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Was geht es die Kirchen an, wie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leben? Eine Frage, die regelmäßig für Streit sorgt
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
14.01.2015

Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist ein hohes Gut. Dass Staat und Gerichte den Kirchen nicht vorschreiben dürfen, welche Grundsätze und Wertvorstellungen für ­deren Arbeit gelten und welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie auszuwählen haben, ist im Grundgesetz festgelegt (Artikel 140) und war es schon in der Weimarer Reichsverfassung (Artikel 137). Woran Christen zu glauben haben und welche Moral bei ihnen gilt, das entzieht sich staatlicher Beurteilung. Und das ist gut so.

Wenn es nicht ein Problem gäbe: Für Kirche und Diakonie möchten viele arbeiten, aber nicht immer passen persönliche Biografien und kirchliche Regelwerke zusammen. Schon manche Erzieherin musste den Dienst in einem katholischen Kindergarten quittieren, nachdem sie sich hatte scheiden lassen und dann erneut geheiratet hat. Denn eine „Wiederverheiratung“ – weniger die neue Liebe – gilt bislang als grober Verstoß gegen die katholischen Rechtsnormen. Eine Ehescheidung ist in der katholischen Kirche nämlich nicht vorgesehen, die gescheiterte Ehe müsste in einem kirchlichen Gerichtsverfahren als un­gültig erklärt, also annulliert werden. Als Ende November das Bundesverfassungsgericht die Entlassung eines Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus in Düsseldorf für rechtens erklärte, der nach seiner Scheidung eine ­andere Frau geheiratet hatte – nach den Regeln seiner Kirche ein „Loyalitätsverstoß“ –, begründeten dies die Richter mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht. 

Dürfen die Kirchen von Krankenschwestern und Er­ziehern, Chefärzten und Sozialarbeiterinnen etwa ver­langen, dass sie bis ins Ehebett linientreu sind? Wo liegt die Grenze für eine zumutbare Einflussnahme? Darüber gibt es in der katholischen Kirche regelmäßig Streit. Als legitim erklären die Richter die Forderung der Kirchen, dass ihre eigenen Grundsätze und moralischen Standards nach außen nicht verwässert werden. Wer in den kirchlichen Dienst tritt, dem sind diese Regeln bekannt. Deshalb darf er, darf sie sich nicht wundern, wenn das verabredete Verhalten dann auch eingefordert wird.   

Kopftuch im evangelischen Krankenhaus?

Nur ein katholisches Problem? Nein. Auch die evangelische Kirche stößt mit ihren Richtlinien auf Widerspruch. Zum Beispiel wenn ein evangelisches Krankenhaus in ­Bochum einer muslimischen Pflegerin verbietet, ein Kopftuch zu tragen. Sie hatte jahrelang dort ohne Kopftuch gearbeitet, dann aber ihre religiösen Ansichten geändert. Nun ist es aus mit der Mitarbeit. Gerade erst entschied das Bundesarbeitsgericht, dass auch hier das Selbstbestimmungsrecht der Kirche höher zu bewerten sei als die Religionsfreiheit der Krankenschwester. 

Die Grenze ist nicht leicht zu ziehen. Die evangelische Kirche und ihre Diakonie haben in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit betont, dass sie den Einzelfall beurteilen – und auch so gehandelt. Das ist eine kluge Strategie. Ein Kopftuch, das wissen sie, bringt noch nicht automatisch ein ganzes Krankenhaus in Misskredit und verursacht auch keinen irreparablen Imageschaden. In Bochum schieden sich die Geister offensichtlich nicht an einem Stück Stoff, sondern am Verhalten der Angestellten. Wenn die Muslimin vor Gericht anbot, in Nonnentracht zur Arbeit zu kommen, zeigt das: Hier ging es nicht um einen Kompromiss in der Sache, sondern um Grundsätzliches. Das Bundesarbeitsgericht teilte deshalb die Auffassung des kirchlichen Arbeitgebers, dass er die „Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit“ nicht tolerieren müsse.

Schade, dass das Prinzip der Einzelfallprüfung im Falle des Düsseldorfer Chefarztes noch nicht galt. Denn dieses Prinzip wird kommen. Die katholische Kirche plant bereits Lockerungen ihres Arbeitsrechts. Eine automatische Kündigung von Geschiedenen, die eine neue Ehe eingehen? Diese Unsitte wird bald endlich vergangen sein.

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