Matthias Balk/dpa
Ältere Menschen fahren anders, hat Peter Sturmeit herausgefunden. Aber nicht unbedingt langsamer
Tim Wegner
21.10.2014

chrismon: Warum interessiert Sie das Fahrverhalten von älteren Menschen?

Peter Sturmeit: Ich wollte ein Klischee überprüfen: Dass ältere Menschen auf Autobahnen eher langsam und meistens auf der rechten Spur fahren. Die Statistik über Ordnungswidrigkeiten gab mir erst mal recht: Menschen, die älter sind als 65 Jahre, fallen seltener dadurch auf, dass sie zu schnell oder zu dicht auffahren.

Wie haben Sie Ihr Klischee und die Statistik überprüft?

Ich habe mich von 114 Freiwilligen im Alter zwischen 27 und 90 ­Jahren mitnehmen lassen, für ­
90 Minuten, 21 Kilometer waren wir auf der Autobahn unterwegs, im unieigenen BMW 525d. Es kam also nicht einer im Klein­wagen und der nächste im Benz. Eine Vergleichsgruppe bestand aus Fahrern mit einem Durchschnittsalter von gut 38 Jahren – drei weitere Gruppen aus Fah­rern, die im Schnitt gut 67, 72 und 79 Jahre alt waren.

Und?

Mein Klischee hat sich nicht bestätigt. Die Senioren sind so schnell wie die Jüngeren gefahren, zum Teil sogar schneller. Ein wichtiger Unterschied ist aber: Junge Fahrer ­gucken kontinuierlich über Rück- und Außenspiegel, was hinter ihnen passiert – die Älteren erst kurz vorm Spurwechsel, wenn überhaupt. Den Schulterblick haben die ­Senioren oft gar nicht gemacht.

Man muss ja auch nach vorn gucken!

Nicht nur! Den richtigen Zeitpunkt beim Überholen finde ich, wenn ich den Verkehr hinter mir beobachte. Ich konnte über die Kamera im Wagen bei allen Altersgruppen nachvoll­ziehen, wenn die Fahrer überholen wollten. Bei den Jüngeren diente das eher der Ab­sicherung, sie hatten den rückwärtigen Verkehr ja schon vorher im Blick. Die Älteren
nutzten die Spiegel erst kurz vorm Spurwechsel. Die Situation war hektischer, weil sie manchmal schon dicht auf den Vordermann aufgefahren waren und bremsen mussten. Dann zogen sie zu langsam auf die linke Spur, teilweise mit 90 Stundenkilometern.

Gibt es noch mehr Unterschiede?

Die Jüngeren fuhren in Passagen mit Geschwindigkeitsbeschränkung alle konstant zehn Stundenkilometer schneller als erlaubt. Bei den Älteren war das Bild zweigeteilt: Manche haben sich exakt ans Limit gehalten, andere sind richtig durchgebrettert. Haben sie ein Schild übersehen? Leuchtete ihnen der Grund nicht ein? Ich habe nicht nachgefragt, das hätte die Fahrer abgelenkt.

Und in zehn Jahren?

2020 wird jeder Achte mindes­tens 75 Jahre alt sein. Um 1970 herum traf das nur auf jeden 23. Menschen in Deutschland zu. Gut möglich, dass wir über ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen diskutieren – sozusagen aus Altersgründen, weil um die Älteren nicht mehr genug Junge herumfahren, die Fehler ausgleichen können. Andererseits: Wer in Zukunft zur Gruppe der Senioren gehört, wurde mit dem Auto sozialisiert, ist also ­erfahren – und bekommt noch mehr Hilfe von Fahrerassistenzsystemen.

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