Foto: Katja Bilo
09.10.2014

Tatsächlich erinnere ich mich in gar keiner Weise mehr an den Religionsunterricht in der Schule. Umso mehr hinterließ der Konfirmationsunterricht Spuren. Bei jedem Kirchenbesuch denke ich an den Pastor, der mir beigebracht hat, den Blick auch im Angesicht des Altars und des Kreuzes nicht zu senken, sondern geradeaus zu blicken mit offenen Augen, weil Gott keine Unterwürfigkeit will, sondern selbstbewusste, stolze, aufrechte Schafe in seiner Herde. Der Pastor, der viele Jahre als Missionar in Afrika gewirkt hatte, öffnete uns Fast-schon-Teenagern den Blick über den Tellerrand des westdeutschen Landlebens hinaus. So habe ich gelernt: dass ich gewollt bin, dass ich frei bin, dass mir verziehen wird. Der Glaube an Gott ist mir so allumfassend, dass ich in jeder ­Minute meines Lebens auch in Zeiten größten Zweifels immer sicher bin: Gott liebt mich.

Ich versuche mich so zu verhalten, wie man mir beigebracht hat, dass ein guter Christ zu sein hat. Und obwohl ich andauernd fehle, versuche ich einfach ein netter Mensch zu anderen zu sein. Das will Gott von uns. Wenn wir alle nur das sind, können wir viel mehr nicht werden. Jedes Mal, wenn ich ein Haus Gottes irgendwo auf der Welt betrete, bete ich. Ich danke häufig, weil ich glücklicherweise so viel zu danken habe. Ich bitte um Hilfe, wenn es mal schwierig ist. Ich bin immer noch das kleine Mädchen, das mit Gott spricht, der immer da ist, alles sieht und mich am Ende von allem in den Arm nimmt. Selbstverständlich bin ich auch kirchlich getraut. Welche Prinzessin lässt sich die Gelegenheit entgehen, in einem weißen Kleid von ihrem Prinzen in den Himmel auf Erden entführt zu werden? Distanz zu Religion empfinde ich an Orten in der Welt, wo die kriegerischen Auseinandersetzungen im Namen Gottes überhandnehmen. Zweifel befallen mich im Angesicht von Krankheit und Tod, um sofort wieder von Hoffnung ersetzt zu werden.

Ich fühle mich evangelisch, weil ich keinesfalls katholisch sein will. Ein bisschen mehr Franziskus, mehr Mut zum Zauber, ein Schlag mehr katholisches Selbstbewusstsein, das täte uns zwar gut, aber die Nachteile des männlichen Popanz überwiegen doch ungemein und somit bin und fühle ich mich rundherum evangelisch.

###mehr-extern### Die Kirche muss attraktiv sein für viele. Vorbild, nicht Mittelpunkt der Kritik. Sie soll mitreden, soll gestalten, soll Meinung haben und das Leben besser machen. Sie soll sich einmischen, soll Position beziehen, das Gute in der Welt verteidigen. Meine Kirche soll recht haben, nicht im Mainstream schwimmen, soll Werte aufrecht und Maß halten leh­ren.

Was mich aufregt, ist dieses Bild der Kirche: ein langweiliger Haufen, der glaubt, alles ginge so weiter wie bisher. Eine Institution, die stets vermittelt, die Schäflein sind ­selber schuld, wenn sie den Hirten nicht mehr hinterherlaufen. Eine Institution, die mehr mit sich selber beschäftigt ist als mit den Bedürfnissen der Gläubigen. Die nicht schafft, ihre ­Attraktivität wenigstens denen nachhaltig näherzubringen, die schon Berührungen haben.

Das gleiche gilt auch für den Gottesdienst: Er soll mich berühren. Er soll mich entführen in eine andere Welt jenseits des Alltags. Ein guter Gottesdienst entlässt mich beseelt. Durch die Worte Gottes, durch die Liturgie, durch gute Musik, eine gute Predigt. Schlechte Gottesdienste sind selten Geschmackssache, sondern eine Frage der Qualität. Ich brauche niemanden, der mir den »Spiegel« der letzten Woche vorliest. Ich brauche niemanden, der mir sagt, was ich denken soll, was alles falsch läuft, woran immer die anderen schuld sind. Ich will Anregungen, Nachdenken, Hoffnung vermittelt bekommen. Ich will heraus­geholt werden aus meinem Alltag, weil das Göttliche den Weg bereitet. Entführt mich und berührt mich!

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Wir, meine Frau Christa und ich, sind gerührt und mächtig stolz auf unsere Tochter Claudia.

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