Till Brönner
Dirk von Nayhauß
"Ich will herausfinden, was ich wirklich brauche - und was ich weglassen kann"
Er und ich. Die Nähe Gottes spürt Till Börner in besonderen, in glücklichen Momenten
Dirk von Nayhauß
25.02.2015

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Wenn ich Musik mache. Dann fühle ich mich wie der berühmte Fisch im Wasser. Und oft genug bemerke ich diesen Flow erst im Nachhinein: Ich schaue auf die Uhr und denke, es wären fünf Minuten vergangen, aber es waren zwei Stunden. Das ist ein Gefühl kindlicher Freiheit, als ob ich wirklich alterslos wäre.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Zu sagen, was man nicht will. Kinder können das noch. Ich bin so erzogen, Erwartungen, die an mich gestellt werden, anzuhören und sie auf ihre Machbarkeit zu prüfen. Das ist ein Reflex. Aber allein den lieben langen Tag alle E-Mails zu beantworten, um die ich nicht gebeten habe, ist eine massive Einschränkung meiner Freiheit. Ich arbeite sehr intensiv daran, mich klarer abzugrenzen von den allgemeinen Erwartungen. Und ich habe entdeckt, dass ein unbegründetes Nein einen großen Charme hat. Also: nicht alles erklären zu müssen, sondern einfach mal Nein zu sagen. Das ist einen Test wert. Nicht zu sagen: „Stimmt schon, aber...“, sondern einfach nur: „Nein.“ Das ist in seiner Klarheit nicht zu überbieten. Dann ist erst einmal Schweigen, und dann wird ganz schnell das Thema gewechselt.

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Ich war auf einer Jesuitenschule. Die Geistlichen trugen keine Kutte, sondern ganz normale Kleidung. Bei ihnen habe ich verstanden, dass Gott in uns ist und in jedem von uns eine Rolle spielen kann, beispielsweise beim Verständnis für einen Mitmenschen. Ich halte es allerdings für fatal, mit Gott auf das Gute im Menschen zu vertrauen. Man sollte erst mal davon ausgehen, aber nicht darauf vertrauen. Man begegnet ja immer wieder Menschen, denen möchte man – wenn man sie lange genug erlebt hat – etwas unterstellen, was im Bereich des Satans angesiedelt sein muss, ich kann es mir nicht anders erklären. In bestimmten Situationen, die ich als sehr glücklich empfand, habe ich mir eingebildet, die Nähe Gottes zu spüren. Was für Situationen das ­waren? Das ist eine sehr intime Frage. Es gibt Momente, die ich mit meiner Familie verbringe und in denen ich merke: Es gibt ­keinen Ort der Welt, an dem ich jetzt lieber wäre als hier. Das ist fast schon ein erhabenes Gefühl, das kann ich nur mit Dankbarkeit in Verbindung bringen. Das sind Momente, die mich rühren, und eine solche Rührung darf man sich dann auch nicht verbieten.

###autor### Hat das Leben einen Sinn?

Ich will herausfinden, was ich weglassen kann. Was brauche ich wirklich? Ich wünsche mir, dass mich materielle Fragen immer weniger umtreiben. Manchmal beobachte ich bei Menschen, die viel weniger zur Verfügung haben als ich, eine beneidenswerte Fröhlichkeit.

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Bedingungslose Liebe ist das, wovon wir träumen, und nichts ist schwieriger. Wahrscheinlich gibt es sie nicht, außer zwischen Eltern und Kindern. Wir Männer haben ja auch immer das Problem, dass wir letztlich die Liebe suchen, die uns die Mutter gegeben hat. Es gibt allerdings Menschen, die unglaublich gut zusammenpassen und wo ich mich dann frage: Haben die einander so ausgesucht, dass alle Bedingungen passen – oder sind die tatsächlich bedingungslos unterwegs?

Wer oder was hilft in der Krise?

Zuversicht. Das ist ein Wort, das ich liebe. Es klingt sehr gütig, nicht schwülstig, sondern schließt das mögliche Scheitern mit ein. Es hat etwas mit Vertrauen darauf zu tun, dass die Dinge nicht so bleiben werden, wie sie sind. Ich habe ein gutes Familien­gerüst. Besonders mein Vater ist ein sehr pragmatischer Typ.Von ihm habe ich gelernt, dass man sich die Momente, in denen es einem schlechtgeht, zugestehen muss und darf. Gefühle von Einsamkeit und Verlassenheit sind ja früh morgens um vier oder fünf Uhr am schwersten erträglich. Wenn sich der Kummer so groß anfühlt, dass man gar nicht mehr schlafen kann. Dann kann es helfen, sich ans Fenster zu stellen und zu sagen: Stimmt, mir geht es gerade echt mies. Ohne dabei zu verzweifeln! Eher sollte man sich vorstellen, eine Kamera auf sich zu richten: Sieh mal einer an, du bist gerade ein Schatten deiner selbst. Ohne sich selbst zu bewerten, kann man einfach feststellen, dass es einem schlechtgeht. Verdrängen ist viel schwieriger – obwohl wir reflexartig dazu neigen. Wenn ich mir meinen Kummer einmal zugestanden habe, kann ich mich um den nächsten Schritt kümmern.

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