Axel Prahl
Dirk von Nayhauß
„Warum bin ich nicht zu meiner Oma gefahren, als sie im Sterben lag?“
Aufstehen, weitergehen. Der Schauspieler Axel Prahl schafft sich Krisen lieber schnell vom Hals.
Dirk von Nayhauß
Dirk von Nayhauß
02.07.2015

In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?

Wenn ich mich erschrecke. Natürlich auch, wenn ich glücklich bin, mich mit jemandem freue oder etwas mit jemandem teile. Ich fühle mich sehr lebendig, wenn ich in der Aula sitze und meine Kinder haben eine Aufführung – da bin ich von Stolz erfüllt.

Was können Erwachsene von Kindern lernen?

Dass jeder Tag neu ist. Dass es gut sein kann, Dinge zu vergessen, zu verzeihen, nicht nachtragend zu sein, sondern den neuen Tag als Chance zu begreifen. Auch den Fehler, den man gemacht hat, kann man anders sehen – als etwas, woraus man lernen kann.

Haben Sie eine Vorstellung von Gott?

Der Glaube kann einem die Kraft geben, über Schicksalsschläge hinwegzukommen. Als meine Großmutter gestorben ist, hatte ich keine Zeit, zu ihr zu fahren. Man steckt im Hamsterrad, und es ist so grauenvoll, dass man sich selbst dafür die Zeit nicht nehmen kann. Ein Drehtag kostet 40 000 Euro. Im Nachhinein denke ich natürlich: Wieso habe ich nicht trotzdem den Hammer fallen lassen und bin zu meiner Oma gefahren, als sie im Sterben lag? Meine Oma, die durchaus gläubig war, wird mir das verziehen haben. Dass sie noch zugegen ist und vielleicht das, was ich denke und fühle, mitbekommt, ist ein tröstlicher Gedanke.

Muss man den Tod fürchten?

Wer ein tolles Leben hatte, denkt vielleicht: Es ist gut, wie es ist. Aber ich glaube, wenn der Moment näher rückt, fragt man sich doch, was danach kommt. Ob man etwas zu bereuen hat, hängt sicher davon ab, in welchen Kategorien man denkt und wie grob man das Raster einstellt. Wenn ich sage: Nur Klumpen, die dicker sind als zwei Meter, bleiben hängen – dann müsste ich sicher wenig bereuen. Alles in allem bin ich aber jemand, der die Maschen eher eng hält; manche Dinge tun mir durchaus leid. Ich hätte zu meiner Oma fahren sollen, als sie im Sterben lag. Oder nehmen wir was ganz Profanes: Manchmal denke ich, vielleicht wäre es doch gut, wenn ich ein bisschen Sport machen würde. Oder vielleicht hätte ich doch gesünder leben können.

In Ihrem neuen Film „Kafkas Der Bau“ spielen Sie einen Menschen voller Ängste. Sind Ihnen solche Gefühle vertraut?

Ich kenne die Angst, die Arbeit zu verlieren und die Kinder nicht ernähren zu können. Die Angst zu versagen und sozial abzu­rutschen. Ich bin mal mit einem Kumpel durch Spanien gereist, wo wir drei Monate lang von Straßenmusik gelebt haben. Jeden Morgen war unklar, ob wir das bisschen Geld zusammenkriegen, um uns was zu essen zu kaufen und die Übernachtung in einer schäbigen Pension zu bezahlen. Aber es hat funktioniert, und das hat mir die Gewissheit gegeben: Es geht immer irgendwie weiter. Und wenn nicht hier, dann woanders. An dem Tisch, an dem man nicht gern gesehen wird, sollte man nicht bleiben, da sollte man besser aufstehen und sich fortbewegen.

Welche Liebe macht Sie glücklich?

Die wohlwollende. Eine Liebe, die nicht fordert, sondern gibt. Ich liebe meine Frau und meine Kinder, meine Familie, meine Musiker... Mein Herz ist ein Omnibus: Ich liebe gern und oft und viel.

Wie gehen Sie mit Schuldgefühlen um?

Sowohl als auch. Wenn ich weiß, dass ich in der Schuld stehe, gehe ich hin und sage: Es tut mir leid, entschuldige. Wenn ich aber weiß, dass ich die Dinge nicht mehr ändern kann, bin ich Verdränger. Ich denke, das ist gesund. In Situationen, in denen man das Ruder nicht mehr herumreißen kann, macht es keinen Sinn, sich zu geißeln, damit ginge es dem anderen auch nicht besser. Wenn ich es nicht mehr ändern kann, kann ich es nicht mehr ändern. Hätte, wenn und aber ist alles nur Gelaber.

Wer oder was hilft in der Krise?

Dass es mir richtig schlecht geht, habe ich – toi, toi, toi – nicht allzu oft erlebt. Es kann damit zusammenhängen, dass ich mir solche Situationen immer schnell und gerne vom Hals schaffe. Ich bin im chinesischen Sternzeichen Ratte geboren. Von der Beschreibung fühle ich mich gut getroffen: Bei einer Ratte kann der Bau zusammenbrechen, die überlebt trotzdem, die frisst sogar Beton. Irgendwas passiert natürlich doch, das einen runterzieht. Wenn zum Beispiel eine Freundschaft oder eine Beziehung am Ende doch nicht so funktioniert hat, wie man sich das gewünscht hat. Aber da hilft nur aufstehen und weitergehen.

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