrismon.de.

Pfingstchristen verändern das Christentum. Sie haben die körperliche Dimension des Glaubens wiederentdeckt: Tanz, Ekstase, Begeisterung. Und sie demokratisieren es.

Neue Gemeinden entstehen durch die Ini­tiative Einzelner. Zentral gesteuerte Bischofskirchen sind die Ausnahme. Einerseits ist so der Scharlatanerie Tür und Tor geöffnet. Die „Igreja Universal do Reino de Deus“ in Goiânia treibt bei psychisch Kranken, Drogenjunkies und Homo­sexuellen angebliche Dämonen aus – zu ihrem Schaden. Zu Jesus, der Menschen wirklich heilte, passt das gar nicht.

Andererseits bietet das Pfingstchris­tentum auch viel Freiheit. In der „Igreja Cristã Contemporânea”, in derselben brasilianischen Stadt Goiânia, bekennt sich der Prediger offen zu seiner Homosexualität. Ohne ihren geistlichen Reichtum wären die Pfingstgemeinden nichts. Man muss ihnen nicht in allem zustimmen. Trotzdem können auch andere Christen einiges von ihnen lernen.

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