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Kümmert euch um die Kindergärten!
Was ist los in den Gemeinden, was beklagen Kirchenvorsteher, was wünschen sie, was können sie besser machen? Die Evangelische Kirche in Deutschland hat ihre Basis befragt
Gabriele MeisterLisa Strieder
26.10.2014

chrismon: Sie haben Kirchenvorstände von 803 Gemeinden in Deutschland nach Zielen, Struktur und Angebot befragt. Was ist den Gemeinden besonders wichtig?

Gerhard Wegner: Die meisten sind vor allem an guter Gemeinschaft interessiert – dass sich alle vertragen und man einander vertrauen kann. Fragen der Organisation, also wie man bestimmte Ziele erreicht und konkurrenzfähige Angebote macht, treten demgegenüber stark in den Hintergrund. Nur gut acht Prozent der Gemeinden haben einen Ausschuss für Gemeindeentwicklung, knapp ein Viertel sagt, dass man sich Ziele setzt und auch überprüft, ob sie erreicht wurden.

Ein schlimmes Versäumnis?

Nicht unbedingt. Religiöse Kommunikation braucht Gemeinschaft. Durch Ziel­vorgaben stiftet man keinen Glauben. Der wächst nur durch persönliche Begegnung. Deshalb ist es logisch, dass die Gemeinden da ihren Schwerpunkt haben. Trotzdem könnten sie sicher viel mehr aus sich machen, wenn sie den Organisationsaspekt ernster nehmen würden.

Welche Rolle spielt die Religion in den Gemeinden?

Wir haben die Kirchenvorstände gefragt, welche Ausrichtung – religiös, sozial oder kulturell –  Gottes­dienst, Konfirmanden-Gruppe, Altenarbeit und so weiter in ihrer Gemeinde haben sollen. In der Tat lag der Schwerpunkt meist deutlich im sozialen Bereich. Die Leute sehen das aber nicht als Gegensatz zur Religion. Die bildet immer noch den Rahmen des Geschehens.

Ist es eine Gefahr für die Kirche, wenn sie hauptsächlich soziale Angebote macht?

Nein, denn die Kirche stärker in Richtung Religion zu ver­-schieben, wäre sicherlich auch ganz schwierig. Religion hat in der Öffentlichkeit nun einmal eine schlechte Presse, und das Interesse, sich im Alltag über Fragen der Religion auszutauschen, ist auch
nicht mehr allzu groß.

Welche Anregungen bekommen die Gemeinden denn aus Ihrer Studie?

In unserer Umfrage haben sich die Kirchenvorsteher am meisten darüber beklagt, dass die Kinder- und Jugendarbeit zu kurz kommt. Das ist wirklich ein wichtiges Thema. Gerade Kindergärten sollte man viel offensiver als Ausgangspunkt für Gemeinde-Aufbau nutzen. Wenn Kinder früh mit der Kirche in Kontakt kommen, steigen die Chancen, dass sie eine Beziehung entwickeln und später Kirchenmitglieder bleiben. Außerdem ziehen Kindergärten viele Leute an, die sonst mit der Kirche wenig oder nichts zu tun haben. Eigentlich hat die Kirche da als größter Träger in Deutschland einen riesigen Schatz. Unsere Studie zeigt aber, dass Kindergärten im Bewusstsein der Kirchenvorstände eher ein Eigenleben außerhalb der Gemeinde führen. Das sind eigenständige Betriebe mit Angestellten, Haushaltsplänen und Dokumentationspflichten. Dabei würde genau diese Art zu planen und zu wirtschaften auch den Gemeinden gut tun.

"Gemeinden müssen stärker einbezogen werden"

Hat die Abneigung gegen Organisation und Kontrolle auch mit der Angst zu tun, dass Sätze wie "Das hast du nicht gut genug gemacht" oder "Wir wollen besser sein als die Nachbargemeinde" unchristlich erscheinen?

Zweifellos. Dabei wäre es durchaus positiv, wenn es zwischen den Kirchengemeinden etwas mehr produktive Konkurrenz gäbe. Man könnte das offen und freundschaftlich tun, aber in der Kirche ist das ein Tabuthema. Daran müssen die Gemeinden arbeiten, denn die Kirchenvorstände sind im Allgemeinen zwar bisher ganz zufrieden, blicken aber nicht sehr zuversichtlich in die Zukunft.

 Was befürchten sie?

Sie sehen vor allem Kräfte wirken, die sie meinen, nicht beeinflussen zu können: Dass Kirchensteuereinnahmen zurückgehen, Mitglieder schwinden und die Kirchen­leitungen über ihren Kopf hinweg irgendwelche Entscheidungen treffen werden. Bei den Pastoren ist dieses Gefühl noch stärker ausgeprägt als bei den Ehrenamtlichen. Das ist ein schlechtes Zeichen für die Kommunikation zwischen Gemeinden und höheren Leitungsebenen. Das müssen wir unbedingt verbessern.

Wo wird das noch deutlich?

Zum Beispiel bei großen Kampagnen wie "Luther 2017" oder "Woche für das Leben". Nur wenige Gemeinden nutzen solche Aktionen, um in deren Rahmen etwas Eige­nes anzubieten. Von manchen Kampagnen wissen viele Kirchenvorstände nicht einmal, dass es sie gibt. Dabei bewegen sich die meisten der aktiven Kirchenmitglieder in den Gemeinden. Wenn man die nicht erreicht, lässt man das wichtigste Potenzial ungenutzt. Die regionalen und landesweiten Leitungsorgane müssen die Gemeinden stärker einbeziehen und sie wertschätzen.

Wie können die Landeskirchen das tun?

Man kann zum Beispiel nicht einfach Gemeinden fusionieren, ohne zu sehen, wo Gemeinschaftsstrukturen verlaufen. Generell müssen die übergeordneten Gremien genauer hinsehen, was in den Gemeinden passiert. Diese Ebene ist die Basis. Aber sie ist aus dem Blick geraten.

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